Krisenvorsorge erfordert Umdenken in der Gesundheitspolitik

In der aktuellen Situation wird deutlich, dass wir bei der medizinischen Versorgung dringend einen Politikwechsel brauchen. Das Gesundheitswesen muss als Teil der Grundversorgung und staatliche Kernaufgabe verstanden werden. Hier darf es – gerade mit Blick auf Krisensituationen – nicht um Profitmaximierung gehen!


 

Auszug aus dem Plenarprotokoll 19/153 vom 13.03.2020

Tagesordnungspunkte 18 a, 18 b und 18 d auf:

a)Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des THW-Gesetzes

Drucksache 19/17291

Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Inneres und Heimat (4. Ausschuss)

Drucksache 19/17817

b) Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Inneres und Heimat (4. Ausschuss)

– zu dem Antrag der Abgeordneten Benjamin Strasser, Stephan Thomae, Grigorios Aggelidis, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP

Vorsorgestrukturen ausbauen – Ehrenamt in Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe stärken

–zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung

Bericht zur Risikoanalyse im Bevölkerungsschutz 2017

–zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung

Bericht zur Risikoanalyse im Bevölkerungsschutz 2018

Drucksachen 19/8541, 19/9520, 19/9521, 19/17817

d) Beratung des Antrags der Abgeordneten Dr. Irene Mihalic, Luise Amtsberg, Canan Bayram, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Zusammenarbeit im föderalen Katastrophenschutz stärken

Drucksache 19/17749

Dr. André Hahn (DIE LINKE):

Herr Präsident! Meine Damen und Herren!

Beim aktuellen Tagesordnungspunkt werden ein Gesetzentwurf und gleich vier Beschlussvorlagen gemeinsam behandelt. Wir als Linke haben dafür drei Minuten Redezeit. Eine wirklich detaillierte Befassung mit den Vorlagen ist somit objektiv schwierig bis unmöglich. Deshalb kann ich nur auf einige Punkte kurz eingehen.

Zunächst zur Risikoanalyse. In der Bundestagsdrucksache 17/12051 vom 3. Januar 2013 – es handelt sich um den Bericht zur Risikoanalyse im Bevölkerungsschutz 2012; meine Vorrednerin hat darauf bereits hingewiesen – wird ein Szenario beschrieben, das uns dieser Tage sehr bekannt vorkommt.

(Christoph Bernstiel [CDU/CSU]: Das ist aber ein Worst-Case-Szenario!)

Es geht in diesem Szenario um ein hypothetisches neuartiges Virus, das den Namen „Virus Modi-SARS“ erhält. Es wird durch Reisende aus Asien eingeführt, wo es auf einem Wildtiermarkt auf Menschen übergesprungen war. Das fiktive Virus ist hochinfektiös und breitet sich über eine große Anzahl von Kontaktpersonen auch in Deutschland schnell aus. Die Symptome des neuen Virus sind Fieber und trockener Husten. Die Mehrzahl der Patienten hat Atemnot und Veränderungen in der Lunge; auch in dieser Hinsicht hat das fiktive Virus eine fast schon unheimliche Ähnlichkeit mit dem aktuellen Corona Virus. Zum Höhepunkt der ersten Infektionswelle nach circa 300 Tagen – so die Annahme in der Risikoanalyse – sind circa 6 Millionen Menschen in Deutschland an diesem Virus erkrankt. Dann heißt es in dem Bericht weiter: „Das Gesundheitssystem wird vor immense Herausforderungen gestellt, die nicht bewältigt werden können.“ Noch einmal: Das fragliche Dokument stammt aus dem Jahr 2013. Heute sind wir leider in einer Situation, in der sich beweisen muss, ob aus diesem Stresstest die richtigen Schlussfolgerungen gezogen worden sind.

Die Risikoanalyse zum Bevölkerungsschutz für das Jahr 2017, die heute auf der Tagesordnung steht, greift die Analyse aus dem Jahr 2012 noch einmal auf und verbindet sie mit konkreten Handlungsempfehlungen. Es wird zum Beispiel empfohlen, zu prüfen, ob eine Erhöhung der Bettenzahl in Krankenhäusern sinnvoll wäre. Da würde mich tatsächlich interessieren, welche konkreten Überlegungen dazu angestellt und welche Ergebnisse dabei bisher erreicht wurden. In Sachsen jedenfalls sind eher Bettenzahlen reduziert worden.

Berichte, die uns aus Italien erreichen, sind zutiefst beunruhigend und zeigen, wie schnell Kapazitäten in Krankenhäusern an die Grenzen kommen können. Gesundheit und medizinische Versorgung sind Teil der Grundversorgung. Hier darf es gerade mit Blick auf Krisensituationen nicht um Profitmaximierung gehen.

(Beifall bei der LINKEN)

Ich habe jetzt nicht die Zeit, auf zu erwartende Medikamentenengpässe einzugehen. Sie wissen, wir haben viele Medikamente bisher aus China und Indien bezogen; auch diese Abhängigkeiten muss man künftig hinterfragen.

(Beifall der Abgeordneten Kathrin Vogler [DIE LINKE])

Der Änderung des THW-Gesetzes werden wir zustimmen. Hier verweise ich auf die Rede, die ich bei der ersten Lesung gehalten habe, bei der ich auch den THW-Helfern ganz herzlich für ihre Arbeit gedankt habe. Es ist notwendig, dass die Forderung nach dem Verzicht auf eine Kostenerstattung, wenn Kommunen das THW anfordern, umgesetzt worden ist. Das wurde endlich berücksichtigt.

Letzter Satz: Die Grünen beantragen, das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe in eine Zentralstelle umzuwandeln, und wollen dazu das Grundgesetz ändern. Wir haben dazu diverse Fragen und auch Diskussionsbedarf. Darüber zu reden werden wir in den Ausschüssen Gelegenheit haben.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der LINKEN)