Offenbarungseid der Bundesregierung zur Förderung des Spitzensports von Menschen mit Behinderung

Offenbarungseid der Bundesregierung zur Förderung des Spitzensports von Menschen mit Behinderung
Rollstuhlbasketball, Paralympics 2012, London

„Die Antworten der Bundesregierung auf unsere Fragen zur Förderung des Spitzen- und Breitensports von Menschen mit Behinderungen offenbaren eine deutlich schlechtere Sportförderung des Bundes von Menschen mit Behinderungen im Vergleich zu Menschen ohne Behinderungen und lassen angesichts der vielen unbeantworteten Fragen bzw. der geäußerten Unkenntnis daran zweifeln, dass die seit März 2015 intensiv geführte Debatte über die Reform der Spitzensportförderung erfolgreich abgeschlossen werden kann. Hier sehe ich nach Abschluss der Olympischen und Paralympischen Spiele in Rio dringenden Diskussionsbedarf, auch im Sportausschuss des Bundestages“, erklärt Dr. André Hahn, sportpolitischer Sprecher der LINKEN im Bundestag zur Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der LINKEN „Förderung des Spitzensports von Menschen mit Behinderung“, Drs. 18/9299 sowie die Antwort auf seine schriftlichen Fragen zur Förderung des Behindertensports durch den Bund mit dem Bundeshaushalt 2017.

Nachfolgend weitere Anmerkungen von Katrin Kunert, Obfrau der LINKEN im Sportausschuss des Bundestages sowie André Hahn zu den Antworten der Bundesregierung auf ihre Kleine Anfrage:

Leistungsniveau und Leistungsdichte im Spitzensport der Menschen mit Behinderung steigen seit Jahren kontinuierlich an. Das trifft insbesondere auf den paralympischen Sommersport zu. Diese Auffassung des Deutschen Behindertensportverbandes (DBS) wird zwar von der Bundesregierung geteilt, aber tiefgreifende Konsequenzen für eine zukünftige Sportförderung des Spitzensports von Menschen mit Behinderung leitet die Bundesregierung daraus scheinbar nicht ab.

Die Bundesregierung hat keine Vorstellungen darüber, wie ihr Anliegen „eine führende Sportnation zu sein“ umgesetzt werden soll. Für sie ist es anscheinend ausreichend, wenn sie im Bereich des Spitzensports für Menschen mit Behinderungen den Dialog, mit dem DBS und dem Deutschen Gehörlosen-Sportverband (DGS) führt, um die dem die dem Spitzensport der Menschen mit Behinderung zur Verfügung stehenden Ressourcen möglichst effizient im Sinne des Anliegens einzusetzen. Das aber – so Katrin Kunert und André Hahn – wird nicht ausreichen, um das gegenwärtige Leistungsniveau im Spitzensport von Menschen mit Behinderung annähernd aufrechtzuerhalten.

Unfassbar ist, dass die Bundesregierung keine Kenntnis darüber hat, wer in ihrem eigenen Verantwortungsbereich im Spitzensport tätig ist. „Der Bundesregierung liegen keine standardisierten Daten darüber vor, welche ihrer Beschäftigten außerhalb der Arbeitszeit im Spitzensport aktiv sind.“ Nicht zu verstehen ist, warum der Bundesregierung „keine Erkenntnisse über die insgesamt im Spitzensport hauptamtlich tätigen Trainerinnen und Trainer, Sportfunktionäre und sonstiges Personal vorliegen“. Wie will man etwas verändern, wenn man nicht einmal Kenntnis von der gegenwärtigen Situation hat!

Massive Ungleichbehandlung

Über 99 Prozent aller bei Bundesbehörden (inklusive Bundeswehr, Bundespolizei und Zoll) geschaffenen Arbeitsplätze für den Spitzensport sind für den Spitzensport der Menschen ohne Behinderungen (906 Sportler ohne Behinderung plus 81 Trainer und sonstiges Personal gegenüber 8 Sportlern mit Behinderung und null Trainer und sonstiges Personal). Laut Bundesregierung auf eine Anfrage von André Hahn im Februar 2015 waren es ein Jahr zuvor noch 11 Sportlerinnen und Sportler mit Behinderung, die beim Bund beschäftigt wurden, d.h. trotz aller Versprechungen und Bemühungen des Bundes gibt es hier sogar noch rückläufige Tendenzen!

Darüber hinaus werden im Bereich des Spitzensports der Menschen ohne Behinderung laut Bundesregierung 290 hauptberufliche Bundestrainerinnen und –trainer sowie rund 300 Bundestrainerinnen und –trainer auf Honorarbasis mit Bundesmitteln beschäftigt. 34 Sportdirektorinnen und –direktoren sowie 26 Sportreferentinnen und –referenten werden gefördert.

Im Bereich des Spitzensports der Menschen mit Behinderung werden 7 hauptberufliche Bundestrainerinnen und –trainer sowie rund 20 Bundestrainerinnen und –trainer auf Honorarbasis beschäftigt. 3 Sportdirektorinnen und –direktoren, 2 Sportreferentinnen und –referenten sowie 12 Mitarbeiterinnen der Geschäftsstelle des DBS bzw. DGS werden gefördert.

Setzt man Trainer und Bundeskader ins Verhältnis stellt sich der Unterschied in der Förderung noch drastischer dar: Im Spitzensport für Menschen ohne Behinderung kommt auf ca. 10 Bundeskader ein Trainer. Im Spitzensport für Menschen mit Behinderung kommt auf ca. 83 Bundeskader ein Trainer.

Der Verweis der Bundesregierung auf die Olympiastützpunkte (OSP) als Serviceeinrichtungen, die allen Spitzensportler zur Verfügung stehen, ist ein Hohn, wenn man bedenkt, dass nur 37 Prozent der OSP barrierefrei sind!

Katrin Kunert: „Es ist nicht zu akzeptieren, dass Bundeskader ohne Behinderung über bessere Rahmenbedingungen verfügen als Bundeskader mit Behinderung. Die Ungleichbehandlung muss jetzt beendet werden. Eine Diskussion über Jahre hinweg – wie z.B. bei der Prämienzahlung – können wir uns nicht mehr leisten.“

Weiteren Diskussionsbedarf sehen die Abgeordneten auch zu den Antworten zur Finanzplanung des Bundes sowie zur Förderung des Breitensports.