Rede zur Nominierung als Spitzenkandidat der sächsischen LINKEN
2. Landesparteitag, Markneukirchen, 11. Oktober 2008
Es gilt das gesprochene Wort
Liebe Genossinnen und Genossen
Gut ein Jahr nach ihrer Gründung ist DIE LINKE in ganz Deutschland zu einer festen Größe geworden. Bundesweit liegen wir in Umfragen seit Monaten stabil zweistellig, im Osten sind wir inzwischen sogar die stärkste Partei. Wir haben eine starke Bundestagsfraktion und inzwischen Fraktionen in zehn Landesparlamenten. LINKS erzeugt zunehmend Wirkung, wir bestimmen in erheblichem Maße die Themen auf der politischen Agenda, und sogar in Bayern hat man erkannt, dass es sich lohnt, DIE LINKE zu wählen, selbst wenn es diesmal noch nicht ganz zum Einzug in den Landtag gereicht hat.
Ein Jahr vor den Wahlen entdecken CDU und SPD den Osten wieder. Drei Jahre lang waren der ostdeutschen Kanzlerin die Belange ihrer Landsleute piepegal. Die Anträge der Linken im Bundestag zur Beseitigung der Ungerechtigkeiten bei der Rentenüberleitung liegen seit fast einem Jahr im Kanzleramt. Das hat weder die Traute, sie abzulehnen, noch den Mut, sie anzunehmen, sondern nur Beratungsbedarf. Jetzt gehen die geschiedenen Frauen in Leipzig auf die Straße, um auf ihr Schicksal aufmerksam zu machen. Und nun, ein Jahr vor den Wahlen, rückt der Osten auch bei der Kanzlerin wieder ins Blickfeld. Denn nach dem CSU-Debakel wird hier über ihre Kanzlerschaft entschieden. Das ist armselig, das ist billig. Aber liebe Genossinnen und Genossen, und das sage ich auch deutlich in Richtung Berlin, die neue Linke darf den Osten nicht vernachlässigen. Es ist wichtig, dass wir in der Fraktionsvorsitzendenkonferenz auf Bundesebene endlich auch Genossinnen und Genossen aus dem Westen haben. Doch DIE LINKE wird nur stärker, wenn sie in West u n d Ost wächst. Gerade weil die politische Konkurrenz sich nun als ostdeutscher Interessenvertreter aufspielen will, dürfen wir uns auf unseren Lorbeeren nicht ausruhen, sondern müssen nachlegen. Die Landes- und Fraktionsvorsitzenden aus dem Osten haben dabei eine besondere Verantwortung – und die werden wir wahrnehmen.
Wir alle haben im kommenden Jahr gemeinsam zahlreiche Wahlen zu bestreiten. Wir wählen den Bundestag und das Europaparlament. Wir wählen die Stadt- und Gemeinderäte, und wir wählen nicht zuletzt auch den Sächsischen Landtag. Vor allem darauf will ich mich heute konzentrieren, auch wenn ich weiß, dass die Urnengänge natürlich miteinander zu tun haben und es diverse Wechselwirkungen geben wird. Und ich sage mit Blick auf Bayern: Auch die CSU glaubte einmal, die absolute Mehrheit auf Dauer gepachtet zu haben. Deshalb will ich auch heute wieder betonen: Es ist kein Naturgesetz, dass in Sachsen immer die CDU regieren muss! Lasst mich für die Landtagswahl folgende fünf Ziele formulieren: 1. Wir wollen unser gutes Ergebnis von 2004 erneut verbessern und damit die einzige Partei in Sachsen bleiben, die seit 1990 bei jeder Wahl zugelegt hat. 2. Wir wollen deutlich die zweitstärkste politische Kraft im Land bleiben und den Abstand zur CDU weiter verkürzen. 3. Wir wollen eine absolute Mehrheit der CDU unter allen Umständen verhindern und möglichst so stark werden, dass auch eine Koalition von Union und FDP keine Mehrheit hat. 4. Wir wollen mit der Wahl den Weg ebnen, dass in Sachsen eine Regierung ohne CDU möglich wird. 5. Wir wollen dazu beitragen, dass die Neonazis von der NPD 2009 wieder aus dem Landtag fliegen. Wie desolat der Zustand der amtierenden Koalition in Sachsen ist, zeigte nicht zuletzt der Umstand, dass CDU und SPD über Monate hinweg nicht einmal in der Lage waren, sich gemeinsam auf einen Termin für die Landtagswahlen im kommenden Jahr zu einigen. Wir als LINKE sind für jeden Wahltermin gewappnet, und wenn nun am 30. August 2009 gewählt werden soll, dann werden wir uns dieser Herausforderung stellen. Je früher die amtierende Regierung abgewählt werden kann, umso besser für die Bürgerinnen und Bürger in Sachsen! Wir sollten in den kommenden Monaten vor allem über unsere Inhalte sprechen und diese den Wählerinnen und Wähler nahe bringen, anstatt vordergründig über Konstellationen oder gar Koalitionen zu reden, auch wenn sich die Medien traditionell vor allem damit beschäftigen. Dennoch: Auch hier hat sich der Wind gedreht. Was vor einem Jahr noch undenkbar war, ist nun eine reale Option. Selbst Herr Dulig und Frau Hermenau können sich inzwischen eine gemeinsame Mehrheit mit der Linken vorstellen. Die CDU wiederum sieht in Rot-Rot-Grün zurecht eine Gefahr. Für Sachsen allerdings wäre es eine neue Chance. Kein Zweifel: Der Wahlkampf hat längst begonnen. Anders lassen sich beispielsweise die abenteuerlichen Thesen von CDU-Fraktionschef Flath zur Gleichsetzung und Gleichbehandlung von LINKEN und NPD nicht erklären. Dadurch werden die Nazis de facto zu einer normalen Partei erklärt. Ich halte das in höchstem Maße für unverantwortlich! Ich will heute gar nicht näher darauf eingehen, vor allem, weil viele CDU-Politiker, insbesondere in den Kommunen, die Vorgaben aus Dresden ohnehin mehr oder weniger offen ignorieren. Selbst Ministerpräsident Tillich musste inzwischen ja schon zurückrudern, als er erklärte, wenn es um die Einhaltung der Gemeindeordnung oder die Wahl von Verfassungsrichtern gehe, werde man wohl auch künftig mit der LINKEN kooperieren müssen, weil es aufgrund der Mehrheitsverhältnisse nicht anders gehe. Verfassungsrichter kann man also gemeinsam mit uns wählen, einem Sachantrag von uns, also zum Beispiel über die Trassenführung einer Ortsumgehung, dürfte die CDU aber unter keinen Umständen zustimmen. Abstruser geht es kaum noch.
