Rede zum Wahlkampfauftakt in Leipzig
Es gilt das gesprochene Wort
Rede zum Wahlkampfauftakt auf dem Burgplatz in Leipzig am 7. August 2009
Liebe Bürgerinnen und Bürger,
von Leipzig und von Sachsen ging vor 20 Jahren im wahrsten Sinne des Wortes Weltbewegendes aus – die Menschen nahmen auf den Straßen und Plätzen das Heft des Handelns in die eigenen Hände und brachten die erstarrten Verhältnisse zum Tanzen. Ich finde es daher immer reichlich merkwürdig, wenn Politiker heute oft abfällig vom so genannten „Druck der Straße“ sprechen, als sollten sie zu unsittlichen Handlungen genötigt werden. Ohne den Druck der Straße im Herbst 1989 gerade auch hier in Leipzig gäbe es diesen Wahlkampf 2009 nicht, und das wäre doch jammerschade!
Der Sinn von Wahlkämpfen ist ja nicht in erster Linie, die Köpfe von Spitzenpolitikern in Plakatform an Laternenmasten aufzuhängen und durch großflächige, bunt gedruckte Werbeparolen ein paar Wochen mit dem Stadtbild zu experimentieren. Wahlkämpfe dienen der Scheidung der Geister durch kontroverse Diskussion und der Konzentration der Öffentlichkeit auf jene Themen, die über die Zukunft unserer Gesellschaft entscheiden. Ich hätte im Übrigen manchem Bank- oder Konzernvorstand gewünscht, dass er regelmäßig öffentliche Rechenschaft über sein Tun und Lassen ablegen und sich von der Bevölkerung bewerten lassen muss – den Steuerzahlerinnen und Steuerzahlern wäre viel Schaden erspart geblieben!
Monopole in der Wirtschaft sind teuer und schädlich – siehe die Preistreiberei bei den Energiepreisen. Monopole in der Politik sind gemeingefährlich, weil der Wettbewerb um die besten Ideen zum Erliegen kommt und die öffentliche Meinungsbildung erstickt.
Sachsen hatte nach 1990 durch seine Größe, Bevölkerungszahl, seine industrielle und wissenschaftliche Infrastruktur, seinen beispiellosen kulturellen Reichtum, seine einzigartigen sozialen Traditionen und seinen anerkannten besonderen Erfindergeist die mit Abstand besten Voraussetzungen unter allen ostdeutschen Ländern für eine dynamische Entwicklung im guten Sinne. Wenn wir dieser Tage bei der Arbeitslosigkeit sogar schlechter dastehen als das traditionell strukturschwache Mecklenburg-Vorpommern, dann ist augenscheinlich: Hier in Sachsen ist vieles politisch schief gelaufen!
Sachsen ist inzwischen bei der Wirtschaftsentwicklung im Osten Schlusslicht, in Sachsen gibt es die niedrigsten Tariflöhne bundesweit und die höchste Quote von Kinderarmut. All dies sind Zahlen und Fakten, die unmissverständlich klar machen: Nach zwei Jahrzehnten sollte im Interesse der Menschen in Sachsen die Richtlinienkompetenz in der Staatsregierung an Leute übergehen, die das Land wieder voranbringen!
Obwohl Sachsen immer noch ein vergleichsweise dicht besiedeltes Land ist, stehen wir beim Zugang zum schnellen Internet deutschlandweit unter allen Bundesländern an drittletzter Stelle. Der sächsische Innovationsmotor stockt, das liegt nicht an den vielen guten Leuten gerade im sächsischen Mittelstand und im Handwerk, im produzierenden Gewerbe und im Handel. Nein, das liegt daran, dass Sachsen zurzeit schlecht regiert wird, dass das Volk in Sachsen eine Regierung hat, die es nicht verdient hat!
Deshalb haben wir uns erstmals seit den Wahlen 1990 entschlossen, uns ganz bewusst um Regierungsverantwortung zu bewerben.
