Rede zur Politischen Aschermittwochs-Nachlese am 23.2.2013 in Freital

 

Im Landtag ist es relativ leicht, eine Rede zu beginnen. Dort sagt man einfach: „Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren.“ Da ich hier im Saal weder einen Parlaments- noch einen Karnevalspräsidenten entdecken konnte, böte sich angesichts der vielen Roten, die sich hier versammelt haben, auch die Anrede „Liebe Genossinnen und Genossen“ an. Dem Anlass entsprechend darf man aber wohl auch sagen „Liebe Närrinnen und Narren“, auch wenn der Aschermittwoch schon vorbei ist, denn womöglich ist ja der Unterschied zwischen Genossen und Narren bisweilen auch gar nicht so groß. 

 

Es ist inzwischen auch bei uns LINKEN eine gute Tradition geworden, dass wir uns am so genannten Politischen Aschermittwoch beteiligen, und ich habe als Parlamentarischer Geschäftsführer und Vorsitzender der Landtagsfraktion in den letzten Jahren zu diesem Anlass viele Reden halten dürfen. Heute nun also hier in Freital. Ich freue mich, dass ich bei Euch sein kann!

 

Und ich freue mich auch über die Ursache, dass die heutige Veranstaltung nachgeholt wird und eben nicht direkt am Aschermittwoch stattgefunden hat, denn der fiel in diesem Jahr auf den 13. Februar, jenem Tag also, an dem die Nazis seit langem versuchen, das Gedenken an die Opfer des Bombenangriffs von 1945 für ihre revanchistischen und geschichtsverfälschenden Zwecke zu missbrauchen.

Vor einigen Jahren kamen noch fast 7.000 Rechte nach Dresden und veranstalteten dort den europaweit größten Naziaufmarsch.

2010 gelang es erstmals, diesen Aufmarsch durch wirksame Blockaden zu verhindern, und die sächsische Landtagsfraktion der LINKEN stand dabei mit in der ersten Reihe.

Vor drei Jahren wurden die Grundlagen dafür geschaffen, dass sich immer mehr Menschen den Nazi engagiert entgegen stellten und daraufhin immer weniger Rechte in die sächsische Landeshauptstadt kamen. Diesmal waren es gerade noch 700, und sie konnten auch in diesem Jahr nicht marschieren. Unser Protest zeigt also deutliche Wirkung.

Auch ich war wieder auf der Seite der Gegendemonstranten, habe mich durch das Gerichtsverfahren gegen mich nicht einschüchtern lassen. Es war richtig, sich gegen die Kriminalisierung friedlicher Proteste zur Wehr zu setzen. Der Erfolg hat uns recht gegeben.

 

Katharina König ist heute hier bei uns und wird unter anderem über ihre Erfahrungen in NSU-Untersuchungsausschuss in Thüringen berichten. Ich denke, wir sollten diese Veranstaltung auch dazu nutzen, unsere Solidarität mit ihrem Vater, dem Jenaer Jugendpfarrer Lothar König zu bekunden, dem in wenigen Tagen in Dresden der Prozess gemacht werden soll. Eine wirklich abenteuerliche und absurde Anklage, wie ich finde, ebenso absurd wie die kürzlich ausgesprochene Freiheitsstrafe ohne Bewährung gegen einen linken Aktivisten, die wieder aufgehoben werden muss. Wir fordern hier von Freital aus die sofortige Einstellung des Verfahrens gegen Lothar König!

Wie üblich will ich hier keine Büttenrede halten, sondern ich werde mich grundsätzlich mit der Politik hier in Sachsen auseinandersetzen, wobei man auch dort manchmal nicht weiß, ob man eher lachen oder heulen soll, und natürlich werde ich auch zum politischen Phantom Stanislaw Tillich heute noch Einiges sagen.

Zunächst aber will ich mich kurz vorstellen. Mein Name ist André Hahn und nicht Peer Steinbrück. Ich kann Ihnen und Euch versichern, dass ich für meine heutige Rede kein Geld nehme und auch für mein Erscheinen keinen Cent bekommen habe. Ich habe in meinen fast zwei Jahrzehnten als Politiker noch nie ein Honorar genommen und werde das auch weiter so halten.

