Rede in der Debatte zu den Konsequenzen aus der Atomkatastrophe in Japan
Ich denke, angesichts der aktuellen Situation in Japan, angesichts dessen, dass dort immer noch Menschen um ihr Leben ringen und einige im wahrsten Sinne des Wortes ihr Leben einsetzen, um das Leben anderer zu schützen, verbietet sich heute eine ritualisierte Debatte. Für den sonst üblichen intensiven parlamentarischen Schlagabtausch zwischen Regierung und Opposition zum Thema Atomausstieg ist jetzt wohl nicht der richtige Zeitpunkt.
Ich möchte zunächst auch für meine Fraktion unser Mitgefühl und unsere Solidarität mit den Menschen in Japan zum Ausdruck bringen, die durch zwei schwere Naturkatastrophen, durch das Erben und den nachfolgenden Tsunami sehr hart getroffen wurden. Wir trauern mit den Angehörigen um die Toten, wünschen den Verletzten schnelle Genesung und hoffen, dass für die Überlebenden der Katastrophe in den betroffenen Regionen ein halbwegs normales Leben in absehbarer Zeit wieder möglich wird.
Und noch etwas ist mir sehr wichtig: Ich möchte jenen knapp zweihundert Menschen, die derzeit im Kernkraftwerk Fukushima darum kämpfen, den atomaren Super-GAU doch noch zu verhindern, und die nicht wissen, ob sie diesen Einsatz überleben werden, meine größte Hochachtung aussprechen.
Zugleich aber empfinde ich jedoch auch Wut – Wut auf die Betreibergesellschaft des Kraftwerkes, die seit Jahren durch Pannen, Vertuschen und Versagen bekannt geworden ist, und auch jetzt nur häppchenweise Informationen herausgibt.
Ich empfinde auch Wut auf diejenigen, die jetzt so tun, als hätte vor dem 12. März niemand solche Atomunfall-Szenarien beschrieben. Meine Kollegin Tina Flauger aus dem Niedersächsischen Landtag hat es auf den Punkt gebracht, als sie kürzlich sagte (Zitat): „Für mich war der Begriff des „Restrisikos“ immer eine Verharmlosung eines möglichen Nuklearunfalls mit dann apokalyptischen Konsequenzen. Nach Fukushima verbietet sich der Gebrauch dieses Wortes endgültig.“
Und schließlich bin ich auch wütend auf jene, die jetzt mit Blick auf die jetzt stattfindenden Landtagswahlen in blinden Aktionismus verfallen, anstatt einen möglichst breiten gesellschaftlichen Konsens zu einem baldigen Atomausstieg zu suchen.
Dabei wird insbesondere von CDU und FDP gern ausgeblendet, dass es in Deutschland einen solchen gesellschaftlichen Konsens in dieser Frage vor wenigen Jahren schon einmal gegeben hat.
Der unter der rot-grünen Bundesregierung im Jahr 2000 nach langwierigen Verhandlungen mit den Energiekonzernen erzielte Atomkompromiss zur Begrenzung der Laufzeit von Kraftwerken war mit Sicherheit nicht der Weisheit letzter Schluss. Deshalb ist ein bloßes Zurück auf diesen Stand – wie die SPD es offenbar fordert – aus Sicht der LINKEN auch keine wirkliche Lösung. Der Atomausstieg muss deutlich schneller vonstatten gehen und er muss vor allem sofort beginnen. Atomenergie ist keine Brückentechnologie, sondern ganz eindeutig ein Auslaufmodell!
Dennoch – und auch das will ich durchaus betonen – bot der vor einem Jahrzehnt vereinbarte Atomkompromiss zumindest ein nachvollziehbares Ausstiegsszenario in einem klar definierten, überschaubaren Zeitraum und es gab zudem eine breite Akzeptanz in der Gesellschaft. Der letzte Meiler sollte danach im Jahr 2022 vom Netz gehen.
Ich habe nie begriffen, was CDU und FDP geritten hat, das geschlossene Paket nicht nur wieder aufzuschnüren, sondern im September vergangenen Jahres gegen erbitterten öffentlichen Widerstand zu beschließen, dass die Laufzeiten der deutschen Atomkraftwerke im Schnitt um zwölf Jahre verlängert werden sollen.
Dadurch würde das letzte Kraftwerk wohl erst 2040 abgeschaltet, vielleicht sogar noch später, wenn die Betreiber ältere Reaktoren aus wirtschaftlichen Gründen früher als geplant stilllegen und die Reststrommengen auf neuere AKW übertragen würden.
Das von der Bundesregierung verkündete dreimonatige Moratorium ist nichts anderes als Hinhaltetaktik, wie die erfreulich offenherzigen Ausführungen von Bundeswirtschaftsminister Brüderle belegen. Die ausdrücklich nur zeitweilige Abschaltung der ältesten Reaktoren das Gegenteil von entschlossenem Handeln und die Gründung einer Arbeitsgruppe mit dem Namen „Ethik-Kommission“ ist in erster Linie ein Ausdruck von Hilflosigkeit.
Was wir brauchen, sind klare Entscheidungen: Der Ausstieg aus der Kernenergie muss jetzt, er muss sofort beginnen. Die schon vom Netz genommenen Kraftwerke müssen dauerhaft abgeschaltet bleiben.
Alle anderen AKW sollten schnellstmöglich folgen, und natürlich nicht nur in Deutschland, sondern international.
Wir brauchen einen verbindlichen Beschluss des Deutschen Bundestages über den unumkehrbaren Ausstieg aus der Kernenergie. Das und nur das kann die Lehre aus der Atomkatastrophe von Fukushima sein!