Rede zu rechtsextremen Übergriffen in Hoyerswerda und zum Versagen der örtlichen Polizei

(Anrede)

 

Vor zwei Tagen haben die Koalitionsfraktionen von CDU und FDP den Haushaltplan für die kommenden beiden Jahre beschlossen und sich selbst dabei überschwänglich gelobt, auch was die innere Sicherheit in unserem Land anbelangt.

Dass die Realität in Sachsen anders aussieht, hat nicht nur die Opposition hier im Landtag immer wieder betont, deren Anträge zum Stopp des Personalabbaus bei der Polizei allesamt abgelehnt wurden, nein, das haben auch die jüngsten Vorfälle in Hoyerswerda in erschreckender Art und Weise dokumentiert, die wieder einmal bundesweit für Negativ-Schlagzeilen sorgten.

 

Was war geschehen? Ein junges Paar hatte sich über diverse Nazi-Aufkleber in der Stadt nicht einfach nur geärgert, sondern diese auch mehrfach von Laternen, Fenstern und Gebäuden entfernt.

Das allein reichte aus, dass sie am 17. Oktober dieses Jahres von 15 Neonazis in ihrem Wohnhaus aufgesucht wurden und vor ihrer Wohnungstür derart massiven Bedrohungen ausgesetzt wurden, dass sie in ihrer Not die Polizei zur Hilfe rufen mussten.

 

Zwar kam dann auch ein Streifenwagen, doch die beiden Polizeibeamten sahen sich außer Stande, den Angreifern Paroli zu bieten und forderten daher Verstärkung an, die von auswärtigen Revieren erst lange Anfahrtswege zurücklegen musste, ehe sie in Hoyerswerda eintraf. Soviel zum Thema ausreichende Polizeipräsenz in Sachsen!

Öffentlich wurde die Angelegenheit durch einen Beitrag im MDR-Magazin „exakt“. Nach der Berichterstattung sollen die rechten Angreifer erst nach knapp zwei Stunden und von den anwesenden Polizisten weitgehend unbehelligt den Tatort verlassen haben.

Nach jetzigem Kenntnisstand waren zu diesem Zeitpunkt im Übrigen durch die Polizei noch nicht einmal deren Personalien festgestellt worden. Das geschah erst später an einer benachbarten Tankstelle.

 

Bei ihrem Abgang skandierten die Täter im Übrigen lautstark „ANH“. ANH steht für Autonome Nationalisten Hoyerswerda. Dabei handelt es sich offenbar um jene rechtsextremistische Gruppierung, von der am 21. September dieses Jahres gegen eine Demonstration zur Erinnerung an die ausländerfeindlichen Massenausschreitungen in Hoyerswerda von 1991massive Provokationen ausgegangen waren.

 

Doch auch nachdem am 17. Oktober dann endlich ausreichend Polizei vor Ort war, wurde den Opfern nicht wirklich geholfen, sondern ihnen stattdessen nahegelegt, die Stadt zu verlassen, weil man ihre Sicherheit nicht mehr gewährleisten und sie nicht wirksam schützen könne. Es ist völlig egal, ob das als vorübergehende oder gar dauerhafte Maßnahme geplant war – für mich ist das die Kapitulation des Staates vor den Nazis, und genau das dürfen wir nicht zulassen!

 

In dem bereits erwähnten MDR-Beitrag wurde der Sprecher der Polizeidirektion Oberlausitz-Niederschlesien dazu mit den Worten zitiert:

„Es ist einfacher, zwei Personen von einem Ort an einen anderen, sicheren Ort zu verbringen, als 30 Personen zu bewachen oder permanent fünf Funkstreifen vor ein Haus zu stellen.“ Ich frage: Wo sind wir eigentlich hingekommen in diesem Land?

Wir als LINKE teilen hier ausdrücklich die Position des jetzigen Leipziger Polizeipräsidenten Bernd Merbitz, der gegenüber dem MDR folgendes erklärte (Zitat): „Es kann nicht sein, dass man Leuten, die in Gefahr sind, die bedroht werden,… nun als ultima ratio anbietet, die Stadt zu verlassen. Es ist unsere Pflicht und Schuldigkeit, Menschen zu schützen.“ (Ende des Zitats)

Der Mann hat absolut recht, aber umso mehr fragt man sich, warum Innenminister Ulbig gerade diesen Beamten vor wenigen Monaten als Landespolizeipräsidenten in Sachsen abgesetzt hat.

 

Der jüngste Vorfall in Hoyerswerda wirft viele Fragen auf. Ich kann hier nur einige nennen.

