Statement in der Bundespressekonferenz zur Vorstellung des „Leitbildes Ost 2020“ der Fraktionsvorsitzendenkonferenz der LINKEN

(Anrede)

 

Die Erfahrungen der PDS bzw. jetzt der LINKEN hinsichtlich der ostdeutschen Länder umfassen mittlerweile fast zwei Jahrzehnte in politischer Verantwortung.

Dabei ist neben einer verantwortungsvollen Oppositionsarbeit seit 1998 auch eine verantwortungsvolle Regierungspolitik getreten, zunächst in Mecklenburg-Vorpommern, ab 2001 dann auch in Berlin, und ich bin durchaus zuversichtlich, dass im Ergebnis der diesjährigen Landtagswahlen weitere Regierungsbeteiligungen möglich sind.

 

Durch die beiden unterschiedlichen Perspektiven von Opposition und Regierungsverantwortung, aber natürlich auch durch unsere Erfahrungen aus der DDR-Zeit haben wir als LINKE im Vergleich zu unseren politischen Konkurrenten eine ganz spezifische, weiter reichende Sicht auf die neuen Bundesländer.

 

Spiegel dieser spezifischen Sichtweise sind auch die verschiedenen Leitbilder, die in den vergangenen Jahren durch die LINKE in den Ost-Ländern erarbeitet wurden und die eine wichtige Grundlage für das nunmehr vorgelegte „Leitbild Ost“ bildeten.

Ich sitze ja heute hier nicht in erster Linie als Fraktionschef im Sächsischen Landtag, sondern als Vorsitzender der Konferenz der Fraktionsvorsitzenden der LINKEN auf Bundes- und Landesebene.

 

Dennoch bin ich natürlich stolz darauf, dass wir in Sachsen bezüglich der Leitbildentwicklung Vorreiter waren, denn wir haben bereits 2004 unser Alternatives Landesentwicklungskonzept für Sachsen vorgelegt. 2005 folgten die Kollegen aus Sachsen-Anhalt, 2006 stellten die Brandenburger ihren Entwurf öffentlich zur Diskussion. Im Jahr darauf legte dann auch die Fraktion in Thüringen die Ziele für die Entwicklung ihres Bundeslandes vor. Und in Mecklenburg-Vorpommern sowie in Berlin, wo wir mitregierten, mussten wir ja ohnehin ganz praktisch nachweisen, dass wir über konkrete und realisierbare Vorstellungen für die zukünftige Entwicklung in den Ländern verfügen.

 

Im Ergebnis der umfänglichen Vorarbeiten in den Landtagen hat die Fraktionsvorsitzendenkonferenz bereits Anfang 2008 beschlossen, ein „Leitbild Ost 2020“ zu erarbeiten, das Ihnen nunmehr vorliegt.

Ich betone das im Wesentlichen aus zwei Gründen: Zum Einen will ich klarstellen, dass es sich um ein langfristig vorbereitetes Papier handelt, und nicht um eine PR-Aktivität im Wahlkampf, wie man vielleicht annehmen könnte.

Zum Anderen will ich damit deutlich machen, dass wir weder Verbalradikalismus noch Fundamentalopposition betreiben, wie uns einige langjährige Mitstreiter vorwarfen, die dieser Tage DIE LINKE verlassen haben. Wir machen anders als behauptet keine Krawallpolitik, sondern unterbreiten ebenso realpolitische wie praktisch umsetzbare Angebote, die im Übrigen auch finanzierbar sind.

 

Wir haben in Sachsen im letzten Herbst zum fünften Mal aus der Opposition heraus einen alternativen Haushalt vorgelegt. Für jedes unserer politischen Vorhaben haben wir eine ganz konkrete Gegenfinanzierung vorgeschlagen, und zwar ohne Neuverschuldung. Da kann man ja dann in der Sache durchaus anderer Meinung sein, mit Populismus oder Fundamentalopposition hat aber das mit Sicherheit nichts zu tun. Wir machen eine absolut realistische Politik, und das ganz sicher nicht nur in den ostdeutschen Bundesländern.

 

Aber eines ist klar: Wir als LINKE wissen, wie der Osten wirklich tickt, was man von den meisten unserer politischen Mitbewerber nicht behaupten kann.

Man kann es drehen und wenden, wie man will: Der Osten ist nach wie vor ein abgehängter Teil der Bundesrepublik, wie fas alle gängigen Indikatoren belegen. 20 Jahre nach der Vereinigung sind wir von strukturstarken Regionen leider noch immer weit entfernt. Gleichwohl hat auch der Osten Stärken, an die wir für eine Zukunftsentwicklung anknüpfen können. Dazu gehören z. B. kreative Köpfe, eine starke naturwissenschaftliche Tradition, ein modernes Gleichstellungs- und Familienbild und ein im Vergleich zum Westen vorbildliches Netz an Kindertagesstätten.

