Rede zur 1. Lesung des Doppelhaushaltes 2011/2012
Haushalt ist konzeptionslos, ideenlos, verantwortungslos
020. Sitzung des 5. Sächsischen Landtages, 02.09.2010
Rede zu den Gesetzentwürfen der Staatsregierung in den Drs 5/3194 „Gesetz über die Feststellung des Haushaltsplanes des Freistaates Sachsen für die Haushaltsjahre 2011 und 2012 (Haushaltsgesetz 2011/2012) und die Festlegung der Finanzausgleichsmassen und der Verbundquoten in den Jahren 2011 und 2012“ und Drs 5/3195 „Gesetz begleitender Regelungen zum Doppelhaushalt 2011/2012 (Haushaltsbegleitgesetz 2011/2012 – HBG 2011/2012)“
Es gilt das gesprochene Wort!
Wir diskutieren heute über den Entwurf für einen Landeshaushalt, den Herr Tillich und Herr Morlok als bisher größtes Projekt der Koalition gelobt haben. Viele Menschen im Land allerdings fühlen sich von Ihrer Politik bedroht und protestieren gegen die größten Kürzungen seit 1990. Auch wir meinen: Der nächste Doppelhaushalt darf in der vorliegenden Fassung so nie beschlossen werden.
Der vorgelegte Etat ist nicht dazu geeignet, um die dem Land und den Kommunen obliegenden Aufgaben wirklich erfüllen zu können. Wir sehen hier auch ein verfassungsrechtliches Problem, denn es stellt sich die Frage: Ist die kommunale Selbstverwaltung mit den vorgesehenen finanziellen Mitteln tatsächlich noch gegeben? Wir haben hier erhebliche Zweifel!
Zunächst aber will ich eine grundsätzliche Vorbemerkung machen. 20 Jahre Haushaltspolitik im Freistaat Sachsen bedeuten in gewisser Weise auch 20 Jahre haushaltsrechtlichen Ausnahmezustand. Über Jahre hinweg, von Doppelhaushalt zu Doppelhaushalt, hat eine Kompetenzverschiebung zwischen Landtag und Regierung stattgefunden. Systematisch wurde das Budgetrecht der Abgeordneten mit einer regelrechten Flut von Ermächtigungen für den Finanzminister unterhöhlt.
Zwei aktuelle Dokumente belegen diesen untragbaren Zustand. Zum einen die äußerst kritische „Beratende Äußerung des Rechnungshofes zum Thema: „Transparenz, Haushaltsflexibilisierung, Budgetrecht“ und spiegelbildlich dazu das Schreiben des Staatsministers für Finanzen vom 18. August 2010 zum Thema: „In das Haushaltsjahr 2010 übertragene Ausgabereste in Höhe von 2,8 Mrd. Euro“.
Der Kardinalfehler liegt in dem vom Parlament zugelassenen Ungleichgewicht zwischen der Entscheidungshoheit des Haushaltsgesetzgebers und den Ermächtigungen der Staatsregierung als Haushaltsverwalter. Dieses Missverhältnis muss in den Haushaltsberatungen der kommenden Wochen endlich korrigiert werden. Wenn die Regierung gravierende Änderungen am vom Parlament beschlossenen Etat vornehmen will, dann muss sie einen Nachtragshaushalt vorlegen. Das ist der Normalzustand in allen anderen Bundesländern, und dazu müssen wir endlich auch hier in Sachsen kommen!
Auch in der fünfjährigen Phase der CDU/SPD-Koalition gelang es nicht, dem Finanzminister den Verzicht auf nur eine einzige Ermächtigung abzuringen. Ganz im Gegenteil. Die SPD-Fraktion stand hilfreich zur Seite, die Rechte des Parlaments weiter einzuschränken, indem sie der Aufnahme der so genannten Schuldenbremse in den § 18 der Haushaltsordnung zustimmte. CDU und FDP wollen das Neuverschuldungsverbot nun sogar in der Verfassung verankern.