Und ich habe im Übrigen auch meine Doktorarbeit selbst geschrieben. Von daher kann ich ruhigen Gewissens für den nächsten Deutschen Bundestag kandidieren. Bei Herrn Steinbrück und Frau Schavan sieht das schon ein wenig anders aus…

 

Frau Schavan ist ja nun vor wenigen Tagen als Bildungs- und Wissenschaftsministerin zurückgetreten, nachdem die Universität Düsseldorf ihr den Doktortitel entzogen hatte, aber es gab ja bekanntlich in der letzten Woche auch noch einen viel spektakuläreren Rücktritt, nämlich den von Papst Benedikt XVI. Ja, es stimmt schon, normalerweise übt der vermeintliche Stellvertreter Gottes auf Erden sein Amt bis zum letzten Atemzug aus, ein Rücktritt zu Lebzeiten ist nicht vorgesehen und kam in den letzten Jahrhunderten auch nur ein einziges Mal vor. Dennoch habe ich persönlich relativ wenig Verständnis für die Euphorie vieler Medienberichte der letzten Tage.

 

Um es klar zu sagen: Ich verbinde mit dem scheidenden Papst aus Deutschland mehr negative als positive Erinnerungen. Ich denke dabei zum Beispiel an den Umgang mit der AIDS-Problematik in Afrika und der Ablehnung der Empfängnisverhütung durch den Vatikan. Ich denke an die unsäglichen Versuche der Rehabilitierung der Pius-Bruderschaft und insbesondere des Holocaust-Leugners Richardson, die der ehemalige und bald wieder Kardinal Ratzinger unternommen hat.

Und ich denke nicht zuletzt an sein monatelanges Schweigen zu den Missbrauchsfällen an Kindern und Jugendlichen in katholischen Einrichtungen, auch und gerade hier bei uns in Deutschland. Deshalb hält sich meine Trauer über seinen Rückzug in Grenzen.

Ich persönlich wünsche der Katholischen Kirche jetzt mal einen Papst aus Afrika. Vielleicht brechen dann doch mal einige der verkrusteten Strukturen auf. Aber ich soll ja nicht über die Zustände in Rom, sondern vor allem über die hier bei uns in Sachsen reden, und deshalb komme ich nun zu unserer wahrlich tollen Landespolitik.

Willy Brandt soll einmal gesagt haben: „Wer nur vier oder fünf Flaschen Wein im Keller hat, hat relativ wenig, wer aber vier oder fünf Flaschen im Kabinett hat, hat relativ viel.“ Willy Brandt muss die aktuellen Zustände in Sachsens Regierung vorausgesehen haben, wenngleich ich befürchte, dass die Zahl der Flaschen in der hiesigen Ministerriege in Wahrheit noch größer ist als vier oder fünf.

 

Aber der Fisch stinkt ja bekanntlich vom Kopfe her, und deshalb lasst mich mit Ministerpräsident Tillich beginnen.

Derzeit gibt es wieder einmal – der Wahlkampf wirft seine Schatten voraus – massive Angriffe und Stasi-Vorwürfe gegen Gregor Gysi. Ich bin überzeugt davon, dass uns dass nicht wirklich schaden wird, aber ich denke dennoch an das Wahljahr 2009 zurück, als sich Stanislaw Tillich wegen seiner DDR-Vergangenheit heftiger Kritik ausgesetzt sah.

Herr Tillich wurde nach entsprechender politischer Schulung in der Potsdamer Kaderschmiede der SED Stellvertreter des Vorsitzenden des Rates des Kreise Kamenz, also so etwas wie ein realsozialistischer Vize-Landrat, und er hat noch Ende der 80er Jahre höchstpersönlich an Enteignungen mitgewirkt, die heute als eklatant rechtswidrig eingestuft werden.

Ich wiederhole in diesem Zusammenhang das, was ich schon 2009 gesagt habe:

Es gibt ja eigentlich nur zwei Möglichkeiten: Entweder war die DDR durch und durch ein Unrechtsstaat, dann hätte Herr Tillich qua herausgehobenem Amt aktiv an diesem Unrecht mitgewirkt und müsste sich fragen lassen, wie er heute glaubwürdig den Freistaat Sachsen repräsentieren kann. Oder aber, es gab tatsächlich auch ein paar gute Gründe, sich in der DDR in politische und gesellschaftliche Verantwortung zu begeben – dann gilt das aber für alle und nicht nur für Mitglieder der CDU. Dann muss das heute auch für Gregor Gysi gelten und die unverschämten Angriffe gegen ihn müssen endlich aufhören!