In Zeiten wie diesen brauchen die Wählerinnen und Wähler eine Alternative. Es geht nicht mehr nur darum, für ein Weniger an Schwarz zu werben, nein: Sachsen braucht Rot statt Schwarz! Ich sage das nicht, weil mir das eine Werbeagentur empfohlen hätte, sondern weil wir uns auf diesen Augenblick lange vorbereitet haben.
Ich will hier gar nicht von den 36 Gesetzentwürfen der LINKEN im Landtag allein in der zu Ende gehenden Legislaturperiode reden, die alle solide durchgerechnet sind und zeigen, dass wir sofort handwerklich in der Lage sind, dieses Land zu regieren. Wir haben seit dem Jahr 2000 fünf Mal einen Alternativen Landeshaushalt aufgestellt und damit dokumentiert, dass wir mit Geld umgehen können und zu rechnen verstehen.
Und wenn die CDU-geführte Regierung nicht dem von uns eingesetzten Untersuchungsausschuss zur Landesbank jahrelang Unterlagen zu den abenteuerlichen Spekulationsgeschäften in Dublin vorenthalten hätte, wäre die sächsische Bevölkerung nicht von einem Landesbank-Zusammenbruch mit Milliardenschaden heimgesucht worden. Dieses Damoklesschwert hängt noch Jahre über dem Landeshaushalt, und deshalb reicht es nicht, dass zwei komplette Bankvorstände, ein Finanzminister und ein Ministerpräsident ihren Posten verloren haben. Eine Politik, die solch unverantwortlichem Kasinokapitalismus den Weg geebnet hat, muss abgewählt werden! Am 30. August ist die Gelegenheit dazu in Sachsen und am 27. September auf Bundesebene.
Wir haben seit 1990 gelernt, dass es immer in Sackgassen führt, wenn man von einem Extrem ins andere fällt.
Die zentralistische Planwirtschaft durch eine völlig enthemmte Marktwirtschaft zu ersetzen hat der Menschheit die schwerste Wirtschaftskrise seit 80 Jahren beschert. So wollten die 89-er Montagsdemonstranten die Welt nicht bewegen, sie wollten eine friedliche Verwirklichung der Ideale, die schon die Französische Revolution – weniger friedlich – bewegten: Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit! Oder wie wir heute, ein bisschen weniger pathetisch sagen: eine demokratische und solidarische Gesellschaft.
Gerade die Menschen in Sachsen erfahren am eigenen Leib, dass ein scheinbar großer Spruch vor der letzten Bundestagswahl eine Irrlehre war und ist: Sozial ist, was Arbeit schafft! Das ist eben nicht wahr, das stimmt nicht! Wer mit 1-Euro-Jobs, Leiharbeitsverhältnissen und Niedriglohnverträgen abgespeist wird – wie viel zu viele Menschen besonders in Sachsen –, der weiß, dass die Mitte der Vernunft in der Politik nicht da liegt, wo das schwarze Loch oder das gelbe Nichts lauert. Die Gesellschaft in ihrer Mitte zusammenhalten kann nur der, der LINKS DENKT, FÜHLT UND HANDELT!
Ich sage: SOZIAL IST, WAS GEMEINSAMEN WOHLSTAND SCHAFFT! Sozial ist, was den Graben zwischen Arm und Reich zuschüttet.
Nicht durch Enteignungen, das hat sich ja inzwischen auch in der Staatskanzlei bei Menschen herumgesprochen, die es in der DDR weiter gebracht haben als ich.
Sondern durch eine sozial sensible Steuerung bei den Abgaben, die nicht denen, die nur wenig haben, das Wenige noch nimmt, sondern dort etwas holt, wo auch für die Allgemeinheit etwas zu holen ist.
Und die denen etwas gibt, die nachweislich zu wenig haben. Im Gegensatz zu den Verfassern gewisser gelber Wahlplakate kennen wir uns im Übrigen mit Politik aus und wissen, dass der Landtag gar nicht über Steuern zu entscheiden hat, sie folglich weder senken noch erhöhen kann.