Ohne die Stimmen der LINKEN wird das nicht gelingen, und wir werden das definitiv nicht mittragen. Stattdessen fordern wir von CDU und FDP:
Machen Sie endlich ihre Hausaufgaben zum Budgetrecht und zur Haushaltskontrolle des Parlaments und arbeiten Sie mit uns gemeinsam die Empfehlungen des Rechnungshofes Punkt für Punkt ab. Und zwar jetzt und nicht erst 2013/2014.
Doch zurück zum aktuellen Haushalt. Der Entwurf der Staatsregierung für 2011 sieht gegenüber dem laufenden Jahr Kürzungen in Höhe von 1,2 Milliarden EUR vor. Ein derartiger Einschnitt ist einmalig in der Geschichte des Freistaates und er ist aus unserer Sicht auch unverantwortlich.
Die Einnahmen des Staates wurden in den letzten zehn Jahren durch politische Fehlentscheidungen auf der Bundesebene, die Sachsens Regierung im Wesentlichen mitgetragen hat, ohne jede Not drastisch reduziert. Es geht dabei um ein Volumen von mindestens 100 Milliarden EUR jährlich. Angesichts dessen sind wir nicht bereit, nur über die Ausgabenseite zu reden. Für uns ist eine Erhöhung der Einnahmen des Staates mindestens genauso wichtig.
Auch wir wissen, dass der Solidarpakt II im Jahr 2019 auslaufen wird. Für einen eigentlich notwendigen Solidarpakt III gibt es im Westen vermutlich keine Mehrheit. Fakt ist aber, dass seit 1990 hunderttausende Sachsen in die alten Bundesländer ausgewandert sind. Ein Großteil von ihnen war jung und hochqualifiziert. Diese Menschen leisten jetzt ihren Beitrag zum Wirtschaftswachstum in Hessen, Bayern oder Nordrhein-Westfalen.
Zugleich fehlt hier bei uns der wissenschaftliche Nachwuchs und fehlen in vielen Branchen dringend benötigte Fachkräfte. Trotz zurückgehender Bevölkerungszahl und sinkender Anteile an der Einkommenssteuer müssen wir mit Blick auf die laut Grundgesetz gebotene Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse eine soziale, medizinische, kulturelle und Verkehrs-Infrastruktur vorhalten, deren Pro-Kopf -Ausgaben immer größer werden.
Wir plädieren daher dafür, den Länderfinanzausgleich umzustrukturieren und durch die Aufnahme eines Demografie-Faktors zu ergänzen.
Derzeit bedeuten weniger Einwohner schlichtweg weniger Geld-Zuweisungen. Wir wollen, dass jene Bundesländer, die in den letzten zwanzig Jahren von der Zuwanderung profitiert haben, weil gut qualifizierte Fachkräfte zu ihnen gekommen sind, den Herkunftsländern, die diese Menschen ausgebildet haben, einen finanziellen Ausgleich leisten.
DIE LINKE hat für den Haushalt klare Prioritäten: Im Unterschied zur konzeptionslosen Rasenmäher-Kürzungen durch Schwarz-Gelb sind für uns soziale Standards ein Schonbereich, Bildung hat Vorrang, und die Aushöhlung der kommunalen Investitionskraft muss gestoppt werden.
Der gesamte Sozialbereich ist mit einer Absenkung um 12,3 Prozent gegenüber dem Plan 2010 viel stärker als die meisten anderen Politikfelder betroffen, denn der Gesamtetat des Freistaates sinkt um etwa 8 Prozent, was schon schlimm genug ist. Gegenüber 2008 sollen die Sozialausgaben des Freistaates sogar um mehr als ein Viertel sinken.
Unter Ministerpräsident Tillich wird Sachsen immer mehr zum Musterland des rigorosen Sozialabbaus. Das betrifft vorrangig die Jugendpauschale mit einer Kürzung um etwa ein Drittel; ebenso die Vereinsförderung. Ich sage dazu: Wer bei Kindern und Jugendlichen den Rotstift ansetzt, versündigt sich an der Zukunft Sachsens.
