Ehrenamtliche im Katastrophenschutz entlasten

André Hahn sieht noch viel Luft nach oben, damit ein leistungsstarker Katastrophenschutz gewährleistet ist. Nur darauf zu hoffen, dass im Notfall genug Freiwillige da sind, reicht längst nicht mehr aus. Die immer komplexeren Krisen- und Katastrophenlagen erfordern mehr qualifizierte hauptamtliche Kräfte und natürlich eine moderne Ausstattung. Die Wertschätzung für die Helfenden fängt bei einer angemessenen Finanzierung an!


Auszug aus dem Plenarprotokoll 20/46 vom 06.07.2022

Tagesordnungspunkt 4: Beratung des Antrags der Fraktion der CDU/CSU – Aus den Krisen lernen – Für einen starken Bevölkerungsschutz
Drucksache 20/2562

Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Inneres und Heimat (f)
Auswärtiger Ausschuss
Verteidigungsausschuss
Ausschuss für Gesundheit
Verkehrsausschuss
Ausschuss für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Ver-
braucherschutz
Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung
Ausschuss für Digitales
Ausschuss für Wohnen, Stadtentwicklung, Bauwesen und Kommunen
Haushaltsausschuss

Dr. André Hahn (DIE LINKE):
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! „Aus den Krisen lernen – Für einen starken Bevölkerungsschutz“, so lautet die Überschrift des Antrags der Union. Das kann man auch so verstehen, dass erst furchtbare Dinge wie Naturkatastrophen passieren müssen, bevor Sie darauf im Bevölkerungsschutz reagieren wollen. Diese Herangehensweise ist ein folgenschwerer Irrweg.

(Manuel Höferlin [FDP]: Ja!)

Das mag vielleicht verhindern, dass zu große Summen in Prävention fließen, die in absehbarer Zeit womöglich gar nicht in vollem Umfang gebraucht werden. Aber dann reden Sie doch bitte nicht von vorsorgendem Bevölkerungsschutz; denn diese Taktik läuft darauf hinaus, dass Sie erst dann Hilfe leisten, wenn Menschen bereits gestorben und Schäden in Milliardenhöhe entstanden sind. So schützen Sie doch niemand, es sei denn, es passiert rein zufällig einmal eine Katastrophe, aus der Sie dann vielleicht gelernt haben, wie zum Beispiel die tragischen Tode in der Behinderteneinrichtung in Sinzig im Ahrtal. Moderne Feuerwehren und THW-Technikmüssen schlichtweg in ausreichendem Maße bereitstehen,

(Andrea Lindholz [CDU/CSU]: Genau das habe ich gesagt! Einfach mal zuhören, Herr Dr. Hahn!)

auch wenn wir alle hoffen, dass sie möglichst wenig zum Einsatz kommen müssen. Doch genau daran mangelt es. Das wurde in der Innenausschussanhörung vorgestern deutlich, in der die teils museale Ausrüstung von Rettungs- und Hilfsdiensten kritisiert wurde. Hier muss sich endlich etwas ändern.

(Beifall bei der LINKEN)

Noch vier Monate vor der Flut wollte der damalige Präsident des BBK, unser ehemaliger CDU-Kollege Armin Schuster, mit einem Achtpunkteprogramm Abhilfe schaffen. Wesentlich vorangegangen ist es seither in keinem Bereich. Das Programm zur Wiedererrichtung von Sirenen, die es im Osten im Übrigen oft noch gibt, ist ins Stocken geraten; Mittel werden nicht abgerufen. Es gibt weder bundesweit einheitliche Vorgaben für die Art der Sirenen noch für die sich daraus ergebenden Warn- töne und die erforderliche Sensibilisierung der Bevölkerung. Nach der Flut vor einem Jahr sollte dies laut dem damaligen Bundesinnenminister Seehofer allesganz schnell gehen. Jetzt redet die Union in ihrem Antrag von einem langfristigen Programm. So schafft man kein Vertrauen, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der LINKEN)

Wenn Sie vor diesem Hintergrund bereits Ende 2022 – so schreiben Sie im Antrag – bundesweit und barrierefrei die Bevölkerung warnen wollen, dann müssen Sie auch er- klären, wie Sie das machen wollen. Doch das verraten Sie in Ihrem Antrag aber nicht. Einen Punkt im Antrag will ich aber durchaus loben: Sie listen das zunehmend komplexere Gefahrenspektrum korrekt auf, nennen neben Dürre, Extremwetterlagen, Klimawandel, Cyberattacken auf kritische Infrastrukturen auch weitere Szenarien. Das muss natürlich durcheinen kompetenten Katastrophenschutz beantwortet werden. Das, was die Union, aber leider auch die Ampel bisher dafür finanziell vorsehen, ist völlig unzureichend. Zudem bin ich auf Ihre Argumentation im Ausschuss
gespannt, warum Sie die Bewältigung all dieser Szenarien auch künftig überwiegend freiwilligen Helfern aufbürden wollen; denn vom Ausbau hauptamtlicher Personalstrukturen im Katastrophenschutz, der bei steigender Komplexität der Bedrohungsszenarien eigentlich nötig wäre, lese ich in Ihrem Antrag nichts. Es ist also noch viel Luft nach oben, und ich hoffe, dass wir da im Zuge der Ausschussberatungen noch nachbessern können.
Herzlichen Dank.

(Beifall bei der LINKEN)