Aber: Eine sächsische Staatsregierung muss im Bundesrat für Mindestlöhne und gegen Hartz IV kämpfen – und zwar mit ganzer Kraft! Die amtierende Staatsregierung hat das ja nicht mal mit halber Kraft, sondern überhaupt nicht getan. Der soziale Friede in Deutschland braucht Mitte-Linksbündnisse in Landesregierungen – nicht nur in Berlin, sondern schon in wenigen Wochen in Sachsen, Thüringen, Brandenburg und im Saarland!
Es macht nämlich einen im Alltag spürbaren Unterschied, ob beispielsweise ein Ministerpräsident die Verbesserung des Personalschlüssels in Kindertagesstätten von 1:13 auf 1:12 verspricht und dann nicht hält und sein Koalitionspartner von einem Personalschlüssel von 1:7 träumt, ohne zu sagen, wie dies finanziert werden soll. So läuft das bisher in Sachsen – und das nervt! Oder ob man in Berlin ganz real einen Personalschlüssel in Kitas von 1:10 hat – denn in Berlin gibt’s Rot-Rot!
Ich werde heute in einer Woche alle Vorsitzenden LINKER Landtagsfraktionen in Dresden begrüßen. Wir werden gemeinsam die Weichen stellen – für Projekte des intelligenten sozial-ökologischen Umbaus, und dafür gibt es durchaus potenzielle Partner.
Wählerinnen und Wähler sind ja weise, meistens jedenfalls. Sie geben keiner Partei auf Dauer zu viele Stimmen, damit sie nicht abhebt, sondern mit anderen im Gespräch bleiben muss. Ich finde daher die Aussichten nicht belastend, wahrscheinlich mit zwei Partnern Vereinbarungen treffen zu müssen – im Gegenteil, das erschließt mehr intellektuelle Potenziale für unser Land, als sich die noch dominierende Möchtegern-Staatspartei in ihren kühnsten Fantasien vorstellen kann.
Wissen Sie, ich habe doch gar keine Probleme zu sagen, dass uns DIE GRÜNEN in punkto Ökologie vielleicht noch was voraus haben. Aber wenn ich jetzt höre, dass die sächsischen GRÜNEN bis 2030 aus der Braunkohle aussteigen wollen, während wir den Ausstieg und den Übergang zu erneuerbaren Energien bis 2040 geschafft haben wollen, dann ist das ein klares Signal, dass wir beim Thema Ökologie einigungsfähig sind.
Und natürlich ist die SPD, eine Partei, die seit Generationen existiert, in Verwaltungsfragen bisweilen gewiefter als eine historisch neue Partei wie DIE LINKE, die um Gottes willen keine Bürokratie mehr will wie in der DDR und kein Chaos, wie es früher manchmal bei den West-Linken herrschte … Leider ist die Bürokratie mitterweile im Land oftmals schlimmer als früher und das Regierungs-Chaos in Bundes- und sächsischer Landesregierung belastender als irgendwelche altlinken Theoriewirren.
Deshalb ist die Zeit reif für eine politische Richtlinienkompetenz, die die soziale Frage in den Mittelpunkt von Regierungspolitik stellt.
Denn wo Menschen sozial zutiefst verunsichert sind, wird sich ihre Fürsorge für bedrohte Fledermäuse in Grenzen halten. Wo Menschen einen gewissen Wohlstand haben, legen sie dagegen nachweislich größeren Wert auf eine gesunde Umwelt und auch auf gesunde Ernährung.
Wo technokratische Verwaltungsfragen zu sehr im Vordergrund stehen, kommen Ungetüme wie Agenda 2010 und Hartz IV heraus. Wer ehrlich analysiert, woran die Regierung Schröder 2005 letztlich gescheitert ist, erkennt: Weil Oskar Lafontaine weggeekelt und der Bundesregierung das LINKE HERZ rausgerissen wurde!
In der nächsten sächsischen Landesregierung muss das LINKE HERZ am richtigen Fleck schlagen! Die zeitgemäße Antwort des Jahres 2009 auf die Verhältnisse von heute ist ein Linksbündnis für Sachsen, in dem DIE LINKE als stärkste der beteiligten politischen Kräfte besondere Verantwortung zu übernehmen bereit ist. Das ist das Angebot des Herbstes 09 für Sachsen!