Ein weiterer wichtiger Punkt: Die Sonntagsreden der Regierung über den Wert des bürgerschaftlichen Engagements werden im Etatentwurf durch nackte Tatsachen widerlegt. So sinken die schon bislang nicht ausreichenden Zuschüsse des Programms „Wir für Sachsen“ um 700.000 Euro. Die bisherigen Zuwendungen für Selbsthilfegruppen von Behinderten und chronisch Kranken werden gänzlich gestrichen. Und auch die Landesförderung für die Spitzenverbände der Wohlfahrt gehen 2012 um mehr als die Hälfte zurück.
Ich gebe zu: Wir waren nie ein besonderer Freund des Landeserziehungsgeldes. Aber es nun einfach zu streichen, halten wir für völlig unakzeptabel, zumal das eingesparte Geld ja nicht für die Verbesserung der Betreuungsangebote in Kindertagesstätten eingesetzt werden soll.
Der Freistaat ist zudem auf dem besten Weg, die Gleichstellung von Frau und Mann zu einem symbolischen Lippenbekenntnis verkommen zu lassen. Die dafür bereitgestellten Mittel werden um über 2/3 gegenüber dem Stand von 2010 gekürzt. Damit ist die Arbeit des Landesfrauenrates, des Landfrauenverbandes und weiterer Projekte existenziell gefährdet.
Auch beim Verbraucherschutz geht es weiter bergab. Die Angliederung an das Sozialministerium hat bislang lediglich eine Mittelkürzung zur Folge. So soll die Verbraucherzentrale im nächsten Jahr 200.000 und im Jahr darauf gar 400.000 Euro weniger erhalten. Anstatt das Leistungsangebot nach Notwendigkeit zu erweitern, wird es weiter eingeschränkt. Ein tragfähiges Verbraucherschutzkonzept für Sachsen liegt bis heute nicht vor.
Auch der gesamte Gesundheitsbereich ist von gravierenden Kürzungen betroffen. Angesichts des fortschreitenden Ärztemangels fragt man sich beispielsweise, weshalb das erst kürzlich aufgelegte Förderprogramm für Medizinstudenten schon wieder gekürzt werden soll. Wir brauchen endlich ein vom Freistaat mit zu finanzierendes Gesamtprogramm zur Überwindung des Ärztemangels.
Stichwort Krankenhäuser: Die Förderung bis etwa zum Jahr 2000 hat zu einer leistungsfähigen Krankenhauslandschaft in Sachsen geführt. Seither gehen die Investitionen entzieht sich das Land immer mehr aus der gesetzlich zugewiesenen Finanzierungsverantwortung. So steht Sachsen heute schon auf dem letzten Platz unter allen Bundesländern bei Investitionen pro Krankenhausbett. Der Haushaltsentwurf sieht für den Krankenhausbereich Investitionen von jährlich lediglich 50 Mio. EUR. Der reale Bedarf liegt jedoch bei mindestens 200 Millionen Euro. Dieses Missverhältnis würde auf Dauer zu schweren Fehlentwicklungen führen. Deshalb muss hier aufgestockt werden. Ähnliches gilt für den Neubau und die Sanierung von Kindertagesstätten, Jugendhilfeeinrichtungen und den Schulhausbau.
Damit bin ich beim Bildungsbereich. Ausbildung und Qualifikation sind die Schlüsselressourcen im 21. Jahrhundert. Investitionen in Wissenschaft und Forschung sind Investitionen in die Zukunftsfähigkeit unseres Landes.