 

Aber zurück zu Herrn Tillich und seiner heutigen Politik:

Der Ministerpräsident stellte sich nach der letzten Landtagswahl hin und rief ohne jede Bedarfsanalyse einfach mal so eine Schrumpfung des öffentlichen Dienstes in Sachsen auf 70.000 Stellen bis zum Ende dieses Jahrzehnts aus, was den Wegfall jeder fünften Personalstelle im Landesdienst bedeuten würde. Das war im Herbst 2009.

Nun sind wir im Februar 2013, und Herr Tillich weiß immer noch nicht, wie er seinen Personalabbau hinkriegt, ohne die Schulen oder die öffentliche Sicherheit zu ruinieren. Denn wer die Struktur des öffentlichen Dienstes des Freistaates Sachsen kennt – und solche Kenntnisse sollte man bei der Staatsregierung voraussetzen können –, weiß: Das Gros der Beschäftigten sind nun mal Lehrerinnen und Lehrer sowie Polizistinnen und Polizisten.

Aber Etikettenschwindel ist sowieso ein Markenzeichen der so genannten bürgerlichen Politik in Sachsen: Da wurden Regierungspräsidien in Landesdirektionen umgetauft, ohne dass sich an diesen Behörden zunächst irgendetwas geändert hätte.

Dann hieß es, man wolle diese Mittelbehörde zwischen kommunaler und Landesebene aus Effektivitätsgründen in Chemnitz konzentrieren – was durchaus eine vernünftige Standortentscheidung ist –, aber die Standorte in Dresden und Leipzig blieben weiter erhalten, nun umgetauft in „Außenstellen“.

 

Mit dieser Methode hat man Erfahrung, schließlich gibt’s auch die früheren Regionalschulämter noch, nur dass sie zu „Bildungsagenturen“ aufgehübscht worden sind. Und nun sollen ab September die Mittelschulen „Oberschulen“ heißen, ohne dass man sie – was das einzig Vernünftige wäre – mit den Gymnasien zu Gemeinschaftsschulen für alle Kinder verschmilzt.

Von Schwarz-Gelb sind eben nur „Reformen“ zu erwarten, die in Wahrheit keine sind. Da soll die Sächsische Aufbaubank, die vor allem mit den Ministerien in Dresden kooperieren muss, aus der Landeshauptstadt nach Leipzig umziehen, dafür soll im Gegenzug der Landesrechnungshof von Leipzig nach Döbeln verlegt werden. Begründung: Döbeln liege so schön zentral in der Mitte Sachsens. Da wundere ich mich und frage, wieso nicht gleich noch der ganze Landtag nach Döbeln umgesiedelt wird …

 

Der Herr Ministerpräsident macht immer wenn es ernst wird, das, was er am besten kann. Er taucht einfach ab und pflegt sein Image als Teflon-Tillich. An ihm perlt (fast) alles ab, und wer nichts tut, der macht auch keine Fehler. Er gibt seit seiner Wahl 2008 den smarten, stets lächelnden Stani und verweigert sich jedweder Sach- und Fachdiskussion im Parlament. In den dreieinhalb Jahren dieser Legislaturperiode hat der Ministerpräsident im Landtag vielleicht ein dutzend Mal substanziell etwas von sich gegeben.

Ach ja, und dann hat er noch seinen Amtseid geleistet. Aber das war’s dann wirklich.

Nichts zu den Lehrerstreiks, nichts zur Streichung der Sonderzahlungen im Öffentlichen Dienst, und nichts zu den drastischen Kürzungen im Sozial-, Jugend- und Kulturbereich sowie beim Öffentlichen Nahverkehr, im Übrigen auch nichts zum Thema „NSU“.

Und so wird er wohl dermaleinst als „Tillich, der Schweigsame“ in die sächsische Herrschergeschichte eingehen.

 

Aber das politische Sachsen hat noch mehr Skurriles zu bieten. Im Kabinett sitzt auch ein Hochstapler, der als Stellvertretender Ministerpräsident und Staatsminister für Wirtschaft und Arbeit firmiert.

