Tillich hat nicht begriffen, dass er Regierungschef ist – mit Wegducken lässt sich Problem des Lehrermangels nicht lösen

Der Vorsitzende der Fraktion DIE LINKE, Dr. André Hahn, in der heutigen Aktuellen Debatte auf Antrag der GRÜNEN zum Thema „Neue Köpfe, neue Politik? Wo ist der Kurswechsel in der sächsischen Bildungspolitik?“:

Herr Präsident,
meine Damen und Herren,
sehr geehrte Frau Kurth, Sie haben als Kultusministerin ein schwieriges, vielleicht sogar das derzeit schwierigste Amt in der sächsischen Landesregierung übernommen, und im Interesse der Lehrerinnen und Lehrer, der Eltern, aber insbesondere der Schülerinnen und Schüler wünsche ich Ihnen für diese Aufgabe eine glückliche Hand und natürlich viel Erfolg.
Und vor allem, Frau Kurth, wünsche ich Ihnen einen Finanzminister und einen Ministerpräsidenten, die Sie deutlich mehr unterstützen, als das bei Ihrem Vorgänger der Fall war.

Herr Ministerpräsident,
Ihr heutiges SZ-Interview ist wirklich bemerkenswert. Zwei streitende Minister sollen sich irgendwie einigen. der MP guckt zu, lädt vielleicht mal zu einem Gespräch ein, und wenn der Streit dann trotzdem weitergeht, dann könne er halt auch nichts machen.
Mit Führung hat das nichts zu tun, Herr Tillich!
Sie haben offenbar bis heute nicht begriffen, dass Sie Chef dieser Regierung sind. Ihr ständiges Wegducken schadet unserem Land!

Herr Zastrow hat am Wochenende auf dem Parteitag der Liberalen erklärt, es sei gut, dass Roland Wöller als Kultusminister zurückgetreten ist. Ich zolle Herrn Wöller Respekt für seine Entscheidung. Jeder weiß, dass gerade meine Fraktion seine Amtsführung wiederholt kritisiert hat. Herr Wöller hat aber wenigstens am Ende seiner Amtszeit klare, eindeutige Worte gefunden und die Dinge beim Namen genannt.

Das Bildungspaket der Koalition ist das Papier nicht wert, auf dem es geschrieben steht, es war und es ist völlig unzureichend, um dem sich abzeichnenden dramatischen Lehrermangel auch nur halbwegs entgegenwirken zu können. Die Zahlen, die Herr Wöller in der CDU-Fraktion vorgelegt hat, sprechen eine deutliche Sprache. Wir haben ja gestern schon darüber debattiert. Die Koalition ist gegenwärtig dabei, sehenden Auges das sächsische Schulwesen zu ruinieren, und Sie können doch nicht ernsthaft glauben, dass die Opposition das widerstandslos hinnimmt!

Die neue Kultusministerin kommt vom Fach, denn sie war selbst als Pädagogin und Schulleiterin tätig. Das hat es in Sachsen seit fast 20 Jahren nicht mehr gegeben! Umso größer sind allerdings auch die Erwartungen, die an Sie gestellt werden, Frau Kurth, wie die ersten durchaus wohlwollenden Reaktionen der Lehrervertretungen und die jüngsten landesweiten Protestaktionen der sächsischen Schüler gezeigt haben.

Wir wissen genauso gut wie Sie, dass Sie nicht alle Hoffnungen werden erfüllen können. Aber wir erwarten schon, dass sie sich wirklich spürbar für die Schulen in Sachsen stark machen und sich nicht dem Spardiktat des Finanzministers unterordnen.

In den letzten Tagen ist wiederholt von der so genannten 100-Tage-Schonfrist die Rede gewesen, die man auch neuen Ministern einräumen sollte. Wir als LINKE haben dagegen grundsätzlich nichts einzuwenden. Die Probleme jedoch, die wir im Schulbereich haben, dulden keinen Aufschub, sondern müssen unverzüglich gelöst werden.

Deshalb wollen wir natürlich wissen, wie Ihre Lösungsansätze konkret aussehen, Frau Staatsministerin. Wir wollen von Ihnen wissen: Wie wollen Sie dem sich abzeichnenden dramatischen Lehrermangel wirkungsvoll begegnen?

Wir wollen wissen: Haben Sie vor Ihrer Bereitschaft zur Übernahme des Amtes dem Ministerpräsidenten eindeutige Zusagen für die dringend benötigten zusätzlichen Lehrerstellen und die dafür erforderlichen Finanzmittel abverlangt und eventuell auch bekommen – falls ja, in welcher Höhe und falls nein, warum haben Sie darauf verzichtet und sich damit von vornherein in eine Sackgasse begeben?

Und, Frau Ministerin Kurth, Ihre ersten öffentlichen Äußerungen zu ihren künftigen Aufgaben waren zum Teil missverständlich und auch unbefriedigend.
Der Anspruch, die Unterrichtsversorgung für das kommende Schuljahr sichern zu wollen, ist nicht mehr und nicht weniger als die blanke Pflicht einer Landesregierung. Ein Konzept für die Zukunft lässt sich daraus ganz gewiss nicht ableiten.

Und beim Lehrermangel handelt es sich eben genau nicht um temporäre Schwierigkeiten in einzelnen Schularten oder Fächerkombinationen – wie Sie, Frau Kurth auch in den letzten Tagen mehrfach erklärt haben –, sondern um ein strukturelles Problem, das strategisch und langfristig orientiert angegangen und gelöst werden muss. Hierzu warten wir noch immer auf klare Aussagen der neuen Kultusministerin.
Das Kultusministerium umfasst im Übrigen noch viele andere Themenfelder, von den Kindertagesstätten bis hin zur den Volkshochschulen. Auch dazu wird sich Frau Kurth über kurz oder lang positionieren müssen.

Der zweite Teil des Titels der von den Grünen beantragten Aktuellen Debatte lautet: „Wo ist der Kurswechsel in der sächsischen Bildungspolitik?“ Die Frage ist natürlich berechtigt, aber klar ist auch, dass deren Adressat nicht allein die neue Kultusministerin sein kann.

Für uns als LINKE steht fest: Ohne einen deutlichen Kurswechsel in der sächsischen Finanzpolitik sind die Probleme in unserem Bildungswesen nicht zu lösen. Hier muss der Hebel angesetzt werden und hier muss endlich auch der Ministerpräsident von seiner Richtlinienkompetenz Gebrauch machen.

Deshalb erwarten wir auch, dass er sich hier und heute in dieser Debatte dazu äußert. Die Menschen im Land und auch das Parlament haben einen Anspruch, dass endlich auch Herr Tillich zu dem brisanten Thema Stellung nimmt.

Feigheit vor dem Bürger, Herr Ministerpräsident, war immer schon ein schlechter Ratgeber!