Steffen Flath begründet seine Position unter anderem mit den Vorgängerparteien der LINKEN und der NPD. Hier halte ich es mit dem früheren Bundespräsidenten Richard von Weizsäcker: Eine Gleichsetzung von DDR und der NS-Zeit ist eine unerträgliche Verharmlosung der Nazi-Verbrechen. Ich war vor wenigen Tagen Gast der Eröffnungsveranstaltung des 47. Deutschen Historikertages und wurde dabei mehrfach auf das Flath-Papier angesprochen. Die häufigste Reaktion auf dessen Thesen war fassungsloses Kopfschütteln. Auch SPD, FDP und Grüne haben sich von Flaths Positionen distanziert. Der CDU-Fraktionschef hat sich ganz offenkundig verrannt. Wer sich in einer solchen Situation korrigiert, zeigt keine Schwäche, sondern eher Größe. Deshalb richte ich von hier aus im Interesse der politischen Kultur des Landes an Herrn Flath folgende Aufforderung: Ziehen Sie Ihr unsägliches Thesenpapier am besten noch heute zurück!
Liebe Genossinnen und Genossen, 2009 ist es 20 Jahre her, dass die Bürgerinnen und Bürger insbesondere hier bei uns in Sachsen auf die Straße gingen, um gegen eine Politik zu protestieren, die an ihnen vorbei gemacht wurde. Sie zerbrachen das politische System. Die gesellschaftliche Wende, die sie damit auslösten, veränderte nachhaltig die politischen und ökonomischen Grundlagen der Gesellschaft, weit über das Land hinaus. Zwei Jahrzehnte später leben wir in einer sehr anderen Welt. Durch andere Konflikte gekennzeichnet, als seinerzeit auch nur erahnt. In diesen fast 20 Jahren wurde in Sachsen Erstaunliches geleistet. Der ökonomische Niedergang in den ersten Jahren konnte gestoppt werden. Sachsen verfügt heute über ein beachtliches wirtschaftliches, wissenschaftliches und kulturelles Potenzial. Für viele – allerdings bei weitem nicht für alle Menschen – ist das Leben in dieser Zeit lebenswerter geworden. Und doch: Die Aufholjagd gegenüber dem Westen führte nicht zu dem gewünschten Ergebnis. Die Diskrepanz hingegen nahm in den letzten Jahren wieder zu. Die Geburtsschwächen der neuen Bundesländer wurden nicht behoben – die Leitbilder des Westens sind verbraucht. Und neue Vorstellungen sind seitens der Regierenden nicht in Sicht.
Zugleich steht das Land aber vor neuen Herausforderungen. Es ist deutlich sichtbar: Die Spaltung der Gesellschaft in Arm und Reich nimmt auch in Sachsen zu. Leben in Menschenwürde ist bei weitem nicht für jede und jeden eine Selbstverständlichkeit. Diese Spaltung hat viele Gesichter: das Auseinanderdriften von Stadt und Land, die Entleerung ganzer Landstriche, die Abwanderung eines Teils der Jugend aufgrund der unterschiedlichen Verteilung der Chancen, die Teilung des Schulwesens und Hartz IV. Die wirtschaftlichen Erfolge des Landes sind nicht zu leugnen, aber immer weniger Menschen haben persönlich etwas davon. Die Lebensverhältnisse im Land driften immer mehr auseinander. Manche Landschaft blüht, andere werden abgehängt. Neben den Leuchttürmen ist viel Schatten.
Die im Wesentlichen von der CDU bestimmte Politik läuft in ihrer Selbstbespiegelung zudem darauf hinaus, die tatsächlichen und vermeintlichen Erfolge aufzubauschen und die Probleme ganzer Regionen und Bevölkerungsteile zu negieren. Die eigenen Misserfolge und Skandale werden überspielt. Die Installierung eines neuen Ministerpräsidenten sächsischer Herkunft soll einen Stimmungswechsel herbeiführen, der auf das große Einverständnis mit den Dingen, wie sie nun einmal sind, hinaus läuft. Es könne ja noch schlechter kommen, hört man seitens der regierenden Partei, nämlich dann, wenn sie nicht mehr regieren würde. Und zugleich verspürt man bei vielen Bürgern ein lähmendes Unbehagen, dass diese CDU wirklich weiter regieren könnte. Dass sich nichts ändert, das alles immer so weiter geht. Das ist ein Gefühl, das uns bekannt vorkommt.
Das stammt noch aus den achtziger Jahren – jetzt nähern wir uns wieder jener Stimmung, die vermeint, es gäbe eben keine Alternativen. Die Gefahr, sich damit abzufinden, ist groß. Die jüngsten Kreistagswahlen in Sachsen zeigten: Selbst nach den diversen Katastrophen der Milbradt-Ära genügt nur eine Personenrochade – und die Pfründe scheinen zunächst gesichert. Dabei hat das Land allein durch das Landesbank-Desaster eine Hypothek auf die Zukunft von 2,75 Milliarden Euro am Hals. Der Gesamtschaden dürfte letztlich bei fast vier Milliarden liegen. Doch das scheint bisweilen wie vergessen. Aber das ist eben Realität, und liegt daran, dass die Bürger im Moment am eigenen Leib noch keine weiteren Einschnitte spüren, die sie mit falschen landespolitischen Entscheidungen in unmittelbare Verbindung bringen. Was die CDU in Sachsen anstrebt, ist im Grunde eine Ein-Parteien-Herrschaft. Mit anderen Mitteln freilich als zu Zeiten der führenden Rolle. Ihr Traum ist die Verstetigung ihrer Pfründe – und, das ist schlimmer, ihres Herrschaftswissens, vergleichbar mit Bayern. Es ist ein Klub von ein paar hundert Personen entstanden, die meinen, „es“ zu wissen, die alle wichtigen Informationen bekommen und die entscheiden: eine politische Klasse. Ein dichter Filz. Eine neue Staatspartei.
Die nunmehr wieder erfolgende Hinwendung zum Sächsischen soll dies mental fundieren. Mit Tillich wird eine Politik der Beruhigung praktiziert. Keine Innovationen, keine Experimente. Die Lage wird schöngeredet, und wenn es dennoch Fragen gibt, kann man immer darauf verweisen, dass es um Sachsen-Anhalt und Mecklenburg-Vorpommern noch schlechter steht. Als ob das ein Kunststück sei. Sachsen stand in der Geschichte immer besser da aufgrund seiner Potenziale. Das allein ist also noch keine Leistung der Regierenden.
DIE LINKE ist heute die einzige politische Kraft in Sachsen, die sich der CDU entschieden entgegenstellt. Wir wollen eine bessere Perspektive für die Menschen und für das Land. Wir bleiben dabei: Unsere Devise heißt: Jede und jeder soll in Würde leben können. Leben in Menschenwürde nannten wir, die PDS Sachsen damals, 1994 unser Parteiprogramm. Die Würde aber kommt nicht von allein. Sachsen zu einem guten Lebensort zu machen – darum bemühen wir uns mit allen Vorschlägen, die wir gemacht haben und weiter machen. Von ALEKSA bis zu unserem Projekt „Eine Schule für alle“. Von unseren alternativen Haushaltplänen bis zum Engagement für soziale Gerechtigkeit und gegen die weitere Beschneidung von Bürgerrechten.