Herr Morlok von der FDP ist in der Tat ein Totalausfall, wie inzwischen auch die Koalitionsfraktionen festgestellt haben. Aber bislang traut sich noch niemand, ihm das auch mal zu sagen, geschweige denn, dass man ihn auswechselt, was dringend Not täte. Ich hätte nie gedacht, dass ich mich noch mal nach Kajo Schommer zurücksehnen würde…

 

Sven Morlok ist ein Totalausfall, von dem nur zwei Dinge in der Landesgeschichte übrig bleiben werden: Die erfolglose Werbung um Rückkehrer an Autobahnraststätten mit Eierschecken und kostenlosem Klobesuch sowie eine maßlos überteuerte Schreibtischlampe, für die schlappe 5.000 Euro hingeblättert wurden.

Mehr ist dazu nicht zu sagen.

 

Nun lasst uns doch aber die „Gurkentruppe“, die Stanislaw Tillich in seiner Ministerriege versammelt hat, einfach mal der Reihe nach durchgehen. Beginnen wir mit Georg, dem Zweiten, dem zweiten Georg im Amt des Finanzministers. 

Die Arbeitsfehler Georg II. beginnen schon mit der bewussten Umdeutung der Kategorien Haushaltswahrheit und Haushaltsklarheit. Der von ihm zu vertretende Haushaltsentwurf für die Jahre 2011 und 2012 hatte wenig mit Haushaltswahrheit, aber viel mit vorgetäuschter Haushaltsarmut zu tun.

Auch der Begriff der Haushaltsklarheit hat unter Prof. Unland Schaden genommen. Dafür steht beispielhaft die milliardenschwere und weitgehend intransparente Rücklagenpolitik. Für soziale Belange aber hat er angeblich kein Geld und zugleich verzichtete er auf Regressklagen gegen die Verantwortlichen für das Landesbank-Desaster. Herr Unland gestaltet nicht, sondern spart das Land kaputt.

 

Von daher ist der im vergangenen Jahr verliehene Negativpreis „Die Eule“ des Sächsischen Beamtenbundes an den Finanzminister folgerichtig, insbesondere für seine Ignoranz gegenüber den Beschäftigen des Öffentlichen Dienstes bis hin zur aktuellen Ablehnung von Verhandlungen mit den Lehrergewerkschaften über das Thema „Altersteilzeit“.

Georg I. wurde nachgesagt, ein westfälischer Dickkopf zu sein. Gemessen am Starrsinn Georg II. war Georg Milbradt ein Gemütsmensch.

 

Eine weitere große Baustelle ist der Bildungsbereich. Dort hatten wir mit Roland Wöller einen Minister, der unter höchst eigentümlichen Umständen seinen Doktortitel erlangte – der Begriff „Scharlatan“ stammt ja bekanntlich nicht von der Opposition, sondern von seinem eigenen „Doktorvater“ – und der nachweisbar das Parlament belogen hat.

Weit schlimmer aber war seine fachliche Amtsführung.

Der Minister hat über Jahre hinweg den vorhandenen Unterrichtsausfall kaschiert und den drohenden Lehrermangel geleugnet, um dann klammheimlich und unter Verstoß gegen die geltende Haushaltsordnung 300 zusätzliche Pädagogen einzustellen.

 

Nach massivem öffentlichen Druck präsentierte die Landesregierung mit viel Brimborium plötzlich ein „Bildungspaket“, das selbst bei den CDU-Fachleuten nur Kopfschütteln auslöste.

Bis 2030 scheiden fast 22.000 Lehrkräfte aus dem Schuldienst aus, das sind 73 Prozent des gesamten Personalbestandes. Angesichts dessen reicht das Bildungspaket hinten und vorn nicht aus, weder in seiner ersten Fassung noch in der überarbeiteten Form im neuen Doppelhaushalt, denn die Aufstockung von Lehramtsstudienplätzen von 700 auf 2000 allein löst natürlich nicht die akuten Probleme.

 

Zum einen stehen diese neuen Pädagogen frühestens in sechs Jahren zur Verfügung, und zum anderen ist zu befürchten, dass viele Studienabsolventen in andere Bundesländer abwandern werden, denn Sachsen leistet sich nach wie vor die am schlechtesten bezahlten Lehrerinnen und Lehrer in Deutschland. 