Dieses Angebot ist kein billiges „Schnäppchen“, sondern politische Wertarbeit und allemal attraktiver als die derzeitige Besetzung der Staatskanzlei, die vor Herrn Putin mehr Respekt hat als vor Bürgerrechten!
Es hat nämlich der sächsischen Mikroelektronik-Industrie nicht geholfen, dass sich der Ministerpräsident als Gegenleistung für einen peinlichen Schickeria-Orden, den er Herrn Putin beim Semperopernball umgehängt hat, in Moskau mit dem mächtigsten Mann Russlands auf einem Sofa hat fotografieren lassen. Die mal in Russland, mal in China vermuteten Investoren mochten das insolvente Unternehmen Qimonda nicht retten, und so ging der größte Betrieb und bedeutsamste Arbeitgeber des „Silicon Saxony“ schlicht pleite und wird nunmehr in alle Einzelteile zerschlagen und verramscht. Die Leuchtturm-Politik von Kurt Biedenkopf wird von seinem CDU-Erben demontiert.
3.000 Arbeitsplätze sind auf einen Schlag weg, viele tausend sind in kleineren Unternehmen schon verschwunden, und gar nicht auszudenken, was auf Sachsen zukommt, wenn nach den Wahlen die Kurzarbeiterregelungen auslaufen! Was aber ist die Antwort der CDU auf dieses Desaster? Ein Spruch: „Arbeitsplätze schafft man nicht mit links“.
Dümmer geht’s nimmer! Ich will mich ja gar nicht lange damit aufhalten, dass es sächsische CDU-Politiker waren, die uns in jeder Landtagsdebatte über Arbeitsplatzverluste mit erhobenem Zeigefinger daran erinnerten, dass Politik überhaupt keine Arbeitsplätze schaffen, sondern nur Rahmenbedingungen setzen könne. Man müsse stattdessen Wachstumsimpulse geben! Die Fakten: Sachsen hat in den letzten zehn Jahren, also schon vor der weltweiten Wirtschafts- und Finanzkrise, mit durchschnittlich weniger als zwei Prozent Wachstum pro Jahr deutschland- und europaweit unterdurchschnittlich abgeschnitten. Das heißt: Die Rahmenbedingungen, den die bisherige, CDU-dominierte Regierungspolitik in Sachsen gesetzt hat, sind die falschen gewesen!
Es gibt gute Gründe, grundsätzlich daran zu zweifeln, ob uns die ökonomische Wachstumslogik in eine lichte Zukunft führen kann – oder nicht eher ins ökologische Verderben. Denn wenn unsere Erde Grenzen hat, kann die Wirtschaft nicht unbegrenzt wachsen.
Wir brauchen mehr qualitatives Wachstum, aber dafür brauchen wir die klügsten Köpfe der Welt in Sachsen. Die kriegen wir aber nicht mit einem Ministerpräsidenten, der durch sein Nichtstun mal eben dreitausend IT-Spezialisten um ihren Job bringt. Das ist für den Standort Sachsen Antiwerbung pur!
Nun haben wir die einseitige Fixierung auf einige wenige so genannte Leuchttürme seinerzeit heftig kritisiert und wurden dafür als Wirtschaftsbanausen gescholten. Was aber völlig verrückt ist, dass die CDU jetzt das wenige, was sie dank Kurt Biedenkopf auf dem Gebiet der Wirtschaftspolitik zustande gebracht hat, auch noch selbst wieder kaputt macht. Den mittelständischen Zulieferbetrieben geht es nämlich noch schlechter, wenn jetzt auch noch die letzten Großunternehmen zusammenbrechen!
Zum guten Leben für alle gehört nicht nur Hightech, damit unsere Handys und Laptops funktionieren. Zum guten Leben für alle gehören auch eine flächendeckende soziale und kulturelle Infrastruktur. Soziokulturelle Zentren, Jugendklubs, Seniorenbegegnungsstätten – all das fällt aber nicht vom Himmel oder entsteht im Selbstlauf!