Eines wird aber nun deutlicher sichtbar. In Ermanglung eigener Lösungsansätze übernehmen die Regierenden jetzt pö a pö einiges von uns. Natürlich ohne Angabe des Copyrights. Kurz gesagt: sie klauen unsere Ideen. Natürlich ohne über ihre ideologischen Schatten zu springen – aber immerhin. Das heißt: Die tatsächliche Lage kommt hin und wieder auch bei ihnen an. Und gleichzeitig verschärfen sie die Auseinandersetzung: nicht inhaltlich, sondern ideologisch. Der Feind steht links. So tönte der neue Ministerpräsident aller Sachsen unlängst. Zumindest hat er dies nicht dementiert.
Aber gut: Vielleicht ist das ja auch eine Art Anerkennung dafür, dass der CDU mit uns wirklich eine Alternative droht. Nun – vielleicht braucht er, der Ministerpräsident, braucht die CDU ein Feindbild. Vielleicht können sie nur noch so die eigenen Reihen schließen. Es muss uns jetzt nicht weiter bekümmern.
Wir wissen allerdings aus der eigenen Geschichte: Feindbilder zu schaffen ist immer dumm. Feindbilder verraten die eigene Unsicherheit. Politische Gegnerschaft heißt für uns eben nicht einfach Feindschaft. Feindbilder suggerieren, dass der andere vernichtet werden soll. In dieser Welt ist aber mit Vernichtung nichts mehr zu erreichen, und das ist auch gut so! Feindbilder brauchen eigentlich nur Extremisten. Für uns ist die CDU schlicht ein politischer Kontrahent, höchstens die Gegenpartei. Wir wollen einfach nicht, dass sie das Land noch weiter regiert. Zwei Jahrzehnte sind genug. Es braucht andere Ansätze und andere Lösungen, andere Gesichter und andere Leitbilder. Jegliches hat seine Zeit, steht in der Bibel. Die Worte des weisen Salomo. Und die Zeit der CDU an der Regierung, liebe Genossinnen und Genossen, diese Zeit ist bald abgelaufen!
Fast 20 Jahre nach der Wende steht auch Sachsen vor Herausforderungen, die nicht mehr zuerst oder gar allein durch die deutsche Einheit und die darauf folgenden Prozesse bestimmt werden. Die Globalisierung und die sie begleitende und meist neoliberale Politik haben die Bedingungen auf der Welt wesentlich geändert. Ich erinnere nur an die aktuellen Eruptionen auf den internationalen Finanzmärkten, deren Auswirkungen derzeit noch gar nicht absehbar sind. Die Linke, die dieser Entwicklung mehr als kritisch begegnet, nimmt nichtsdestoweniger die realen Fakten zur Kenntnis. Die Antwort darauf kann nicht darin liegen, dass diese Prozesse vor allem auf Kosten der bislang erkämpften sozialen Errungenschaften gehen. Das ist eine vorrangige Aufgabe der Linken, und diese besteht freilich nicht nur in einer Verteidigung dessen, was einmal schön und gut war. Es geht natürlich auch um neue Lösungen.
Mit der Vereinzelungsideologie des Neoliberalismus läuft die Gesellschaft als Ganzes Gefahr, gesprengt zu werden. Der alte Gedanke der Arbeiterbewegung, der Gedanke der Solidarität ist heute unerlässlich für jede Gesellschaft. Er ist einfach modern. Ihn zu stärken ist die erste Herausforderung. Global zu denken – und lokal zu handeln, das heißt zuerst einmal, zu denken und zu begreifen: Wir sind in einer Welt aufeinander angewiesen. Es ist nicht mehr möglich, die eigenen Probleme auf Kosten anderer zu lösen. Wer das auch immer versucht – alle Vorstellungen der NPD beispielsweise laufen darauf hinaus –, wird und muss scheitern. Sachsen ist heute weit entfernt davon, das Musterland zu sein, welches die CDU andauernd beschreibt. Es ist nicht die innovative Region in Europa. Es ist aber auch nicht das Armenhaus. Die Probleme, mit denen wir es zu tun haben, sind natürlich Resultat früherer Sünden. In allererster Linie aber haben die konservativen Politiker auch in Sachsen in den letzten zwei Jahrzehnten dem Kohlschen Irrtum nachgehangen, dass es nur eines anderen wirtschaftlichen und politischen Systems bedürfte – und umgehend würden die Landschaften erblühen. Die PDS, die mit Recht vor vielen Entscheidungen gewarnt hat, ihre Fehler herausstellte – beginnend mit dem Einigungsvertrag und der Devise: Rückgabe vor Entschädigung – wurde als Miesmacher abgetan. Aber diese Fehlentscheidungen haben Sachsen, ganz Ostdeutschland – und in der Konsequenz die ganze Republik schwer geschädigt. In der Folge ist Sachsen heute – wie die anderen neuen Länder auch – ein subventioniertes, alimentiertes Gebiet. Abhängig von den schrumpfenden Mitteln des Solidarpaktes. Politik muss freilich von dem ausgehen, was ist. Auch linke Politik braucht den Realismus neben dem Traum. Wenn wir die Politik der sächsischen CDU von Anfang an kritisierten, dann, weil auch sie glaubte, mit einigen geschickten Maßnahmen Sachsens einstige Größe wiedererlangen zu können. Die Tragödie besteht aber gerade darin, dass diese guten Absichten das Wünschenswerte mit dem Möglichen verwechseln.
Wenn es gelingen soll, negative Trends wenigstens mittelfristig zu stoppen, dann braucht Sachsen eine andere Politik. Was aber muss diese Politik leisten? Und was kann sie leisten? Die Linke wird ja oft alles Möglichen beschuldigt. Heute hören wir, dass wir die Demokratie abschaffen wollen – morgen hören wir, dass wir soviel versprechen, dass damit der Staat kaputt geht. Das sei gewissermaßen eine linke Taktik. Und natürlich gibt es auch Erwartungen von der Art, die Linke könne alles mit einem Zauberstab berühren und es würde gut. Ab und zu hört man auch, die Politik könne gar nichts mehr ausrichten, das Kapital hielte sich quasi die Politiker nur noch, damit seine Burgen gefälliger aussähen. So verschieden sind also die Erwartungen. Aber ich denke – und viele Briefe an mich bestärken dies: Wunder erwarten die meisten Menschen nicht, aber sie erwarten, dass sich die Politik kümmert. Dass sie ihre Arbeit ordentlich macht. Dass sie die wichtigsten Dinge in die Hand nimmt. Dass sie ein Konzept hat und sich nicht nur auf das Glück verlässt. Und dass sie für Gerechtigkeit im Land sorgt. Genau dafür steht die sächsische LINKE!