Um das lebenslange Lernen zu ermöglichen und zu fördern, bedarf es jedoch einer Gesamtstrategie: der Vernetzung von Reformen im Vorschul- und Schulbereich mit der Hochschulentwicklung und der Weiterbildung. Nach unserem Dafürhalten beinhaltet eine solche Gesamtstrategie vor allem die schrittweise Überwindung des gegliederten Schulwesens im Sinne eines längeren gemeinsamen Lernens und eine verbesserte Durchlässigkeit des Hochschulwesens. Der Haushaltsentwurf erfüllt diesen Anspruch nicht.
Was den Etat des Sächsischen Staatsministeriums für Wissenschaft und Kunst betrifft, so ist durchaus anzuerkennen, dass Frau Staatsministerin Schorlemer relativ erfolgreich gegen Streichungen in ihrem Budget gekämpft hat. Vor dem Hintergrund der ohnehin vorhandenen strukturellen Unterfinanzierung der sächsischen Hochschulen ist dennoch zu befürchten, dass die Universitäten insgesamt das internationale Niveau nicht halten bzw. erreichen können. Zudem wächst die Abhängigkeit von Industrie und Wirtschaft.
Die Weiterbildung, bei deren Förderung Sachsen ohnehin schon an letzter Stelle im Bundesvergleich liegt, erhält abermals weniger Mittel. Die Folge wird sein, dass die sächsischen Volkshochschulen die Kursgebühren werden erhöhen müssen, was wiederum soziale Benachteiligung schafft. Deshalb muss auch hier dringend nachgebessert werden.
Kultur ist in unserer Verfassung als Staatsziel verankert. Mit dem 2008 gegen den Widerstand des Finanzministeriums entfristeten Kulturraumgesetz verfügt Sachsen über ein bundesweit einmaliges und wegweisendes Instrumentarium der solidarischen Kulturfinanzierung. Leider wird im vorliegenden Haushaltsbegleitgesetz genau an diesem Herzstück die Axt angelegt. Mit der geplanten Absenkung der Zuschüsse um 10 Mio. Euro beginnt die Aushöhlung des Gesetzes. Wir plädieren daher für die Beibehaltung des Status Quo. Eine Kommunalisierung der sächsischen Landesbühnen lehnen wir entschieden ab. Es gibt keinerlei Rechtfertigung dafür.
Allein im Schulbereich könnte man 30 Problemfelder ansprechen. Ich beschränke mich auf drei.
Das vor drei Jahren gegebene Versprechen des damaligen Kultusminister Flath, dass in Sachsen keine Schulen mehr durch Mitwirkungsentzüge geschlossen werden, ist schon längst gebrochen, jetzt soll es den freien Schulen massiv an Leder gehen. Nun steht DIE LINKE bekanntlich in erste Linie für eine Stärkung des öffentlichen Schulsystems, aber im Gegensatz zum jetzigen CDU-Fraktionschef akzeptieren wir die Verfassung und das Recht zur Gründung von Schulen in freier Trägerschaft, und das gilt dann auch für konfessionelle Träger.
Sachsens CDU dagegen will offenbar eine Staatskirche haben – anders lässt sich die Aussage von Fraktionschef Flath „Kirche ja, aber bitte nicht als Opposition zur CDU“ nicht interpretieren. Dieser ungeheuerliche Satz heißt ja im Umkehrschluss: Kirche nein, wenn sie nicht derselben Meinung ist wie die CDU. Ob man solche Positionen noch als „christlich“ bezeichnen kann, mögen die Christen in Sachsen selbst beurteilen. Herr Flath ist aber auch bildungspolitisch mit dem Grundgesetz gleich doppelt auf Kriegsfuß:
Erstens ist es entgegen seiner Meinung nicht der Willkür von Regierungspolitik überlassen, ob freie Schulen gegründet werden, und zweitens gibt es keine freien Schulen mit unterschiedlichem Schutzanspruch. Die Gründung oder Nichtgründung freier Schulen ist kein „Vorhaben“, über das die Mehrheit der CDU-Landtagsfraktion entscheidet. In solchen Aussagen offenbart sich ein erschreckendes Selbstverständnis als neue Staatspartei.