 

Irgendwann merkte dann selbst Herr Wöller, dass es so nicht weitergehen kann, und forderte für den neuen Haushaltsplan deutliche Aufstockungen in seinem Ressort. Als ihm diese verweigert wurden, trat er frustriert von seinem Amt zurück. Wenig später folgte ihm mit Thomas Colditz dann auch noch der bildungspolitische Sprecher der CDU-Landtagsfraktion. Doch wirklich geändert hat sich seitdem herzlich wenig.

Jetzt haben wir mit Frau Kurth zwar eine neue Ministerin, die aber noch keinerlei eigene Akzente setzen konnte, weshalb ich gut darauf verzichten kann, zu ihr noch irgendetwas zu sagen.

 

Aber auch die Situation an den sächsischen Hochschulen spitzt sich immer mehr zu. Der zuständigen Ministerin lässt sich ehrliches Bemühen ja nicht absprechen, aber Frau Schorlemmer kann sich offenbar weder im Kabinett noch gegenüber dem Finanzminister durchsetzen.

Der Hochschulentwicklungsplan der Staatsregierung geht von einer viel zu geringen Zahl Studierender aus und gefährdet die Zukunft unserer Wissenschaftseinrichtungen. Die vorgesehenen Stellenstreichungen an den Hochschulen sind folglich absolut unvertretbar.

 

Wir haben mit Herrn Martens einen Justizminister, der in der Opposition den Nazis durchaus engagiert die Stirn geboten hat, aber heute schweigt, wenn Gegendemonstrationen verboten und friedliche Protestierer strafrechtlich verfolgt werden.

Rund um den 13. Februar in Dresden haben Regierung, Sicherheitsbehörden und Justiz die „sächsische Demokratie“ über Jahre hinweg zum Gespött in ganz Deutschland gemacht. Erst nach massivem überregionalen Druck behandelten sie Nazigegner halbwegs als Partner.

 

Eine vorm Verfassungsgericht gescheiterte bundesweit einmalige Versammlungsgesetz-Verschärfung, der für rechtswidrig erklärte Polizeieinsatz im Dresdner „Haus der Begegnung“ und die umstrittene Erfassung von mehr als einer Million Handydaten stehen für den Versuch massiven Grundrechtsabbaus unter Beteiligung eines FDP-Justizministers. Schon das ist beschämend.                                                 

Aber Herr Martens war auch federführend zuständig für das unverantwortliche Behördenroulette im so genannten Standortegesetz, von dem ich schon gesprochen habe.

 

Frau Clauß wiederum ist nach ihrer Stellenbeschreibung zuständig für die Sozialpolitik in diesem Land. Schlecht nur, dass sie selbst das bis heute nicht wirklich begriffen hat. 

Die massiven Kürzungen der Mittel im Sozialbereich, die erst jüngst von führenden Vertretern der christlichen Wohlfahrtsverbände scharf gerügt wurden, haben ihre Spuren hinterlassen. Zahlreiche Vereine, die viel für den sozialen Zusammenhalt unseres Gemeinwesens getan haben, mussten ihre Tätigkeit einstellen oder beträchtlich einschränken.

 

Die Sozialkürzungen treffen auch wieder die Kommunen. So reicht die Landespauschale für Kindertagesstätten schon lange nicht mehr aus, so dass es vielerorts zur Anhebung der Elternbeiträge kam und bewusst verhindert wurde, dass die längst überfällige Absenkung des Betreuungsschlüssels umgesetzt werden konnte.

Auch andere drängende Probleme sind nach wie vor ungelöst. Ich nenne nur die Stichworte Ärztemangel, drohender Pflegenotstand oder die nach wie vor ausstehende Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention.

Nein, Frau Ministerin Clauß – sozial sieht wirklich anders aus!

 

Eher unauffällig agiert Herr Kupfer als Minister für Umwelt- und Landwirtschaft. Sein Lieblingswort heißt Verwaltungsvereinfachung, auch im Umweltrecht. Nun können alle Bürger dieses Landes ganz vereinfacht ihre Bäume fällen, ganz vereinfacht verzichten wir auf Vorkaufsrechte in der Umweltgesetzgebung und ganz einfach auch auf Einnahmen von Braunkohlekonzernen, die unsere Gewässer benutzen.

