Standort-Roulette statt Staatsmodernisierung – bürgerfern und konzeptionslos zementiert Schwarz-Gelb Struktur-Defizite
Zur heute auf der Kabinettspressekonferenz vorgestellten „Staatsmodernisierung“ erklärt der Vorsitzende der Fraktion DIE LINKE, Dr. André Hahn:
Die schwarz-gelbe Staatsregierung hat kein Konzept für einen modernen Staat – insbesondere die FDP, die über ihren Minister Martens federführend beim Thema Verwaltungsreform mitgemischt hat, musste heute einmal mehr eigene Versprechen einkassieren. Aus dem Übergang zur zweistufigen Verwaltung wird nichts, die Landesdirektionen bleiben, und das auch noch an allen bisherigen Standorten.
Stattdessen setzt das Kabinett auf blinden Aktionismus und spielt Standort-Roulette: Landesrechnungshof von Leipzig nach Döbeln, Sächsische Aufbaubank von Dresden nach Leipzig usw. Einzig garantierter Effekt: Dem Staat gehen durch die erhöhte Pendlerpauschale vieler Beschäftigter Steuereinnahmen verloren. Pate gestanden hat bei dieser „Staatsmodernisierung“ offenbar das Modell der Potjomkinschen Dörfer: Es sollen überall im Land ein paar hübsche Verwaltungsfassaden zu sehen sein, ohne dass sich dahinter ein sinnvolles Ganzes verbirgt.
Wer nämlich Finanzämter sowie Gerichte zusammenlegt und Polizeireviere dicht macht, also die Wege zwischen Bürgern und Behörden bzw. Polizisten und ihrem Einsatzort verlängert, vergrößert über äußere Entfernungen die innere Distanz der Bevölkerung in Sachsen zum Freistaat. Vor allem im Erzgebirge werden sich Erreichbarkeit und Bezahlbarkeit der Rechtsprechung für einkommensschwache Bürger durch Streichung des Amtsgerichts-Standorts Annaberg verschlechtern. Die Polizei verabschiedet sich de facto in Ost- und Nordsachsen aus dem ländlichen Raum. Schwarz-Gelb zementiert die Defizite – zuviel „Wasserkopf“, zuwenig Bürgernähe – und verpasst die Chance zu einem Aufbruch, der das „Kerngeschäft“ der öffentlichen Hand, Daseinsvorsorge für die Bevölkerung im Alltag, in den Mittelpunkt rückt.
Deshalb erwarten wir, dass das noch im letzten Jahr von Justizminister Martens ergangene Dialogangebot an die Opposition beim Thema Staatsmodernisierung ernst gemeint ist und die heute unterbreiteten Vorschläge nicht mehr als eine erste Diskussionsgrundlage sind. Die Vorlage einer Novelle des Landesjustizgesetzes steht noch aus, denn nur der Landtag kann über Gerichtsstandorte entscheiden. Im Interesse der Bürgerinnen und Bürger ist zu wünschen, dass das, was der Landtag am Ende zu Verwaltungsstrukturen beschließt, nicht mehr viel mit dem gemein hat, was heute vom Kabinett Tillich vorgestellt wurde. Das gilt auch für die Landesbediensteten: Tausende wurden durch die willkürliche Streichung des Weihnachtsgeldes demotiviert und werden nun zur Manövriermasse von selbstherrlich verfügten Behördenumzügen. Hier steht erst mal der Dialog mit Gewerkschaften und Personalräten auf der Tagesordnung.