 

Die CDU hat kein Konzept für den Osten, wir als LINKE haben ein solches Konzept. Auch die neue Partei DIE LINKE ist Sachwalterin ostdeutscher Interessen, die von der Bundesregierung und den anderen Parteien zum Teil sträflich vernachlässigt werden.

 

Sachsen ist ein Musterbeispiel für Aufschwung und Niedergang des neoliberalen Wirtschafts- und Gesellschaftsmodells: War der Freistaat in den neunziger Jahren durch seine hoch subventionierten, stark exportorientierten „Leuchttürme“ u. a. in den Bereichen Mikroelektronik und Automobilindustrie in ökonomischer Hinsicht an der Spitze im Osten, ist Sachsen 2008 in punkto Wirtschaftswachstum auf den letzten Platz der neuen Bundesländer und den vorletzten Platz deutschlandweit zurückgefallen.

An der Spitze steht Sachsen dagegen bei zwei anderen Zahlen: mit dem niedrigsten Tariflohn Deutschlands – das sind die sächsischen Friseure – und mit der regional größten Kinderarmut – so leben z. B. in Görlitz vierzig Prozent der Kinder in Hartz-IV-Haushalten.

 

Die Strategie der seit 1990 in Sachsen regierenden CDU, mit Niedriglöhnen Produktionsstandorte zu sichern und dadurch langfristig Wohlstand zu erzeugen, ist auf ganzer Linie gescheitert.

Es gibt im Osten Deutschland eine klare politische Alternative zwischen den beiden Volksparteien CDU und LINKE: Während die CDU auf Senkung von Sozialstandards gesetzt hat, wollen wir wirtschaftliche und soziale Innovation miteinander verbinden, weil das eine ohne das andere nicht zu haben ist.

 

Wenn derzeit vor allem junge, hoch qualifizierte Frauen den Osten verlassen, ist das auch ein Alarmzeichen dafür, dass ein maßgebliches positives Erbe der DDR – die Vereinbarkeit von Erwerbsarbeit und Familienleben – von der herrschenden Politik nicht offensiv genug gepflegt wurde.

Und wenn fast ein Viertel der sächsischen Jugendlichen keinen oder nur einen für den Arbeitsmarkt faktisch unbrauchbaren Schulabschluss erreichen, wirft das ein Schlaglicht auf die sozialen Verwüstungen, die das gegliederte Schulsystem anrichtet.

 

Von der CDU ist auf dem Feld der Nutzung spezifisch ostdeutscher Potenziale nichts zu erwarten, das hat auch etwas mit ihrem derzeitigen Führungspersonal im Osten zu tun: Den Importen aus der West-Politik und ihrer Ignoranz gegenüber positiven Erfahrungen aus DDR-Zeiten sind die „Blockflöten“ mit ihrer Angst gefolgt, auch nur irgendetwas zu tun, das ihre Herkunft verraten könnten. Leute wie Stanislaw Tillich sind eben weniger mit der Zukunft des Landes befasst als mit der Abwehr von Fragen zu ihrer Vergangenheit, wie wir ja erst heute wieder im „Spiegel“ nachlesen können.

 

Sie kennen die Diskussion um Qimonda, einen zentralen Stützpfeiler des europäisch bedeutsamen Mikroelektronik-Standortes in Dresden.

Fast ein halbes Jahr lang hat Ministerpräsident Tillich die von uns vorgeschlagene Minderheitsbeteiligung des Staates abgelehnt, die von allen potenziellen Investoren als Vertrauensbeweis gefordert wurde.

 

Just vor dem CDU-Landesparteitag redete Tillich – in Anlehnung an die Diskussion über die Zukunft von Opel – nun plötzlich von einer möglichen Treuhandlösung für Qimonda, obwohl ein solches Modell ohne Staatsbeteiligung definitiv nicht zu haben ist. Und genau dies lehnt die CDU nach wie vor vehement ab. Hier sollen offenbar die Wähler schlichtweg für dumm verkauft werden.

 

Die Bürgerinnen und Bürger im Osten haben die Nase voll von leeren Versprechungen seitens der herrschenden Politik. Sie wollen konkrete Tagen sehen. Und immer mehr Menschen begreifen: DIE LINKE ist der soziale Garant in der Krise. Und deshalb brauchen wir – nicht nur im Osten – neue linke Parlamentsmehrheiten, um sozialer und wirtschaftlicher Innovation endlich zum Durchbruch zu verhelfen.

 

 

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