Ein weiteres Manko soll hier angesprochen werden. Nach Angaben der LAG Schulsozialarbeit findet derzeit nur an ca. 202 Schulen in Sachsen Schulsozialarbeit statt. Wir haben aber insgesamt 1475 allgemeinbildende Schulen, so dass lediglich 13,7% der Schulen von Schulsozialarbeitern betreut werden. Diesen Zustand wollen wir ändern. Wir fordern daher ein „Landesprogramm Schulsozialarbeit“. Jede Schule in Sachsen soll spätestens 2015 über einen Sozialarbeiter verfügen können. Wir haben in unserer Regierungszeit in Mecklenburg-Vorpommern bewiesen, dass die auch praktisch machbar ist. Dass neben der Schulsozialarbeit auch die freien Träger der Jugendhilfe weiter gefördert werden müssen, steht außer Zweifel.
Der Lehrermangel wird in den kommenden Jahren das bildungspolitische Problem Nummer eins in Sachsen sein, die Staatsregierung hat darauf jedoch keine Antwort. Dass zurzeit rund 50 Prozent aller Grundschullehrer wie pädagogische Hilfskräfte bezahlt werden, befördert die Abwanderung des Lehrernachwuchses zusätzlich. Ein Bildungsland aber schafft man nicht durch Tarif-Unrecht.
Wir haben in Sachsen nicht den besten, aber dennoch den mit Abstand bestbezahlten Ministerpräsidenten im Osten, der auch bundesweit im oberen Viertel liegt. Zugleich haben wir die am schlechtesten bezahlten Lehrer und Polizisten in ganz Deutschland, und nun soll auch noch den Beamten und in der Folge alle Beschäftigten des Öffentlichen Dienstes – von der Krankenschwester bis zum Gerichtsdiener die Sonderzahlung weggenommen werden.
In punkto Löhne und Gehälter sollte Herr Tillich mal das Hauptgebot der Bibel beherzigen, den Nächsten wie sich selbst zu lieben!
Damit bin ich auch bei der Innenpolitik, die ja mal als eine Domäne der CDU galt. Diese Zeiten sind lange vorbei. Beschloss die Staatsregierung vor 3 Jahren noch einen Abbau von 2.441 Stelle bei der Polizei, so sind es nun wohl rund 4.000. Wurde die Sicherheitslage in Sachsen noch vor Kurzem durch eine chaotische Dienststellenreform strapaziert, liegt nun ein Haushaltsentwurf vor, ohne dass der Landtag auch nur ansatzweise weiß, wie die zukünftige Struktur der sächsischen Polizei aussehen und wie deren Arbeitsfähigkeit gewährleistet werden soll. Auf dieser Basis kann man keinen Haushalt beschließen.
Nächstes Stichwort Kommunalfinanzen: Im Finanzausgleichsgesetz werden bekanntlich allein schon 1/6 des Staatshaushaltes gebunden. Umso unverständlicher ist es, dass das Parlament bei der Festlegung der Ansätze nur Zaungast ist. Die seit Jahren geübte Praxis des „FAG-Kompromisses“ fand auch in diesem Jahr statt. Dabei spielen Finanzminister und kommunale Spitzenverbände Haushaltsgesetzgeber und klopfen die Mittelansätze fest.
Erkauft ist dieses Ergebnis mit der vollständigen Auflösung des angesammelten Vorsorgevermögens (was auch wir gefordert hatten) sowie einer drastischen Abschmelzung der investiven Mittel. Die Folgen sind absehbar: Die Kommunen müssen faktisch aufhören zu investieren. Ihre Investitionskraft schrumpft im Jahr 2011 um 67% – berücksichtigt man die bis 2010 zur Verfügung stehenden Konjunkturmittel ist sogar ein Einbruch von 82% zu konstatieren! Für die Fraktion DIE LINKE steht fest, dass die investive Seite der Kommunalhaushalte gestärkt werden muss. Wir werden uns deshalb im Haushaltsverfahren für die Einrichtung einer Investitionspauschale von jährlich mindestens 75 Mio. Euro stark machen.