Die soziale Entwicklung ist also die hauptsächliche Herausforderung: Konkret gilt für Sachsen, und ich muss es wiederholen: Die Gesellschaft driftet immer weiter auseinander. Der soziale Zusammenhalt schwindet. Die Spaltung in der Gesellschaft und sinkendes politisches Engagement, zum Beispiel bei Wahlen, gehen Hand in Hand. Auch in Sachsen verstärkt sich die Kluft zwischen unten und oben, und das hat Folgen. Viele, zu viele Menschen kehrten und kehren Sachsen den Rücken. Dies ist nicht ein Anzeichen der gern gepriesenen Mobilität, sondern zeigt, dass Sachsen seinen Landeskindern zu wenig Perspektive gibt. Das verschärft das ohnehin große demografische Problem bei uns noch weiter. Im Grunde droht weiten Teilen des Landes das Szenarium eines weitgehend kinderlosen und jugendfreien Raumes. Regionen, in dem die Senioren beinahe unter sich wären. Zudem ist die Einwanderungsquote kaum nennenswert. Dem Land fehlen Zuzüge. All dies illustriert es nur: Hier steht eine soziale Herausforderung an, die man gern den demografischen Wandel nennt. Die vorhandenen Tendenzen sind nicht kurz- oder mittelfristig umkehrbar. Die Sachsen sind heute im Durchschnitt 45 Jahre alt. Sie werden in zwanzig Jahren um etliches älter sein, und wir werden wahrscheinlich keine 4 Millionen Einwohner mehr haben.
Was aber heißt das nun für unser Zusammenleben? Was bedeutet das für die Städte, die Dörfer? Was bedeutet das für die Menschen, was für ihre Kultur, ihre Horizonte? Was bedeutet das für das soziale Netz, das soziale System, für die soziale Infrastruktur? Und was bedeutet das für die Wertschöpfung, für die Arbeit?
Das Maß des Fortschritts ist für uns dabei die Forderung nach einem Leben in Menschenwürde. Und die konkreten Indikatoren dessen sind: Wie können die Menschen sich einbringen, beteiligen? Können sie sich selbst verwirklichen? Wie sind die Ressourcen verteilt? Welche Werte prägen die Gesellschaft? Sind wir solidarisch? Welche Rechte haben die Menschen? Und damit meinen wir natürlich immer alle Menschen, gleich welcher Nationalität, Staatsangehörigkeit, in welchem Landesteil sie auch wohnen. Gut zu leben, damit meinen wir nicht den bloßen Konsum. Sondern eine eigene Qualität. Das heißt, gerade unter den Bedingungen der demografischen Entwicklung, – also auch der Alterung der Gesellschaft – ist für die Linke der Erhalt einer sozialen, solidarischen Infrastruktur eine grundlegende Aufgabe. Das betrifft die gesundheitliche Versorgung ebenso wie Bildung, die Versorgung mit dem Grundbedarf, die notwendige Mobilität.
Selbstverständlich reden wir von einer finanzierbaren Solidarität. Natürlich wäre es falsch, wenn wir uns von heutigen Problemen auf Kosten kommender Generationen freikaufen wollten – nach dem Motto: nach uns die Sintflut. Eine solche Politik wirft man der Linken oft vor – derweil es genau die Politik der CDU war, die uns auch in Sachsen überdimensionierte Abwasseranlagen , Straßen ohne Benutzer und dadurch Millionen-Schulden für die Kommunen eingebracht hat. Wir müssen immer fragen: Was wollen, müssen und können wir uns leisten?
Generell aber halten wir als LINKE natürlich an der sozialen Verantwortung des Staates fest. Diese ist nicht zu privatisieren, weil genau das die Spaltung in der Gesellschaft noch weiter vertiefen würde. Im Grunde müssen wir intelligenter mit den vorhandenen Möglichkeiten und Mitteln umgehen.
Wenn heute ständig davon geredet wird, dass der Staat, vor allem die Wohlfahrt zu teuer sei, dann muss man konkret fragen: Was ist denn so teuer? Und da kommt man schnell darauf, dass das Teuerste oft das System selbst ist. Man denke nur an die Krankenversicherung. Lasst uns doch endlich mal an die geheiligten Kühe der Republik gehen – wenn reformiert werden muss. Niemand braucht 215 Krankenkassen. Wenn aus rechtlichen Gründen die sofortige Einführung einer Einheitskasse nicht möglich ist, dann soll es eben von mir aus eine gesetzliche, eine private und eine Betriebskrankenkasse geben. Hier liegt die Lösung und nicht bei immer höheren Beiträgen für Bürger und Wirtschaft.
Liebe Genossinnen und Genossen, Politik braucht Vorschläge. Wenn wir die großen Herausforderungen betrachten, dann könnte es manchmal so scheinen, als sei erst eine andere Welt nötig, bevor man Dinge ändern kann. Aber es ist genau umgekehrt. Jeder Schritt ist mehr als dutzende Programme wert, notierte schon Marx. Wir haben mit ALEKSA schon vor nunmehr fast sechs Jahren einen Wechsel der Strategie vorgeschlagen. Wir zielten auf ein Sachsen der Reform und Innovation, der Solidarität und sozialen Gerechtigkeit.
Manche fragen ja, ob das denn unsere Aufgabe in der Opposition sei. Man kann sicherlich Opposition unterschiedlich betreiben – und klar ist auch, dass man den Finger auf jede Wunde legen muss – auch wenn das manchmal den schönen Frieden oder Scheinfrieden stört. Natürlich müssen wir den Skandal erzählen, den die Regierung lieber unter der Decke gehalten hätte. Das ist unsere Kontrollpflicht. Aber dabei stehen zu bleiben wäre zu wenig.
Dass wir in der Opposition sind, schließt eben nicht aus, zugleich gestaltend zu wirken. Und das heißt: So zu arbeiten, dass wir der Verantwortung für das Land nachkommen. Um auch mit Fug und Recht sagen zu können, was wir anders machen werden, wenn wir die Entscheidungen zu treffen hätten. Dazu gehören nach unserer Auffassung Maßnahmen, die wir schon längere Zeit fordern, wie z.B. das kostenlose Mittagessen für Schulkinder. Oder dass wir dafür sorgen, dass die sächsische Polizei nicht weiter so ausgedünnt wird, dass tatsächlich ein Problem für die innere Sicherheit daraus erwächst.
