Wie viel Behinderung verträgt ein Untersuchungsausschuss?
Der im März 2014 mit den Stimmen aller Fraktionen eingesetzte NSA-Untersuchungsausschuss wird öffentlich sehr unterschiedlich wahrgenommen. Einige fragen, was wir als LINKE dort machen, weil es schon seit einiger Zeit keine großen Schlagzeilen mehr gebe. Andere wieder sind positiv überrascht, was wir unter extrem schwierigen Rahmenbedingungen schon alles herausgefunden haben.
Es ist richtig, dass die zentralen politisch Verantwortlichen noch nicht als Zeugen im Ausschuss waren, aber das wird sich 2015 ändern. Bislang wurden vor allem externe Sachverständige und führende Mitarbeiter des Bundesnachrichtendienstes (BND) befragt werden, wobei letztere mit dem bis vor kurzem noch völlig unbekannten Vorgang „Eikonal“ zu tun hatten, einem Geheimprojekt, beim dem BND und NSA in Bad Aibling mit ausdrücklicher Billigung des Bundeskanzleramtes gemeinsam über Jahre hinweg auf höchst fragwürdige, wenn nicht gar illegale Weise erlangte internationale Telefon-, Internet und Mail-Verkehre aus Leitungen der Deutschen Telekom auswerteten. Als der frühere Vorstandsvorsitzende der Telekom AG, Kai-Uwe Ricke, kürzlich im Ausschuss Rede und Antwort stehen musste, beteuerte er, von alledem nie etwas gewusst zu haben. Selbst ein an ihn persönlich gerichtetes ominöses Schreiben des Kanzleramtes wollte er nie zu Gesicht bekommen haben.
Enge Kooperation zwischen BND und NSA
Dennoch: Insbesondere Dank der engagierten Arbeit der Oppositionsvertreter im Ausschuss (Martina Renner und Konstantin von Notz als Obleute von LINKEN und Grünen sowie Hans-Christian Ströbele und ich selbst als stellvertretende Mitglieder) weiß die Öffentlichkeit inzwischen, dass stimmt, was Edward Snowden und das Team um Glenn Greenwald und Laura Poitras beschrieben haben: dass es eine enge Kooperation zwischen BND und NSA gab und gibt, dass der BND Geräte und Software aus den USA bekommt und im Gegenzug Daten liefert. Wir kennen nun die bizarren Theorien des BND, um seine Praxis zur Umgehung geltender Gesetze zu rechtfertigen. Es werden massenhaft Daten erfasst sowie verarbeitet, und es sieht ganz danach aus, als könne der BND nicht sicherstellen, dass dabei keine Daten von Deutschen ohne G10-Beschluss erfasst und weitergegeben werden. Das allerdings wäre klar gesetzeswidrig.
Wir wissen aus dem Ausschuss aber auch, dass es in den Jahren seit dem 11. September 2001 trotz der von Bundeskanzler Schröder postulierten „uneingeschränkten Solidarität“ in Behörden, Ministerien und Unternehmen durchaus mehrfach Bedenken gegeben hat, ob diese ausufernde Überwachung richtig ist. Das bestätigt uns in unserer kritischen Sicht und wirft zugleich die Frage auf, warum diese Bedenken nicht zum Tragen kamen. Das wird uns ebenso weiter beschäftigen wie die Aussagen mehrerer hochrangiger Verfassungsrechtler vor dem Ausschuss, die unisono zum dem Schluss kamen, dass es für einige Auslandsaktivitäten des BND überhaupt keine rechtliche Grundlage gäbe. Das war im Mai, doch die Bundesregierung sieht bis heute keinen Grund zu Korrekturen.
„Wir wollen von allen alles wissen!“
Die NSA-Whistleblower Binney und Drake haben im Ausschuss überzeugend die Philosophie ihres früheren Arbeitgebers dargelegt, die das lautet: „Wir wollen von allen alles wissen!“ Die Einhaltung von Recht und Gesetz spielt dabei vor allem im Ausland bestenfalls eine untergeordnete Rolle.
Nähere Auskunft darüber könnte uns Edward Snowden geben, aber dessen Vernehmung wird seit Monaten von der Bundesregierung blockiert, und leider hat auch unsere Klage beim Bundesverfassungsgericht nicht weitergeholfen. Sollten wir den nun aufgewiesenen Weg zum Bundesgerichtshof gehen, dann müssen dort sicher auch andere Punkte thematisiert werden wie die umfänglichen Aktenschwärzungen, die eingeschränkten Aussagegenehmigungen für Zeugen oder auch die Einstufung von Dokumenten oder ganzen Sitzungen. So erlebten wir als Novum sogar eine als streng geheim klassifizierte Ausschuss-Sitzung. Ein solche ist nur möglich bei einer „großen Gefahr für den Bestand der Bundesrepublik Deutschland“. Was will die Regierung eigentlich verbergen, wovor hat sie derart große Angst?
Wir jedenfalls bleiben hartnäckig und wollen das aufklären, während die Union im Gegenteil verzweifelt belegen will, dass die Massenüberwachung gar nicht stattgefunden hat.
Das Bundeskanzleramt versucht beständig, den Ausschuss zu kontrollieren und zu beschränken. Tatsächlich sieht die parlamentarische Demokratie aber vor, dass das Parlament die Regierung kontrolliert.
Nicht eine einzige Aussage von Snowden widerlegt
Fakt ist: Bislang ist nicht eine einzige Aussage von Edward Snowden widerlegt worden und nicht ein einziges der von ihm den Medien übergebenen Dokumente hat sich als falsch erwiesen. Deshalb werden sich neben früheren Geheimdienstchefs auch die Kanzleramts- und Außenminister sowie die Bundeskanzlerin selbst dem Ausschuss stellen und darlegen müssen, was sie wann gewusst und was sie gegen die Überwachung von Bürgern und Unternehmen getan oder nicht getan haben.
Unser Zwischenfazit nach neun Monaten: Es ist noch sehr viel zu tun, aber es lohnt sich.
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Quelle: http://linksfraktion.de/