Gern hätte ich auch noch etwas zum vorgesehenen Etat des Ministeriums für Wirtschaft und Arbeit gesagt, aber der ist genauso indiskutabel wie der amtierende Minister. Von wirklicher Arbeitsmarktpolitik ist nichts zu erkennen, denn diese kann sich ja wohl nicht nur auf die verstärkte Förderung der Meisterausbildung beschränken. Was wir brauchen, ist ein sächsisches Beschäftigungsprogramm, doch davon findet sich nichts im Haushaltsentwurf.
Wie wichtig den Koalitionären von CDU und FDP die Themen Umwelt und Landwirtschaft entgegen den vollmundigen Sonntagsreden wirklich ist, zeigt ein Blick in die jeweiligen Einzelpläne. Die dafür zur Verfügung stehenden Mittel gehen um sage und schreibe 31,3 Millionen Euro zurück. Lediglich bei der institutionellen Förderung von der CDU nahestehenden Vereinen und Verbänden wird nicht gekürzt, während die anerkannten Naturschutz- und Umweltverbände nach wie vor um jeden Euro an Projektmitteln kämpfen müssen. Auch hier sind Korrekturen dringend erforderlich.
CDU und FDP behaupten immer wieder, für all das sei kein Geld da. Wir als LINKE sehen das deutlich anders, denn im Gegensatz zur Koalition wollen wir die Einnahmeseite stärker, sehen durchaus Umschichtungsmöglichkeiten im Haushalt und tragen das Motto „Netto-Neuverschuldung Null“ nicht wie eine Monstranz vor uns her.
Herr Ministerpräsident, fragen Sie mal junge Familien in Ihrer Nachbarschaft, die in den letzten Jahren für sich und ihre Kinder ein Häuschen gebaut bzw. gekauft haben. Hätten sich diese Menschen an den Grundsatz der Haushaltspolitik Ihres Kabinetts gehalten, keine Investitionen auf Pump zu tätigen, würden weder sie selbst noch ihre Kinder je im eigenen Heim wohnen. Es sei denn, sie haben eine gute Erbschaft gemacht oder im Lotto gewonnen.
Und hätten sich die Menschen im zu Ende gehenden Jahr sämtlicher Konsumentenkredite enthalten und deshalb beispielsweise Autos und Möbel nicht gekauft, wären viele sächsische Betriebe nicht einmal mit Kurzarbeit über Wasser gehalten worden, sie wären schlicht mangels Nachfrage pleite gegangen.
CDU und FDP kürzen ohne Sinn und Verstand, bei den Investitionen, bei den Kommunen, bei der sozialen Infrastruktur. Bisweilen drängt sich Eindruck auf, sie wollten den Aufbau Ost seit Ende der DDR wieder zurück abwickeln. Und das alles nur, damit das Land ja keinen Cent Kredit aufnimmt – während die Kreise, Städte und Gemeinden genötigt werden, sich immer stärker zu verschulden. Sie lassen Gemeinde- und Kreisräte, Bürgermeister und Landräte die Drecksarbeit machen.
Seit 1990 sind hunderttausende überwiegend junge Leute aus Sachsen weggezogen. Wir sind heute das Bundesland mit dem höchsten Altersdurchschnitt. Kurt Biedenkopf hat immer wieder auf den Zusammenhang zwischen Jugend und Innovationskraft hingewiesen. Dennoch brauchen wir mehr als bisher die Erfahrung und das Wissen der Älteren in Arbeitswelt bzw. Gesellschaft, aber in Zukunft wird es so sein wie in der Vergangenheit: Neue Ideen und neue Impulse kommen vor allem mit neuen Generationen.