Ein modernes und auch attraktives Sachsen gibt es nur tolerant und weltoffen. Es gibt es nicht ohne Menschen anderer Nationalitäten, mit anderen Hautfarben, anderen Sprachen. Es gibt es nicht ohne die Gleichstellung der Geschlechter. Es gibt es nicht ohne einen anderen Umgang mit den natürlichen Ressourcen. Und es gibt auch kein modernes Sachsen ohne ein besseres Verhältnis zu Kindern und denen, die sie erziehen. Ich spitze zu: Die Zukunft beginnt mit einer anderen Kultur. Ja, sie ist eine Kulturfrage. Und deshalb ist auch die Bildung der erste Punkt von sechs grundsätzlichen politischen Anforderungen für ein modernes Sachsen, die ich heute hier formulieren möchte. Bildung ist die zentrale Grundlage für die spätere Lebensbewältigung, für eine nicht zuletzt auch berufliche Perspektive. Bildung entscheidet ganz wesentlich über sozialen Auf- oder Abstieg und über die tatsächlichen Möglichkeiten der Teilhabe an demokratischen Entscheidungsprozessen. Bildung ermöglicht den Zugang zu Kultur und schafft die Voraussetzungen, die ein eigenständiges lebenslanges Lernen erst möglich machen. Bildung entscheidet letztlich auch über Erfolg oder Misserfolg von Integrationsmaßnahmen für Zuwanderer. Ja, man kann sogar sagen: „Bildung ist der Schlüssel zu allem!“ Lasst mich daher zum Thema Bildung und zum sächsischen Schulwesen etwas mehr sagen, denn hier haben wir in der Tat enorme landespolitische Spielräume, und daher wird der Bildungsbereich im kommenden Jahr nach Lage der Dinge auch das zentrale Feld der politischen Auseinandersetzung im Wahlkampf werden. Ich sprach schon von der Eröffnung des 47. Deutschen Historikertages in Dresden. Hauptredner der Veranstaltung war Bundespräsident Horst Köhler, und er hat in seinem Beitrag die ungleichen Zugangschancen zu guter Bildung in Deutschland als „beschämend“ kritisiert. Wörtlich sagte er: „Wir dürfen uns nicht damit abfinden, dass die schulische Entwicklung eines Kindes immer noch maßgeblich von seiner Herkunft und dem Geldbeutel der Eltern bestimmt wird.“ Ohne Zweifel: Hier hat Horst Köhler recht. Was er vergessen hat zu sagen ist, dass die Ungleichheit ein ganz wesentlicher Bestandteil des derzeitigen Gesellschaftssystems ist. Auch deshalb darf der gegenwärtige hemmungslose Kapitalismus nicht das letzte Wort der Geschichte sein! Der Westen hat über 50 Jahre Zeit gehabt, die vom Bundespräsidenten kritisierten Ungleichheiten abzubauen oder wenigstens spürbar zu verringern. Der Erfolg ist alles in allem mäßig. Wir haben in Deutschland noch immer 16 verschiedene Schulgesetze mit 16 unterschiedlichen Bildungssystemen und 16 eigenständigen Lehrplänen. Diese Zersplitterung im Bildungswesen ist nicht mehr zeitgemäß und muss aus meiner Sicht endlich überwunden werden! Denn die Folgen für die betroffenen Schülerinnen und Schüler, aber letztlich auch für die Gesellschaft sind verheerend, wie auch jüngst dem Bildungsbericht 2008 für Sachsen zu entnehmen war, dem ersten übrigens seit 1990. Seitdem wurden in Sachsen im Übrigen mehr als 1.000 Schulstandorte geschlossen, eine ebenso unglaubliche wie bedrückende Zahl. CDU und Staatsregierung reden in Sonntagsreden immer wieder von der Wissensgesellschaft oder der Informationsgesellschaft. Doch es reicht nicht, Wissensgesellschaft nur zu postulieren. Dafür müssen dann auch die notwendigen Grundlagen gelegt werden. Es stimmt: Jährlich setzt der Freistaat viel Geld im Bildungsbereich ein: für Kitas, Schulen, Berufsausbildung und Hochschulen zusammen eine Summe von über drei Milliarden Euro. Das sind mehr als 20 Prozent des Landeshaushaltes. Doch die Ergebnisse dieses Mitteleinsatzes halten einer kritischen Prüfung nicht einmal ansatzweise stand. Nach wie vor erlangen ca. neun Prozent eines Jahrgangs – das sind mehr als 4.000 Jugendliche jährlich – nicht mal einen Hauptschulabschluss. Früher lag die Quote sogar deutlich über zehn Prozent. Das bedeutet – und das muss man sich mal vor Augen halten: In 17 Jahren CDU-geführter Regierung haben fast 90.000 Schülerinnen und Schüler in Sachsen die Schule ohne jeden Abschluss verlassen. Allein dafür gehört die CDU abgewählt! Hinzu kommen noch einmal zehn Prozent der Schüler, die einen so schlechten Haupt- und Realschulabschluss haben, dass ihnen kaum eine berufliche Perspektive bleibt. Jeder fünfte Schulabgänger ist also bereits abgehängt, bevor sein eigenständiges Leben so richtig begonnen. Das darf so nicht bleiben, und wir werden das ändern! Das aus unserer Sicht notwendige lebenslange Lernen bedarf, um erfolgreich zu sein, einer Gesamtstrategie, und das heißt aus unserer Sicht einer Vernetzung von Reformen im Vorschul- und Schulbereich mit der Hochschulentwicklung. Der Ministerpräsident hat kürzlich eine neue Devise herausgegeben, die da lautet: „Aufstieg durch Bildung“ Er tut damit so, als ob es lediglich von jedem einzelnen abhänge, ob er zu den Aufsteigern gehört oder eben nicht. Wer sich nur richtig anstrenge, der schaffe es schon, in dieser Gesellschaft irgendwie nach oben zu kommen. Da ist der Bundespräsident dann doch schon ein ganzes Stück weiter, denn er hat zumindest das Problem der sozialen Selektion erkannt. Was die Rede vom „Aufstieg durch Bildung“ so problematisch macht, ist die Ignoranz des Ministerpräsidenten gegenüber gesellschaftlichen Zusammenhängen und Strukturen, die das Gegenteil von dem bewirken, was vollmundig verkündet wird. Denn sie behindern den Aufstieg durch Bildung oder verhindern ihn gar. Das gegliederte Schulwesen gehört dazu. Die Aufteilung der Schülerinnen und Schüler nach der 4. Klasse erfolgt eindeutig zu früh. Sie legt die Heranwachsenden schon in jungen Jahren auf einen bestimmten Bildungsweg fest, der ebenso maßgeblich das weitere Leben prägt. Ein Ausbrechen aus diesem Weg ist dabei kaum möglich. Das belegt nicht zuletzt die mangelnde Durchlässigkeit des sächsischen Schulwesens, die auch nach der Absenkung der Zugangskriterien zum Gymnasium eher eine nach unten als nach oben ist. Statt hier weiter herumzuexperimentieren, wie es offenbar die CDU vorhat, wäre es meiner Meinung nach nur konsequent, das längere gemeinsame Lernen endlich auch hierzulande einzuführen. Wir brauchen aber nicht nur eine Debatte über Schulstrukturen, wir brauchen vor allem auch eine neue Form der Kultur an unseren Schulen. Für Sachsen gelten im Kern folgende bildungspolitische Ziele der LINKEN: 1. Wir wollen einen umfassenden Ausbau des Betreuungssystems vor der Schule, denn hier werden wichtige Grundlagen für die spätere Entwicklung gelegt. Wir wollen, dass alle Kinder frühzeitig gemeinsam mit anderen Kindern aufwachsen und sich spielerisch in Gemeinschaft entwickeln können. 