Wer die Organisation des gesellschaftlichen Zusammenhalts ausschließlich den Kräften des Marktes überlässt, richtet die Gemeinschaft zugrunde. Deshalb braucht Sachsen dringend einen öffentlich geförderten Beschäftigungssektor – wie er derzeit unter einem LINKEN Wirtschaftssenator in Berlin aufgebaut wird!
Solche Arbeitsplätze schafft man nur mit LINKS! Wir haben mit Unterstützung von Wirtschaftswissenschaftlern ausgerechnet:
Wenn man statt Arbeitslosigkeit Arbeit bezahlt, also die schon jetzt vom Staat für Arbeitslose ausgegebenen Gelder in Beschäftigung investiert, dann können wir in Sachsen 60.000 Existenz sichernde, ordentlich sozialversicherungspflichtige Arbeitsplätze schaffen. Ja, das können wir tun, und das werden wir tun, wenn uns die Wählerinnen und Wähler am 30. August den Auftrag zur Regierungsbildung geben!
Ich bin im Gegensatz zu Herrn Steinmeier kein politischer Jesus, der sich statt der biblischen Brotvermehrung an der wundersamen Vermehrung von Arbeitsplätzen versucht … Wer einerseits mit Agenda 2010 und Hartz IV Millionen Menschen in Armut gebracht hat und nun mal eben vier Millionen neue Arbeitsplätze aus dem Ärmel schütteln will, ist einfach nur unglaubwürdig!
An einem solchen Wettlauf um das verrückteste Wahlversprechen beteiligen wir LINKE uns nicht. Eine solche Scharlatanerie können wir uns auch gar nicht erlauben, denn dafür sind unsere Wählerinnen und Wähler zu intelligent!
Wir wissen, was wir wollen, weil wir uns auch bewusst sind, was wir nicht wollen. Deshalb wissen wir auch, wo’s langgeht: „Bildung statt Beton“ heißt seit einem Jahrzehnt das Leitbild der alternativen Landehaushalts-Ansätze, die von den LINKEN im Sächsischen Haushalt vorgelegt worden sind. Das heißt ja nicht, dass nichts mehr gebaut wird, aber es heißt, dass wir eine bessere Personalausstattung in Kindertagesstätten und mehr Lehrer an den Schulen haben wollen – und weniger Straßenneubau angesichts einer abnehmenden Bevölkerung.
In den Wochen vor der Wahl sind der Ministerpräsident und seine Minister wieder mal überall im Lande unterwegs, um feierlich Bändchen durchzuschneiden und sich für Baumaßnahmen ins rechte Licht rücken zu lassen, die andere bezahlt, geplant und mit ihrer Hände Arbeit ins Werk gesetzt haben. Ich freue mich über jede schön sanierte Fassade, aber das Wichtigste in Sachsen sind seine Menschen, und die Zukunft Sachsens sind vor allem seine jungen Menschen.
Seit 1990, seit die CDU begonnen hat, dieses Land zu regieren, haben rund 200.000 junge Leute die Schule ohne Abschluss oder mit einem solchen Abschluss verlassen, dass sie faktisch keine Aussichten auf eine solide berufliche Perspektive haben. Wer so mit dem Nachwuchs umgeht, muss aus dem Verkehr gezogen werden!
Hinzu kommen Hunderttausende, die Sachsen wegen fehlender Ausbildungs- und Arbeitsplätze, aber auch wegen entwürdigender Niedriglöhne verlassen haben. Der Fachkräftemangel ist hausgemacht und kann nur dadurch überwunden werden, dass die sächsische Landespolitik endlich ihre Hausaufgaben macht.
Dazu gehört eine bessere Bildung mit längerem gemeinsamem Lernen für alle Kinder und eine verstärkte Förderung von Mittelstand, Handwerk und den Wirtschaftsbereichen, die besonders arbeitsintensiv und innovativ sind.