Wer wie Sachsens Wirtschaftsminister Morlok allen Ernstes davon redet, dass Sachsen, das derzeit gerade mal gut die Hälfte seiner Einnahmen selbst erwirtschaftet, innerhalb eines Jahrzehnts zum „Geberland“ im Länderfinanzausgleich werden soll, muss erst mal sagen, wie er Jugend halten oder wieder zurückholen will, ohne die dieses Land nicht mal ansatzweise in der Lage sein wird, in einer Liga mit Bayern oder Hessen zu spielen.
Diese Regierung hat Lehrernachwuchs vergrault, streicht Jugendprojekten die finanzielle Existenzgrundlage und sieht zu, wie fast die Hälfte der Uni-Absolventen Sachsen wieder verlassen. Sachsen ist die verlängerte Werkbank für Zulieferer, aber nicht der Magnet für gute Jobs im Hightech-Bereich – ja, mit Qimonda ließ der Freistaat Sachsen erst im letzten Jahr den größten Arbeitgeber der Landeshauptstadt am ausgestreckten Arm verhungern und mit ihm dreitausend Hightech-Arbeitsplätze.
So wie Sie jetzt aus Prinzipienreiterei rufen „Keine Nettokreditaufnahme“, sondern sogar noch mitten in Krisenzeiten Kredite tilgen wollen, riefen Sie damals: „Keine Staatsbeteiligung!“ Statt zu handeln pflegen Sie Dogmen, Herr Tillich, doch das kommt nicht an. Schon gar nicht bei jungen Leuten. Nach jüngsten Umfragen wollen in Thüringen weniger Menschen auswandern als in Sachsen – Sie sollten mal darüber nachdenken, warum Ihre Politik weniger zum Hierbleiben als zur Flucht ermuntert!
Wir sagen: Alternativen sind möglich! Es ist nicht alternativlos, durch Steuergeschenke an reiche Erben und Besserverdienende die Staatseinnahmen zu schmälern und dann die Projekte des sozialen Zusammenhalts zu schröpfen! Das aber ist schwarz-gelbe Regierungspolitik in Sachsen wie auch im Bund.
Die Mitbewerberinnen und Mitbewerber in der demokratischen Opposition gestatten mir eine freundlich gemeinte Bemerkung: Als wir in früheren Jahren bei in Milliarden-Größenordnung besser ausgestattetem Finanzrahmen des Regierungs-Haushaltsentwurfs gesagt haben: O. k., den Rahmen akzeptieren wir, aber in diesem Rahmen setzen wir andere Schwerpunkte, wurden wir für diesen alternativen Haushaltsansatz von allen Seiten hier im Parlament kritisiert.
Nun sagen wir: Dieser Schrumpf-Haushalt bedroht das sächsische Gemeinwesen, und daher können wir nicht als Ausgangspunkt für alternative Berechnungen nehmen. Und was erleben wir, liebe Frau Kollegin Hermenau?
Eine grüne Wundertüte, in der plötzlich ein Rahmen von 1,2 Milliarden Euro Minus wie nichts geschluckt wird und man dann noch eine halbe Milliarde Euro schmerzfrei hin und her schieben kann. Das ist Haushalts-Esoterik, die offenbar nur so erklärbar ist, dass auch Sie das Dogma „Nettokreditaufnahme Null“ einhalten möchten, um sich als möglicher Ersatz-Koalitionspartner für die Chaos-FDP bereitzuhalten. Das mag machtarithmetisch nachvollziehbar sein, nachhaltige alternative Politik aber sieht anders aus.
Und wir als LINKE stehen für eine solche nachhaltige alternative Politik, was man von der Staatsregierung nun wahrlich behaupten kann.
Der vorgelegte Haushalt ist konzeptionslos, ideenlos und verantwortungslos. Wer aber konzeptionslos ist wie Herr Tillich, der sollte keiner Regierung vorstehen, wer ideenlos ist wie CDU und FDP kann unser Land nicht voranbringen. Und wer verantwortungslos agiert, der wird ganz sicher irgendwann ausgetauscht.