2. Eine Schule für alle ist das Gebot der Zeit. Wir wollen, dass in der Gemeinschaftsschule eine anspruchsvolle und moderne Allgemeinbildung vermittelt wird. Wir wollen Schulen, die keine Lernfabriken sind, sondern als Entwicklungsräume die Förderung und Entwicklung jedes Einzelnen in den Mittelpunkt stellen. 3. Jeder und jede soll gefördert, Teilhabe ermöglicht und Benachteiligungen, die den Zugang zu besserer Bildung behindern, sollen ausgeglichen werden. Wir wollen perspektivisch erreichen, dass alle Heranwachsenden wenigstens den erfolgreichen Abschluss der 10. Klasse erreichen können. 4. Wir wollen, dass mehr junge Leute das Abitur erwerben oder über andere Wege eine Hochschulzugangsberechtigung erlangen. 5. Wir wollen, dass mehr junge Menschen als bisher ein Hochschulstudium beginnen und erfolgreich abschließen können. Und das natürlich ohne Studiengebühren, die Sachsen drohen, sollte Schwarz-Gelb im nächsten Jahr an die Macht kommen. Hochschulen müssen demokratisch sein und die Zugänge möglichst offen gestaltet werden. 6. Wir wollen eine starke öffentliche Bildung – den zunehmenden Privatisierungsbestrebungen in diesem Bereich erteilen wir eine klare Absage! 7. Die personellen und sächlichen Bedingungen für bessere Bildung müssen gesichert werden. Notwendig ist dabei auch eine umfassende Reform der Ausbildung von Lehrerinnen und Lehrern sowie anderer pädagogischer Fachkräfte. Studium und praktische Ausbildung der Pädagogen müssen wieder enger miteinander verzahnt werden. Und schließlich: 8. Das Recht auf Weiterbildung muss in unserer schnelllebigen Gesellschaft dauerhaft gesichert werden. Dazu bedarf es auch einer Stärkung der sächsischen Volkshochschulen. Es liegt viel Arbeit vor uns, aber es lohnt sich, hier um Veränderungen zu kämpfen. Aus alledem ergibt sich für mich: Die ersten zehn Jahre nach der Wende waren für Sachsen Jahre des Um- und Aufbruchs sowie der demokratischen Neugestaltung. Die zweiten zehn Jahre im Freistaat waren geprägt von Konsolidierung und zunehmender Stagnation. Das dritte Jahrzehnt in Sachsen nach 1989 muss das Jahrzehnt der Bildungsoffensive werden. Und zwar einer Bildungsoffensive, die ganz maßgeblich von der LINKEN geprägt wird. Zweiter Kernpunkt: Sachsen muss zu einem Forschungs- und Technologieland mit internationalem Spitzenniveau entwickelt werden. Sachsen verfügt, wie kein anderes Land im Osten Deutschlands, über eine große Zahl von leistungsfähigen Forschungs- sowie Entwicklungseinrichtungen. Diese universitären oder außeruniversitären Forschungs- und Entwicklungspotenziale sind vielfach überregional sowie auf die in Sachsen angesiedelten größeren Unternehmen ausgerichtet. Im Vergleich dazu ist der Know-how-Transfer in Richtung des sächsischen Mittelstandes und der zahlreichen Klein- und Kleinstunternehmen Sachsens noch deutlich ausbaufähig. Zugleich soll der Hochschulstandort so entwickelt werden, dass Menschen aus anderen Bundesländern angezogen werden. Wichtig ist auch der Ausbau der Schlüsseltechnologien im Umwelt-, Informations- und Biobereich. Wir sind für eine Technologiestiftung, die vor allem die Förderung von Kommunikation und Vernetzung im Technologiebereich betreiben soll. Wir stehen zudem für eine Energiewende in Sachsen. Dies ist zugleich der wichtigste Beitrag zum Klimaschutz. Konkret heißt das: Die Entwicklung der regenerativen Energien muss mittelfristig Vorrang haben gegenüber der Braunkohleverstromung. Die Nutzung der Braunkohle für andere Technologien ist neu zu bedenken. Drittens: Regionalentwicklung und Wirtschaftspolitik sind permanent zu verknüpfen. Künftig sollen die zur Verfügung stehenden Mittel der Wirtschaftsförderung auf Bereiche konzentriert werden, die die stärksten Wachstums-, Beschäftigungs- und Regionalimpulse erwarten lassen. Dazu gehören erstens zukunftsträchtige Branchen der Exportwirtschaft, insbesondere der sächsischen Industrie. Dazu zählen zweitens wachstumsträchtige Dienstleistungsbereiche wie der Tourismus und die Gesundheitswirtschaft, die durch eine bessere Vernetzung und durch ganzheitliche Angebote auch Nachfrage außerhalb Sachsens generieren können. Schließlich werden drittens lokale und regionale Stoff- sowie Wirtschaftskreisläufe unterstützt, um gezielt die endogenen Potenziale in den bislang strukturschwachen Regionen Sachsens zu erschließen. Dazu gehört die Förderung der Schaffung und Entwicklung von genossenschaftlichem Eigentum. Neu nachzudenken wäre auch über öffentlich geförderte Beschäftigung, und zwar zuerst dort, wo es aufgrund von strukturellen Arbeitsplatzdefiziten erforderlich ist. Viertens: Der Entwicklung der europäischen Region hat höchste Priorität. Die Kontakte von Wirtschaft, Verwaltung und Politik in die Metropolen Wroclaw und Prag müssen intensiviert werden, damit sächsische Unternehmen an der dortigen Wachstumsdynamik partizipieren können. Dazu sollen auch die Verkehrsinfrastrukturen zwischen Sachsen und diesen Städten im Rahmen grenzüberschreitender Aktivitäten verbessert werden. Darüber hinaus soll der wechselseitige Know-how-Transfer organisiert und unterstützt werden, um die Vorzüge der jeweiligen Standorte besser als bislang nutzen zu können. Fünftens: Das Ziel der Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse zu verfolgen, bedeutet vor allem eine entsprechende soziale Infrastruktur zu schaffen. Zurzeit wird in Politik und Gesellschaft darüber diskutiert, welche Basisleistungen der Daseinsvorsorge eine flächendeckende Grundversorgung genau umfasst und welche Qualitätsstandards dabei anzusetzen seien. Die Bereitstellung öffentlicher Infrastrukturangebote für alle Bevölkerungsgruppen ist eine der wichtigsten Aufgaben der Landesentwicklung und Raumordnung. Dabei geht es um die medizinische Versorgung ebenso wie um einen funktionierenden ÖPNV, und die Förderung personennaher Dienstleistungen und niederschwelliger Betreuungsangebote. Diejenigen Sozialräume, die heute durch erhebliche soziale Missstände, wie Armut, Arbeitslosigkeit, Wohndefizite, gesundheitliche Beeinträchtigungen und Bildungsdefizite, gekennzeichnet sind, müssen hier besonders bedacht werden. Die