Wie kann es sein, dass heute vielleicht 30 Neonazis das Klima einer ganzen Stadt vergiften und teilweise sogar dominieren? Warum hat man aus den ausländerfeindlichen Ereignissen von 1991 in Hoyerswerda scheinbar nur sehr wenig gelernt? Inwieweit hat die Polizei an fraglichen Tag in Hoyerswerda und hat vor allem auch die Staatsanwaltschaft bei der Verfolgung offenkundiger Straftaten die ihnen gesetzlich zugewiesenen Aufgaben im vorliegenden Fall tatsächlich wahrgenommen? Und schließlich: Was soll man davon halten, wenn hochrangige Polizeibeamte nach der medialen Berichterstattung versucht haben, die Opfer bei einem Besuch an deren Zufluchtsort dahingehend zu beeinflussen, dass es für sie doch vielleicht besser wäre, sich dergestalt zu äußern, dass sie selbst es gewesen seien, die aus Angst darum gebeten hätten, aus Hoyerswerda weggebracht zu werden?

Für mich persönlich ist gerade der letzte Punkt von besonderer Bedeutung, denn das, was jetzt in Hoyerswerda passiert ist, ist letztlich leider kein Einzelfall.     

Immer häufiger sind es die Opfer, die ihre Heimat oder ihren langjährigen Wohnsitz nach rechten Attacken verlassen müssen, sei es der Schüler in Limbach-Oberfrohna oder seien es andere junge Leute in unzähligen Kleinstädten.

In Geithain gab es Anfang diesen Jahres mehrere Übergriffe auf eine Pizzeria – erst im Mai beim fünften Vorfall, bei dem es zu einer Explosion kam, interessierte man sich seitens der Polizei ernsthaft dafür – der Betreiber musste sein Geschäft schließlich dennoch aufgeben. 

 

Und auch in Hoyerswerda gab es ja auch schon vor den jüngsten Ereignissen erhebliche Beeinträchtigungen durch rechtsradikale Bedrohungen. Mehrere Medien, u.a. der Berliner „Tagesspiegel“, berichteten über zwei junge Männer, die aus Angst um Leib und Leben die Stadt verlassen haben. Sie wollen namentlich nicht genannt werden, weil ihre Eltern immer noch dort wohnen. Ich frage erneut: Wo sind wir eigentlich hingekommen?

 

Fakt ist: Bei Gewaltandrohung – von wem auch immer – hat jeder das Recht auf Schutz, und zwar vor Ort und in seinem gewohnten Umfeld. Dies darf nicht nur für besondere Persönlichkeiten gelten.

Und entgegen aller gängigen Klischees:  Die Opfer von Hoyerswerda waren keine Ausländer, sie sind auch keine Aktivisten der Antifa – sie haben schlicht und einfach neofaschistische und rassistische Aufkleber entfernt! Allein dadurch störten sie die Nazis! Sie mussten ihre Heimat verlassen und wurden von einem Polizisten aus der Stadt gebracht.

Das Urteil des „Tagesspiegel“ ist eindeutig: „Sollte das zutreffen – was ist das hier in Hoyerswerda? Das ist Staatsversagen. Ein Staat ist nicht in der Lage, seine Bürger vor Gewalt zu schützen. Er verliert damit einen der gewichtigsten Gründe für seine Existenz.“

Drastischer kann man es kaum formulieren.

Einer, der Hoyerswerda – wie er sagt – aus Angst und Hilflosigkeit verlassen hat, sagte gegenüber dem „Tagesspiegel“: „Die Nazis testen aus, wie weit sie gehen können, seit Jahren. Und weil sie keiner aufhält, gehen sie dann immer weiter.“ Ich meine, wir alle, alle Demokraten sind gefordert, sich dem entschlossen entgegenzustellen! 

Und natürlich steht auch und gerade die Staatsregierung in der Pflicht,  in Wahrnahme ihrer exekutiven Verantwortung für eine solche Organisation, Struktur und Funktionsweise der Strafverfolgungsbehörden zu sorgen, die eine effiziente und wirksame Strafverfolgung von politisch motivierter Gewaltkriminalität sicherstellt und die den Schutz der Bürgerinnen und Bürger vor rechter Gewalt und Bedrohung überall in Sachsen garantiert. Darüber hinaus muss aus unserer Sicht unbedingt auch der Opferschutz und die Opferhilfe gestärkt werden.  

Wegschauen und Verharmlosen ist mit Sicherheit der falsche Weg! Und falsch ist auch der Abbau weiterer Stellen bei der Polizei, den CDU und FDP beschlossen haben. Deshalb abschließend meine Forderung: Korrigieren Sie diesen Fehler – die Menschen in Hoyerswerda und anderswo haben einen Anspruch auf sicheren Schutz und schnelle Hilfe in Notfällen.

 

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