Wir haben nach baden-württembergischen Vorbild Innovationsgutscheine für kleine und mittelständische Unternehmen vorgeschlagen. Auf diese Weise könnten diese Betriebe, die das Gros der Arbeitsplätze in Freistaat schaffen, in den Genuss von Forschungsleistungen kommen und so ihre Produktivität verbessern und rascher neue Produkte entwickeln.
Zum guten Leben für alle gehören gute Löhne. Für die sächsische CDU sind niedrige Löhne ein Standortvorteil im internationalen Wettbewerb, aus Sicht der LINKEN sind niedrige Löhne ein Entwicklungshemmnis. Schlechte Bezahlung beschädigt Arbeitsmotivation und drückt langfristig die Qualifikation der Belegschaft. Wer weiß, dass er von seiner Arbeit sowieso nicht anständig leben kann, wird kaum geneigt sein, sich zusätzlich der Mühe ständiger Fortbildung zu unterziehen. Es entsteht eine Spirale der Resignation, die wiederum auf die wirtschaftliche Produktivität drückt.
Damit muss Schluss sein, entziehen Sie am 30. August jenen sächsischen Politikern die Stimme, die ständig Stimmung machen gegen gut bezahlte Arbeit!
Der Freistaat Sachsen kann durch’ s Vergaberecht viel tun, damit die öffentliche Hand mit ihren Aufträgen nicht nur Geld in die Unternehmen, sondern auch in die Geldbeutel der Beschäftigten bringt. Lohndumping darf nicht noch durch lukrative staatliche Aufträge belohnt werden!
Der Staat muss aber auch wieder bereit sein, industriepolitische Verantwortung zu übernehmen. Es kann mir keiner erklären, wieso Sachsen zwar eigene staatliche Weingüter und eine staatliche Porzellanmanufaktur besitzen muss, aber bei Schlüsseltechnologien der Zukunft abseits steht.
In Abwandlung eines bekannten Umwelt-Slogans rufe ich der sächsischen CDU zu: Erst wenn die letzte Speicherchip-Fabrik geschlossen ist, werdet ihr merken, dass man nur mit Meißner Porzellan in der Vitrine nicht überleben kann! Da hilft dann auch der Sachsenwein als Trostspender nicht, zumal er zu teuer ist, als dass man sich öfter ein Flächchen davon genehmigen könnte.
Wir LINKE wollen einen staatlichen Beteiligungsfonds für nachhaltige wirtschaftliche Entwicklung. Es war eine schwere wirtschaftspolitische Sünde, dass die sächsische CDU-Landtagsfraktion und ihr wie immer meinungs-, taten- und hilfloser Ministerpräsident eine vorübergehende staatliche Minderheitsbeteiligung bei Qimonda verhindert hat. Ein solches Engagement des Landes wäre auch eine vertrauensbildende Maßnahme für mögliche Investoren gewesen.
Ein Freistaat Sachsen, der an seine eigenen Hightech-Schmieden nicht glaubt, darf nicht ernsthaft erwarten, dass fernöstliche Fonds-Manager hier ein unternehmerisches Risiko eingehen. Ein mutloser Ministerpräsident ist ein Standortrisiko; die mutigen Sachsen haben sich beherzte Macher und nicht ängstliche Mitläufer an der Spitze der Staatsregierung verdient!
Ich werde deshalb fünf Tage vor der Landtagswahl ein wirtschaftspolitisches Programm für die kommende fünfjährige Wahlperiode vorstellen. Das wird eine sächsische Besonderheit, denn alle warten jetzt auf das obligatorische 100-Tage-Programm für die Zeit nach der Wahl, das man doch als Ministerpräsidenten-Kandidat vorstellen müsse.
