Rede während der Aktuellen Debatte auf Antrag der Fraktionen CDU und FDP zum Thema „Standards auf dem Prüfstand – Steuergeld verantwortungsvoll einsetzen“

011. Sitzung des 5. Sächsischen Landtages, 30.03.2010

Rede von MdL Dr. André Hahn während der Aktuellen Debatte auf Antrag der Fraktionen CDU und FDP zum Thema „Standards auf dem Prüfstand – Steuergeld verantwortungsvoll einsetzen“

Es gilt das gesprochene Wort

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren,

dass was uns die Koalitionsfraktionen von CDU und FDP mit dieser Aktuellen Debatte und insbesondere auch mit ihren einführenden Redebeiträgen angeboten haben, ist schlicht und einfach eine Zumutung für diesen Landtag!

Der Titel für die Diskussion lautet: „Standards auf den Prüfstand – Steuergeld verantwortungsvoll einsetzen.“ Nun nimmt sicher jede Fraktion hier in diesem Haus in Anspruch, mit Steuergeldern verantwortungsbewusst umgehen zu wollen. Und natürlich muss man immer wieder auch bestimmte Standards auf den Prüfstand stellen. Die entscheidende Frage aber ist: Welche Standards werden überprüft und vor allem: Welche Konsequenzen ergeben sich daraus für die aktuelle Politik und auch für die Haushaltsplanung?

Darauf erwarten die Menschen im Land von der Regierung unter Ministerpräsident Tillich endlich klare Antworten. Sie wollen wissen, woran sie sind, was auf sie zukommt, worauf sie sich einstellen und wogegen sie sich gegebenenfalls auch zur Wehr setzen müssen.
Doch zu alledem so gut wie nicht in den bisherigen Redebeiträgen der Koalitionäre. Soviel Unklarheit, soviel Chaos und soviel fehlende Orientierung gab es seit 1990 wohl noch nie in einer sächsischen Landesregierung!

Nun nimmt ja die FDP für sich in Anspruch, das Modernisierungselement dieses unübersehbar stotternden Regierungsmotors zu sein, wie Herr Zastrow wiederholt lauthals verkündete.
Dass der FDP-Chef als Minister nicht geeignet ist, hat er noch rechtzeitig selbst erkannt. Aber warum hat er uns dann Herrn Morlok präsentiert? Dass Zastrow, Herbst und Co. inzwischen auch bei Kommunikation und Eigenwerbung massiv schwächeln, war so nicht unbedingt zu erwarten.
Umso gespannter waren viele, war auch ich auf den Chemnitzer Landesparteitag. Aber außer unqualifizierter Medienschelte wird davon nicht viel in Erinnerung bleiben.
Aufschlussreich allerdings war die Selbstbeurteilung der FDP durch ihren Parteichef. O-Ton Zastrow: „Wir sind eine Gefahr für alle Besitzstandswahrer, für alle Umverteiler, für alle Verharrer und für alle, die sich so bequem auf Steuerzahlerkosten in unserem Land eingerichtet haben. Denn: Wir nehmen weg. Wir fordern ein. Wir stellen infrage.“ (Ende des Zitats)

Das war denn ausnahmsweise doch mal Klartext. In der Tat: Sie nehmen weg – Sie nehmen bei den Bedürftigen und geben denen, die ohnehin schon genug haben. Sie fordern wirklich ein: Zum Beispiel eine schlanke Verwaltung und sorgen dann selbst für deren Aufblähung, um Parteifreunden lukrative Posten zu verschaffen, egal ob sie die Ausbildung dafür haben oder auch nicht. Und ja, es stimmt: Sie stellen infrage, zum Beispiel das in der Verfassung verankerte Sozialstaatsgebot oder auch das längere gemeinsame Lernen an den wenigen Gemeinschaftsschulen, die wir haben, obwohl sie gerade mit diesem Thema Wahlkampf
gemacht haben. Doch auch ihr Motto lautet offenbar: Was schert mich mein Geschwätz von gestern?

Doch Sie werden sich gefallen lassen müssen, dass wir Sie damit konfrontieren, aber vor allem wollen wir natürlich endlich wissen, was Sie künftig zu tun gedenken, welche Standards Sie ändern und welche vermeintlich unnötigen Wohltaten Sie abschaffen wollen.

Dazu aber war weder von der CDU noch von der FDP bislang etwas Konkretes zu hören. Die Abschaltung von Ampeln, die angeblich den Verkehr behindern oder die Absenkung von Brandschutzbestimmungen bei Bauvorhaben wollen sie doch wohl nicht ernsthaft als politische Projekte verkaufen.
Herr Präsident, meine Damen und Herren,
Ministerpräsident Tillich hat kürzlich mit Blick auf den kommenden Doppelhaushalt in einem Interview erklärt, für ihn gebe es keine Schonbereiche. Für DIE LINKE sage ich hier ganz klar. Rasenmäher sind völlig ungeeignete politische Gestaltungsinstrumente! Wir haben uns festgelegt: Keine Kürzungen bei der Bildung und bei sozialen Standards. Und natürlich brauchen wir auch einen Schutzschirm für die Kommunen. Das sind ganz klar unsere drei Schonbereiche. Mit diesen Prämissen gehen wir in die Haushaltsdebatte.

Doch was will die Regierung, was will die Koalition? Wo sind denn Ihre Vorschläge zur Verwaltungsmodernisierung. Wo ist Ihr Antrag zur Auflösung der Landesdirektionen, zur Schaffung einer gemeinsamen Förderbank oder auch eines gemeinsamen Statistischen Landesamtes für Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen. Hier sind wir durchaus gesprächsbereit.

CDU und FDP aber schweigen immer, wenn es wirklich ernst wird und vor allem, wenn es an ihre Besitzstände geht. Und Sie weigern sich, den Bürgerinnen und Bürgern im Land die Wahrheit über ihre Kürzungspläne zu sagen.
Ich erwarte hier und heute endlich klare Aussagen vom Ministerpräsidenten:
Wollen Sie den Betreuungsschlüssel an Kitas verschlechtern – ja oder nein? Stimmt es, dass die Klassenstärken angehoben und damit weitere Schulschließungen in Kauf genommen werden? Gibt es ernsthaft Überlegungen, Hochschulen in Sachsen zu schließen, und falls ja, wo soll das geschehen? Sind die nebulösen Aussagen der FDP auf ihrem Parteitag so zu verstehen, dass durch die Hintertür nun doch Studiengebühren eingeführt werden sollen? Trifft es zu, dass beim Kulturraumgesetz Kürzungen in zweistelliger Millionenhöhe geplant sind und welche praktischen Auswirkungen hätte dies in den Kulturräumen?
Und schließlich: Glauben Sie wirklich, junge Lehrer und Polizisten nach Sachsen holen zu können, wenn Sie aus der Tarifgemeinschaft deutscher Länder einfach austreten? Ich könnte noch viele Fragen stellen, die Zeit erlaubt es nicht.

Herr Präsident, meine Damen und Herren,
kein Ministerpräsident kann auf Dauer farblos bleiben. Herr Tillich, bekennen Sie hier und heute öffentlich Farbe. Sagen Sie den Menschen, wohin Sie das Land steuern wollen. Wenn Sie es nicht tun, wird bei immer mehr Bürgerinnen und Bürgern die Einsicht wachsen: Noch nie wurde Sachsen so schlecht regiert wie heute!

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