sechste und letzte Forderung, den ich nennen will, ist die nach Demokratisierung. Wie bereits gesagt: Wir müssen die Verantwortung von unten stärken – und das heißt so viele Kompetenzen wie möglich auf die Regionen und Kommunen übertragen. Aber dies kann nicht auf eine Stärkung der Bürokratie hinauslaufen. Und genau deshalb müssen wir zugleich die Einflussnahme der Bürgerinnen und Bürger stärken. Im Grunde liegt auch hier der Kern unserer Kritik an der derzeitigen Verwaltungsreform. Sie stärkt eben in den neuen Kreisen vor allem die Bürokratie und nicht die ehrenamtlich Tätigen. Liebe Genossinnen und Genossen, kein Zweifel, Sachsen ist nach 1990 in einigen Bereichen auch gut vorangekommen. Kurt Biedenkopf hatte dem Land neues Selbstbewusstsein gegeben und das Wort des Freistaates hatte über seinen Ministerpräsidenten auch in Bonn und später in Berlin Gewicht. Unter Biedenkopfs Nachfolger Georg Milbradt ging all das zunehmend verloren, das Land wurde mehr schlecht als recht verwaltet, neue Ideen – Fehlanzeige. Zusammenbruch der Landesbank und Verfassungsschutzskandal waren nur der äußere Ausdruck einer tiefen inneren Krise, in die die herrschende CDU und damit immer mehr auch das Land in den letzten Jahren geraten waren. Einer, der mehr als neun Jahre dem Kabinett angehört hat und daher mitverantwortlich ist für den eingetretenen Niedergang, amtiert nunmehr seit gut vier Monaten als Ministerpräsident des Freistaates Sachsen. Gemeint ist Stanislaw Tillich. Ich hatte am Tag seiner Wahl die Befürchtung geäußert, dass er künftig die gleiche verfehlte CDU-Politik Milbradts fortsetzen werde, nur mit freundlichem Lächeln, und ich habe leider Recht behalten. Mit dem Amtsantritt des neuen Regierungschefs hatten viele Menschen in Sachsen Hoffnungen verbunden, die bislang nicht ansatzweise erfüllt wurden. Es ist wahr, Herr Tillich hat bislang noch keine größeren Fehler gemacht; aber Fehler unterlaufen bekanntlich auch nur jemandem, der überhaupt etwas macht. Und wenn man die Leute im Lande befragen würde, was denn der neue Regierungschef bislang praktisch zuwege gebracht hat, dann würde den allermeisten kaum etwas einfallen. Herr Tillich ist bislang ein Ministerpräsident der Ankündigungen, nicht aber der konkreten Taten. Doch genau daran werden ihn die Wählerinnen und Wähler im kommenden Jahr messen. Aus all dem bisher Gesagten ergibt sich für mich mit Blick auf das kommende Jahr: 19 Jahre CDU an der Regierung sind wahrlich genug. Der Freistaat Sachsen und seine Menschen haben eine andere Regierung und sie haben vor allem eine bessere Politik verdient. Und ich füge hinzu: Wir als LINKE sind bereit, künftig noch stärkere Verantwortung für unser Land zu übernehmen. Um es auch hier noch einmal ganz klar zu sagen: Es geht mir nicht in erster Linie um den Eintritt in eine Regierung, und schon gar nicht um jeden Preis. Wir haben bewiesen, dass wir eine starke, wirkungsvolle Opposition sein können und in dieser Rolle eine ganze Menge erreicht. Wenn wir es aber ernst meinen mit unserer Ankündigung, die CDU nach fast 20 Jahren ablösen zu wollen, dann müssen wir über das Thema Regierungsbeteiligung offen reden, unsere Grundsätze und Bedingungen formulieren und am Ende auch über mögliche Partner sprechen, denn dass wir die absolute Mehrheit erreichen werden, ist ja relativ unwahrscheinlich. Wenn wir uns die Parteienlandschaft in Sachsen betrachten, dass muss eines klar sein: Unser politischer Hauptgegner bei den demokratischen Parteien ist die CDU und nicht die SPD. Es gibt viele gute Gründe für Kritik an den Sozialdemokraten, im Zweifel, und dies gilt gerade bei landespolitischen Fragen wie der Bildungs-, der Wissenschafts- und der Innenpolitik, sind sie für uns aber auch ein potenzieller Partner. Und ein weiterer Punkt ist mir sehr wichtig: Wir müssen den Menschen in Sachsen auch im Wahlkampf reinen Wein einschenken, was auf Landesebene geht und was eben leider nicht geht. Wir können Hartz IV im Landtag nicht abschaffen, sondern bestenfalls die schlimmsten Auswirkungen abmildern. Bundesrecht gilt auch in anderen Bereich wie der den Osten benachteiligenden Rentenpolitik oder bei der mehr als unsozialen Gesundheitsreform, durch die massive Beitragserhöhungen für die Patienten absehbar sind. Unser Markenzeichen muss eine ebenso ehrliche wie realistische Politik sein. Dies gilt für unsere Forderungen ebenso wie für deren Finanzierbarkeit. Was die Finanzierbarkeit anbelangt, so wollen und werden wir keine ungedeckten Schecks ausstellen. Auch LINKE können jeden Euro nur einmal ausgeben und immer neue Schulden sind auf Dauer keine Lösung, zumal wir wissen, dass die Solidarpakt-Zuweisungen in den kommenden Jahren spürbar zurückgehen und unsere ohnehin schon begrenzten Spielräume noch weiter einschränken werden. Aber wir können und wir müssen mit dem vorhandenen Haushaltsmitteln andere Prioritäten setzen, als es CDU und SPD bislang getan haben. Jeder Euro mehr, der zum Beispiel in die Bildung gesteckt wird, ist eine richtige Investition in die Zukunft. Liebe Genossinnen und Genossen, dem politischen Erdbeben in Bayern soll im nächsten Jahr ein schweres Nachbeben in Sachsen folgen. Die sächsische CDU hat sich immer ihre bayerische Schwesterpartei zum Vorbild genommen. Möge sie so weitermachen. 17 Prozent weniger stimmen, das wäre doch toll! Wir erinnern uns noch an die sogenannte bayerisch-sächsische Zukunftskommission, deren Bericht kritisierte, dass zu viele Frauen im Osten arbeiten gehen wollen. Wörtlich war die Rede von einer „unnatürlichen Erwerbsneigung der ostdeutschen Frauen“. Oder denken wir an den legendären Ausspruch Fritz Hähle Mitte der neunziger Jahre beim traditionellen Aschermittwoch der Landes-CDU in Bautzen: „Wir sind keine Ossis“, man wolle sich vielmehr am erfolgreichen Süddeutschland orientieren. Das Modell ging allerdings völlig nach hinten los: Hunderttausende hoch motivierter junger Leute flüchteten vor Ausbildungsnotstand, drohender Arbeitslosigkeit und Niedriglöhnen in Sachsen nach Bayern und Baden-Württemberg. Nun herrscht in den ersten hiesigen Regionen Fachkräftemangel, Ärztemangel sowieso. Die Wahrheit ist: Wir sind „Ossis“. Und die PDS, die nun in der neuen LINKEN aufgehoben ist, hat das nie geleugnet. Ja, eine unserer Aufgaben bestand darin, den Menschen hierzulande wieder Mut zu machen. Darin, die eigenen Biographien nicht zu verleugnen, die