Nun ist es allerdings so, dass wir leider 30 Tage schon dadurch verlieren, weil die CDU gegen unseren Vorschlag einen gemeinsamen Wahltermin für Landtags- und Bundestagswahl verhindert hat. Da es die SPD nicht wagen wird, vor der Bundestagswahl mit uns in Koalitionsverhandlungen einzutreten, wird wie so oft in den vergangenen fünf Jahren der sächsischen CDU/SPD-Koalition geräuschvolles Nichts produziert werden. Nach der Bundestagswahl sieht dann alles anders aus. Herr Tillich wird sich dann wohl nach einer neuen beruflichen Perspektive umschauen können, die seinen Neigungen eher entspricht als seine derzeitige Aufgabe.
Da man von Herrn Tillich nichts mehr hört und sieht, er dem Vernehmen nach kaum noch Interviews gibt und sich an keiner politischen Diskussion beteiligt, habe ich gestern mal auf seiner Homepage www.stanislaw-tillich.de nachgeschaut, was der Ministerpräsident Tillich gerade so für Sachsen tut. Und siehe da: Besonders für die „Beschreibung“ der Veranstaltung bin ich dankbar, wäre ich doch sonst auf die Idee gekommen, es handele sich nicht um das Dienstgeschäft des Ministerpräsidenten, sondern um Wahlkampf! So weiß ich jedenfalls schon, was ich am ersten Tag als neuer sächsischer Ministerpräsident tun würde: für eine neue Stellenbeschreibung dieses Amtes sorgen. Statt mich im Dienst vor Fernsehkameras auf Spielplätzen herumzutreiben, würde ich zwei Gesetzesnovellen in Auftrag geben: für einen Personalschlüssel von 1:10 in Kitas und für kostenloses Mittagessen für alle Kita- und Schulkinder!
: Dass wir als LINKE Opposition können, haben wir hier in Sachsen seit 1990 bewiesen. Jetzt wollen und werden wir zeigen, dass wie auch in der Lage sind Regierungsverantwortung zu übernehmen. Und eines kann ich Ihnen versprechen: Besser als Herr Tillich und seine CDU machen wir es allemal.
Sachsen ist bei der Landtagswahl für eine Überraschung gut, und danach erst recht!
Lassen Sie mich abschließend noch ein paar Sätze als Fraktionsvorsitzender der LINKEN im Landtag sagen:
Die Linksfraktion hat eine Bilanztour zu ihrer Arbeit in den letzten fünf Jahren veranstaltet, die Mitte Juni in Bautzen begonnen und vorgestern in Pirna und Heidenau ihren Abschluss gefunden hat. Wir haben Rechenschaft abgelegt, dazu auch Broschüren herausgegeben, die auf unseren Internet-Seiten www.linksfraktion-sachsen.de dokumentiert sind und auf Wunsch jedem Interessierten zugeschickt werden. Darin sind auch die Skandale der CDU-geführten Staatsregierung – Stichworte Landesbank und Sachsen-Sumpf – dokumentiert. Das ist die Geschichte.
Die Zukunft läuten wir heute in einer Woche auf einem Schaufelraddampfer auf der Elbe ein, wo ich gemeinsam mit Kerstin Kaiser aus Brandenburg und Bodo Ramelow aus Thüringen Medienvertretern aus ganz Deutschland deutlich machen werde, wie Sachsen und der Osten sozial regiert werden können. Es werden die Vorsitzenden aller LINKEN Landtagsfraktionen mit dabei sein, und die Zahl dieser Linksfraktionen wird ja durch den Zuwachs im Westen von Wahl zu Wahl größer. Und das ist gut so!
Meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Freunde, dieser Wahlkampfauftakt ist ein gutes Omen. Hier bei der LINKEN sind mehr Menschen als beim müden Wahlkampfstart der CDU, und die Stimmung ist auch viel besser als bei den Schwarzen. Das wird sich in den Stimmen für die Roten bei den Landtagswahlen niederschlagen, was wiederum die Stimmung im ganzen Land heben wird!
Damit es wirklich dazu kommt, machen wir jetzt fleißig und fröhlich Wahlkampf, und ich bitte Sie und Euch für die nächsten Wochen: Macht alle kräftig mit, dann werden wir auch Erfolg haben, und das wird Sachsen gut tun!
Herzlichen Dank!