Das mag ja aus Sicht des Ministers noch lustig sein, beim Thema Hochwasserschutz und Grundwasserwiederanstieg aber hört der Spaß auf! Hier hat Herr Kupfer seine Hausaufgaben nicht einmal ansatzweise erledigt. Das gilt auch für die Bereiche Abfall und Abwasser.

 

Nach wie vor fließen Millionen in unsinnige Projekte, nur um uneinsichtige Zweckverbände und einzelne Wahlkreis-Abgeordneten der CDU zufrieden zu stellen. Das werden die Investruinen von morgen sein.

 

Kommen wir nun zur Innenpolitik, und damit auch zu jenem Minister, der hier bei uns im Landkreis zu Hause ist.

Inzwischen wissen wir, was Minister Ulbig kann, und vor allem auch, was er nicht kann, und auch mit wem er nicht kann, z.B. mit seinem eigenen Landespolizeipräsidenten, den er im vergangenen Jahr auf wirklich rüde Art und Weise gefeuert hat. Und zur aktuellen Innenpolitik will ich dann doch ein paar Worte mehr sagen, weil ich ja derzeit auch der für diesen Bereich zuständige Fachsprecher der Landtagsfraktion bin.

 

Die so genannte Polizeireform „Sachsen.2020“ mit dem darin geplanten Personalabbau wird immer mehr zu einem Fiasko und gefährdet die öffentliche Ordnung und Sicherheit in der Fläche des Landes.

Auch der Abbau der polizeilichen Präventionsarbeit wird dramatische Folgen haben. Das alles ist Ausdruck des Wandels von einer Bürgerpolizei hin zu einer Interventionspolizei, mit allen negativen Konsequenzen. Die hemmungslose und undifferenzierte Nutzung von Handy-Datenabfragen durch die Polizei um den 19. Februar 2011 schließlich hat bundesweit für Negativschlagzeilen gesorgt. Und Herr Ulbig trägt auch die politische Verantwortung für die unsägliche Extremismusklausel für Vereine, die Fördermittel beim Land beantragen.

Das müsste nun eigentlich Herrn Tillich auf den Plan rufen. Aber wie immer: Schweigen. Und der MP hat auch viel zu lange geschwiegen, als die Mordserie rechter Terroristen ans Licht kam, und dann faselte er immer von einem „Thüringer Trio“. Fakt ist aber: Das Nazi-Netzwerk hat von Sachsen aus seine Taten geplant und begangen, und während Thüringen und der Bundestag die Aufklärung vorantreiben, blockierte Sachsens Koalition mehrere Monate die Einsetzung eines parlamentarischen Untersuchungsausschusses, der schließlich von der Opposition erzwungen werden musste.

 

Seit dem Auffliegen des so genannten „Nationalsozialistischen Untergrund“ im November 2011, befinden sich die Geheimdienste in der Bundesrepublik in einer tiefen Krise und sehen sich – wie ich finde zu Recht – existenziell gefährdet.

Bis auf ein paar Rücktritte von Verfassungsschutzchefs ist aber in den zurückliegenden 16 Monaten nicht viel geschehen. Durchgreifende  Reformen – Fehlanzeige. Rückhaltlose Aufklärung in den eingesetzten Untersuchungsausschüssen – Fehlanzeige. Übernahme politischer Verantwortung für die Pannen von Polizei und Geheimdiensten – Fehlanzeige. Abschaltung der V-Leute – Fehlanzeige. Stärkung der parlamentarischen Kontrolle – ebenfalls Fehlanzeige.

 

Das gilt in vollem Umfang auch für das sächsische Landesamt für Verfassungsschutz. Zwar hat Präsident Booß seinen Hut genommen und wurde innerhalb des Ministeriums umgesetzt, sein Vizepräsident, der viele Jahre für den Rechtsextremismusbereich zuständig war und auch im Untersuchungsausschuss eine denkbar unglückliche Figur abgegeben hat, ist dagegen nach wie vor im Amt; ein Unding, wie nicht nur wir finden.

Wir haben im Landtag einen durchaus kritischen Abschlussbericht der Parlamentarischen Kontrollkommission behandelt und zur Kenntnis genommen, der Innenminister hat jedoch bislang nicht einmal ansatzweise erkennen lassen, welche personellen, strukturellen und organisatorischen Konsequenzen er daraus zu ziehen gedenkt.

