Ulbigs Rechtfertigung für Handydaten-Ausspähung widerspricht seiner Darstellung vor Landtagsinnenausschuss
Zur heutigen Pressekonferenz von Innenminister Ulbig und Justizminister Martens zum Bericht über die massenhafte Handydaten-Ausspähung im Zusammenhang mit den Demonstrationen vom 19. Februar in Dresden erklärt der Vorsitzende der Fraktion DIE LINKE im Sächsischen Landtag, Dr. André Hahn:
Eine Regierungserklärung zur rückhaltlosen Aufklärung der flächendeckenden Ausspähung von Telefonverbindungen im Zuge der Proteste gegen die Naziaufmärsche am 19. Februar 2011 in Dresden ist nach der heutigen Pressekonferenz dringender nötig denn je. Genau dies fordert unser Antrag, der am Montag auf der Tagesordnung der gemeinsamen Sondersitzung von Innen- und Rechtsausschuss steht. Denn insbesondere Innenminister Ulbig hat heute nur neue Ungereimtheiten verbreitet: So ist plötzlich von einem versuchten Totschlag an einem Polizeibeamten die Rede, nachdem er selbst auf der letzten Sitzung des Innenausschusses genau die Zahlen der Ermittlungsverfahren wegen Verstoß gegen das Versammlungsgesetz, Landfriedensbruch, Körperverletzung, Widerstand und Sachbeschädigung auflistete, aber mit keinem Wort von versuchtem Totschlag sprach.
Innen- und Justizminister widersprechen sich in der zentralen Frage der Verhältnismäßigkeit der Handydaten-Ausspähung: Während Ulbig davon ausgeht, dass die Erhebung von rund einer Million Datensätzen verhältnismäßig ist, weicht Justizminister Martens einer konkreten Antwort auf diese Frage aus und verweist auf den Abschluss etwaiger Gerichtsverfahren. Der Ministerpräsident wiederholt in seinem schriftlichen Statement nur bereits bekannte Fakten und bleibt klare Konsequenzen, die längst überfällig sind, schuldig. – Die Zahl von Funkzellenüberwachungen in ganz Deutschland hilft auch nicht weiter, weil es dabei im Regelfall nur um einzelne Personen geht.
Es ist zudem ganz schlechter politischer Stil, dass die Öffentlichkeitsarbeit der Staatsregierung beim Thema Handydaten-Ausspähung nicht vom Bemühen um objektive Aufklärung, sondern allein von taktischen Tricks zur Manipulation der öffentlichen Meinung gekennzeichnet ist: Statt die von uns geforderte unabhängige Untersuchungskommission ergebnisoffen einzusetzen, hat man sich selber vom eigenen Behördenapparat einen Persilschein ausstellen lassen. Dieser dubiose Bericht wiederum wird zunächst dem Parlament vorenthalten, damit die Staatsregierung ungestört ihre eigene Sicht der Öffentlichkeit übermitteln kann. So werden wir wohl auf die von der Fraktion DIE LINKE beantragte Aktuelle Debatte am Mittwoch „Bei Anruf Überwachung – die Verantwortung der Staatsregierung für das rechtswidrige Ausspähen von Handydaten am 19. Februar in Dresden“ warten müssen, in der die politisch Verantwortlichen gezwungen sein werden, dem Parlament öffentlich Rede und Antwort zu stehen.