eigenen Leistungen nicht herabzuwürdigen und darin, die eigene Zukunft weiter in die Hände zu nehmen. Und auch mit Blick auf die CDU und ihre Vergangenheit sage ich: Wer seine Geschichte leugnet, dem ist auch sonst nicht viel zu trauen und zuzutrauen. Genau darin, liebe Genossinnen und Genossen, liegt unsere Kraft: Dass wir uns nicht verleugnen und uns nicht verleugnet haben. Auch unsere Fehler nicht, und auch unsere Verantwortung nicht. Und deshalb können wir hier stehen und für eine andere Politik kämpfen. Unsere Aussichten sind nicht schlecht. Die Anstrengungen werden sich lohnen. Aber bis dahin haben wir noch einiges zu tun. Dass wir in Sachsen keine bayerischen Verhältnisse haben, musste die CDU schon bei den letzten Landtagswahlen schmerzhaft erfahren. Während die CSU immerhin bei neun Landtagswahlen in Serie mehr als 50 Prozent der Stimmen errang, brachte es die CDU in Sachsen auf drei Mal – dann war Schluss und klar, dass die Ausnahmeverhältnisse aus der Ära von „König Kurt“ mittlerweile Vergangenheit sind. Was allerdings beide Länder eint, ist die Gewissheit, dass sich Wechselstimmungen in der Bevölkerung auch an der Wahlurne auswirken: Die bayerischen Wählerinnen und Wähler gaben den Meinungsforschern vor der Wahl zu Protokoll, dass sie keine Alleinherrschaft der CSU mehr wollen – und so kam es auch. Die Linksfraktion im Sächsischen Landtag hat im Frühjahr eine Umfrage des renommierten Emnid-Instituts vorgestellt, der zufolge die Mehrheit der Menschen in Sachsen keine von der CDU geführte Regierung mehr haben will. Und so wird es im Herbst 2009 auch kommen! Es gibt noch mehr Parallelen. Was den Sachsen Kurt Biedenkopf, war den Bayern der ungekrönte König Franz Josef Strauß, ein politisches Urgestein von ganz besonderem Gewicht. Zu seinen Nachfolgern zählte mit dem spröden Stoiber ein Mann, der es ebenso wie der personifizierte Kassenwart Milbradt verstand, den Eindruck grundsolider Kompetenz zu vermitteln. Beide waren mehr Verwalter als Gestalter, aber immerhin. Dann wurde in Bayern ein Herr namens Beckstein an die Spitze gespült, dessen wichtigstes Markenzeichen im Wahlkampf die Behauptung war, man könne nach dem Genuss von zwei Maß Bier noch ordentlich Auto fahren. In Sachsen wiederum wurde mit Stanislaw Tillich jemand mit der Richtlinienkompetenz betraut, dessen wichtigste Eigenschaft seit jeher darin bestanden hat, keine eigene Meinung zu haben. So kann er auf seiner Internet-Seite über sich mitteilen: „In der CDU seit 1987, habe ich hier meine politische Heimat gefunden und vielfältige Aufgaben wahrgenommen.“ Herr Tillich brachte es dabei immerhin bis zum Stellvertreter des Vorsitzenden des Rates des Kreises Kamenz für Handel und Versorgung. Dort hatte er offenbar keine Probleme damit, „dafür zu sorgen, dass die Beschlüsse der SED gründlich ausgewertet und zur Richtschnur für die gesamte staatliche Arbeit gemacht werden.“ So stand es in den damals für die Räte der Kreise gültigen einschlägigen Bestimmungen. Ich werfe das Herrn Tillich nicht vor, empfehle ihm allerdings künftig, über die Rolle der Wölfe und Schafe vor und nach der Wende lieber zu schweigen, weil wir sonst gezwungen wären, vertieft darüber nachzudenken, wo wir ihn einsortieren müssen. Ich habe nichts dagegen, dass wir Herrn Tillich in den Medien als Skatspieler und beim Zoobesuch mit Drillingen erleben. Doch erlaube ich mir die Anmerkung, dass er dafür eigentlich nicht sein Gehalt vom Freistaat Sachsen überwiesen bekommt, sondern dafür, dass er dieses Land regiert. Davon aber kann keine Rede sein. Stattdessen forderte Herr Tillich kürzlich die Einführung eines Faches „Wirtschaft“ an den Schulen. Nichts gegen einige notwendige ökonomische Kenntnisse Aber ob man im Kapitalismus schon deshalb praktisch überlebt, wenn man weiß, wie er theoretisch funktioniert – da habe ich meine Zweifel. Wie Wirtschaftspolitik funktioniert oder besser gesagt nicht funktioniert, kann man derzeit in Sachsen erleben: Die ganz Großen wurden jahrelang gemästet, und wenn die Subventionen verfressen sind, denken sie darüber nach, das Land zu verlassen. Die Kleinen und Kreativen lässt man dagegen hängen, so hinkt die Industrieforschung in Sachsen dem Westen weit hinterher – obwohl die CDU-Spitzen keine Ossis, sondern lieber Bayern sein wollen. Der Forschungs- und Entwicklungsbereich in der klein- und mittelständischen Wirtschaft ist zu schwach. Hier könnte Herr Tillich mal richtig was tun, statt sich als alle paar Tage als Dressman neben chicen Maschinen fotografieren zu lassen. Aber es geht halt um mehr als um einen netteren oder weniger netten Ministerpräsidenten. Die Bürgerinnen und Bürger des Landes haben im kommenden Jahr klare Alternativen: Herr Tillich und seine CDU stehen in punkto Arbeit für Niedriglöhne, die Drangsalierung von Hartz-IV-Empfängern und für eine Entlastung der Großkonzerne. DIE LINKE steht für einen gesetzlichen Mindestlohn, für die Abschaffung der Hartz-Gesetze und für eine gezielte Förderung der klein- und mittelständischen Unternehmen in Sachsen. Im Bildungsbereich stehen Herr Tillich und seine CDU für eine Selektion nach der 4. Klasse, für einseitige Elitenförderung und für eine Ausrichtung von Schule und Wissenschaft an den zumeist sehr einseitigen Forderungen der Wirtschaft. DIE LINKE dagegen steht für ein längeres gemeinsames Lernen bis mindestens zur 8. Klasse, für Chancengleichheit und individuelle Förderung von hochbegabten wie schwächeren Schülern. Und wir setzen auf eine möglichst hohe Allgemeinbildung für alle statt auf vordergründige Wirtschaftskompatibilität. Und wenn es schließlich um Solidarität geht, dann stehen Herr Tillich und seine CDU für die Stärkung der ohnehin schon Starken und überlässen die Schwachen weitgehend ihrem Schicksal. DIE LINKE dagegen steht für soziale Gerechtigkeit und dafür, dass jeder nach Maßgabe seiner wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit zur Finanzierung des Gemeinwesens herangezogen wird. Wir wollen nicht nur kosmetische Korrekturen, wir wollen einen nachhaltigen Politikwechsel auch und gerade hier bei uns in Sachsen! Wir als LINKE sind inhaltlich gut vorbereitet, wir sind zuversichtlich und wir sind bereit, noch mehr Verantwortung für unser Land zu übernehmen. Lasst mich auch heute schließen im Stile von Franz Müntefering: „CDU schwach, Koalition auch. LINKE wird stärker. Gut für Sachsen. Glück auf!