All das ist in höchstem Maße unbefriedigend und mir fehlt jegliches  Vertrauen in die Erneuerungsfähigkeit des Verfassungsschutzes.

 

Selbst Markus Ulbig hatte offenkundig nicht wirklich eine Idee, wie es bei den „Schlapphüten“ weitergehen sollte. Nach dem alten Motto „wenn ich nicht mehr weiter weiß, dann gründ’ ich einen Arbeitskreis“ präsentierte er der erstaunten Öffentlichkeit im Juli vergangenen Jahres eine so genannte „Expertenkommission zur Neuordnung des Landesamtes für Verfassungsschutz:“, die am Mittwoch dieser Woche ihren Bericht vorgelegt hat.

 

Der Bericht enthält neben bereits bekannten Kritikpunkten wenig Neues, vor allem aber fehlen durchgreifende Konsequenzen. 

Es gibt keine erkennbare Neuorganisation des Landesamtes für Verfassungsschutz und keine personellen Veränderungen infolge der Pannenserie der letzten Monate. Am höchst umstrittenen V-Leute-System soll weiter festgehalten werden, lediglich eine kontinuierliche „Quellenkritik“ hält man für geboten. Es gibt offenkundig keinerlei strukturelle Korrekturen, stattdessen spricht der Innenminister von einen „Philosophiewechsel“. „Modern und serviceorientiert“ solle der Verfassungsschutz werden, so Markus Ulbig. Das alles sind wohlfeile Schlagworte ohne jede Untersetzung. Der Innenminister agiert wie so oft mut- und kraftlos.

Ich will ganz klar sagen: Wir als LINKE glauben nicht mehr an die Reformierbarkeit des Verfassungsschutzes in der bisherigen Form und plädieren deshalb für seine geordnete Abwicklung!

 

(Anrede)

Der Dresdner Politikwissenschaftler Prof. Patzelt hat vor einiger Zeit mal festgestellt: Die beste Regierung ist die, von der die Bürgerinnen und Bürger nichts merken. Und mit Blick auf die Halbzeitbilanz des CDU/FDP-Kabinetts sagte Patzelt, vermutlich mit einem Augenzwinkern:

In diesem Sinne sei Schwarz-Gelb in Sachsen weit vorangekommen.

 

Ich finde: Patzelt hat durchaus Recht, mit beiden Sätzen. Ich füge, allerdings ohne Augenzwinkern, hinzu: Solange der Staat mit seiner Daseinsvorsorge für die Bürgerinnen und Bürger im Wesentlichen funktioniert und die Gesellschaft im Großen und Ganzen intakt ist, legen die Menschen keinen Wert darauf, von demonstrativem Regierungsgetue behelligt zu werden. Das Problem ist nur: Der Staat in Sachsen funktioniert schon lange nicht mehr, wie er soll.

 

Das einzige, was CDU und FDP in den letzten Jahren zuwege gebracht haben, war die Sonntagsöffnung für Autowaschanlagen und Videotheken sowie die Wiederzulassung alter KfZ-Kennzeichen – ich finde, das ist doch eine ziemlich armselige Bilanz!

 

Da fällt mir ein, bei der Aufzählung der Minister habe ich ja noch einen vergessen. Wir haben schließlich auch noch einen Staatskanzleichef, dessen Namen hier in Sachsen niemand kennt und dessen Kontakte in die arabische Welt weit intensiver sind als zu seinem Ministerkollegen und den Koalitionsfraktionen.

Herr Beermann darf aber immerhin einen 30-Millionen-Etat für eine Imagekampagne verwalten, mit der der Ruf Sachsen und seiner Regierung aufpoliert werden soll. Das allerdings wird nicht gelingen.

 

Abraham Lincoln wird der Satz zugeschrieben: „Man kann alle Leute eine Zeit lang an der Nase herumführen, und einige Leute die ganze Zeit, aber nicht alle Leute die ganze Zeit.“ Ich bin sehr sicher: Auch die sächsische CDU wird eher über kurz als lang von ihrem hohen Ross stürzen.

Und ein Landtag ohne FDP und vor allem auch ohne die Nazis, das sind doch wirklich schöne Aussichten – darauf sollten wir hinarbeiten!

Ja, was wir derzeit haben, ist schon ein regelrechtes Gruselkabinett! Selten wurde Sachsen so schlecht regiert wie heute. Wie gut, dass es da eine starke Opposition, wie gut dass es DIE LINKE gibt!

 

In Sachsen gibt es nach den letzten Landtagswahlen eine seit 1990 noch nie da gewesene verlässliche parlamentarische Zusammenarbeit zwischen LINKEN, SPD und GRÜNEN. Es vergeht kaum ein Monat ohne gemeinsame Gesetzentwürfe, Anträge oder andere abgestimmte Initiativen. Wir üben also schon mal für den politischen Wechsel im Jahr 2014 oder spätestens 2019, und gerade bei der Auseinandersetzung mit dem unsozialen schwarz-gelben Kürzungsetat und der Gegenüberstellung unserer sozialökologischen Alternativen waren die rot-rot-grünen Gemeinsamkeiten unübersehbar.   

Das ganze rot-rot-grüne Zukunftsprojekt in Sachsen hat jedoch mindestens eine Achillesferse, und die heißt Antje Hermenau. Es ist ja ein offenes Geheimnis, dass die Fraktionschefin der GRÜNEN – im Unterschied zur Mehrheit in ihrer Fraktion und Partei – mehr oder weniger offensichtlich die schwarz-grüne Option favorisiert.

Was sie an Tillich und Flath findet, ist mir bis heute völlig schleierhaft.

Programmatisch, das weiß auch die Realpolitikerin Hermenau, spricht nahezu nichts für ihr Lieblingsmodell, also muss die Standardausrede herhalten: Ich würde ja gern anders, aber mit den LINKEN geht es nicht.

 

Und im Übrigen stünde wohl auch SPD-Chef Martin Dulig für eine neue Koalition mit der CDU bereit, wenn es für andere Optionen rechnerisch nicht reicht.

Umso wichtiger ist, dass wir als LINKE unsere Politik nicht an möglichen Konstellationen oder Koalitionen ausrichten, sondern authentisch, eigenständig und erkennbar agieren. Das wollen unsere Wählerinnen und Wähler – eine zweite SPD braucht niemand, weder im Bund noch hier bei uns in Sachsen.

 

Sehr verehrte Anwesende, liebe Genossinnen und Genossen, werte Gäste!

 

Am Aschermittwoch soll ja bekanntlich alles vorbei sein. Ich kann Ihnen und Euch versichern: Mit der LINKEN ist es noch lange nicht vorbei, wir werden kommen, und zwar mächtig gewaltig. Wir werden am 22. September wieder mit einer starken Fraktion in den nächsten Deutschen Bundestag kommen, und ich möchte dann gern dabei sein!

 

Es wurde ja in den letzten Monaten immer wieder über Rot-Rot-Grün auch auf Bundesebene diskutiert. Ich war und bin da nach wie vor ziemlich skeptisch. Ich finde, das Motto muss lauten: Nicht nur mit Opposition drohen, sondern endlich wieder richtig Opposition machen! Das ist im Moment unsere vorrangige Aufgabe. Das erwarten die Wählerinnen und Wähler von uns.

Liebe Närrinnen und Narren,

ich komme jetzt zum Ende und will dabei ausnahmsweise doch noch einmal auf den Reim zurückgreifen.

 

Für Politik gilt, hört man lästern,

was schert mich mein Geschwätz von gestern.

Ich bin da anders, liebe Leut,

und drum schließ’ ich diese Rede heut

fast harrgenau wie vor zehn Jahr’.

Was damals galt, ist heut noch wahr.

 

Lasst uns um Wählerstimmen ringen

Und Politik zum Bürger bringen.

Und wenn Querelen weitergehn,

lasst uns nach andern Köpfen seh’n.

Und wer’s zu bunt treibt, warte, warte,

der sieht schon bald die Rote Karte.

 

Vielleicht gelingt uns dann der Coup:

Wir legen an Prozenten zu,

zieh’n sicher in den Bundestag ein.

Das müsste doch zu schaffen sein!

 

In diesem Sinne mach ich Schluss,

weil ich für andre weichen muss.

Ob mit, ob ohne Quotenfrau,

Euch allen ruf ich zu: Hellau!

 

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