Rede in der Generaldebatte zum Landeshaushalt 2009/2010

125. Landtagssitzung, 9.12.2008
Rede in der Generaldebatte zum Landeshaushalt 2009/2010

Es gilt das gesprochene Wort!

Anrede//

Was heute hier zur Beschlussfassung vorliegt, ist so, wie die Koalition von CDU und SPD sich seit ihrem Amtsantritt präsentiert. Es ist ein Haushalt der Stagnation und der Einfallslosigkeit, und er ist zudem mit heißer Nadel gestrickt und auf Kante genäht.

Kurt Biedenkopf hat einmal gesagt, dass Geld und Gesetze die beiden wichtigsten Instrumente der Politik sind. Insofern ist das Haushaltsgesetz gewissermaßen das Konzentrat der Landespolitik, und deshalb haben wir als stärkste Oppositionsfraktion erneut einen Alternativen Haushaltsansatz vorgelegt, um zu zeigen, was wir anders machen wollen: Mehr investieren, Sachsens Kinder und die sächsische Wirtschaft zum Schwerpunkt der landespolitischen Förderstrategie machen – das ist unsere Antwort auf die größten aktuellen Herausforderungen.

Das, was das Kabinett Tillich hier als Regierungsentwurf präsentiert hat und was die Koalitionsfraktionen nicht substanziell zu verbessern vermochten, wird diesen Herausforderungen nicht gerecht.
Das von uns seit zwölf Jahren geforderte beitragsfreie Vorschuljahr einzuführen, ist zwar schön und gut, aber zugleich ein markantes Beispiel für das gesellschaftspolitische Schneckentempo der von der CDU geführten Staatsregierung.

Dass Sachsens Investitionsquote in der Zeit der Rezession sinkt, ist ein schwerer Fehler und zeugt von der Saft- und Kraftlosigkeit einer Koalition in Endzeitstimmung.

Geradezu unbegreiflich ist aber, dass Sie, werte Damen und Herren der Koalitionsfraktionen, das einzige konkrete Versprechen des neuen Ministerpräsidenten in seiner ersten Regierungserklärung vom Sommer gebrochen haben: Der Betreuungsschlüssel in den Kindertagesstätten wird entgegen der klaren Zusage nun doch nicht verbessert.

Offenbar hatte Herr Tillich nicht nur vor der Wende trotz einer vergleichsweise hohen Staatsfunktion eigentlich nichts zu sagen, sondern auch jetzt nicht. Der Sprung vom Stellvertreter des Vorsitzenden des Rates des Kreises zum Ministerpräsidenten hat also in punkto tatsächlicher Wirksamkeit wohl nicht viel gebracht.
Wenn wir heute in der Generaldebatte zum Haushalt eine Grundsatzdiskussion über die Zukunft Sachsens führen – zum letzten Mal in dieser Wahlperiode –, dann kommen wir um das Thema der letzten beiden Wochen nicht herum. Sie wissen, Herr Ministerpräsident, dass ich meinen Beitrag zu Ihrem Umgang mit der eigenen Vergangenheit auf das Allernötigste beschränkt habe, zumal ich weiß, dass die führende Rolle bei der SED und nicht bei der CDU lag. Was ich Ihnen vorwerfe, ist nicht Ihre Funktion zu DDR-Zeiten, sondern die Art und Weise, wie Sie heute damit umgehen. Ich will zu diesem Thema nur drei kurze Bemerkungen machen.
Zum einen finde ich es ziemlich misslich, wenn der bislang farb- und konturlos vor sich hin verwaltende Ministerpräsident des größten ostdeutschen Bundeslandes einer breiten Öffentlichkeit jenseits der Grenzen unseres Landes erst und ausschließlich dadurch bekannt wird, dass er 18 Jahre lang wesentliche Punkte seiner politischen Vergangenheit verschwiegen hat. Dazu passt, dass auch beim CDU-Bundesparteitag in der Diskussion über die politische Bewertung der „Blockpartei CDU“, ein Thema, dem Sie, Herr Tillich, zuvor in der bundesweiten Diskussion ein Gesicht gegeben haben, aus Ihrem Mund nichts zu hören war. Wer so mit Vergangenheit umgeht, kann kaum die Zukunft gestalten.

Zweitens, und das ist fast noch wichtiger: Vor dem Gesetz sind im Rechtsstaat alle gleich. Das konnte man über die DDR leider so nicht sagen, die auch deshalb kein Rechtsstaat war.
Niemand wirft Ihnen, Herr Tillich, Ihre Vergangenheit vor – wenn Sie das fortgesetzt behaupten oder gar noch einen Ost-West-Konflikt konstruieren, legen Sie falsches Zeugnis wider Ihre Nächsten ab! Was nicht nur wir Ihnen vorwerfen, ist eine himmelschreiende Doppelmoral:

Herr Ministerpräsident, in einem Gespräch mit dem Berliner „Tagesspiegel“ haben Sie vor wenigen Tagen davor gewarnt, die Aufarbeitung der DDR-Vergangenheit politisch zu instrumentalisieren. Kein Widerspruch – aber warum haben Sie und Ihre Partei dann über 18 Jahre lang genau das getan?

Nach der Wende wurden in Sachsen Zehntausende Menschen wegen politischer Funktionen oft weit unterhalb des Stellvertreters des Rates des Kreises aus dem öffentlichen Dienst des Landes und der Kommunen entfernt. Lehrer und Hochschullehrer wurden wegen angeblich zu großer „Staatsnähe“ in der DDR entlassen, während man bei Polizisten, die man brauchte, auch schon mal den früheren Vorsitzenden eines Rates des Kreises verbeamtete.

Wir erlebten peinliche Rote-Socken-Kampagnen und nun, gewissermaßen als unrühmliche Krönung, die geschmacklose Gleichsetzung von Linken und Nazis mit der Pseudo-Begründung, man müsse das wegen der Vergangenheit so sehen. Die Union hat aber heute kein Problem damit, dass inzwischen alle ostdeutschen CDU-Mitglieder im sächsischen Kabinett früher so genannte „Blockflöten“ waren.

Und nun kommt der Ministerpräsident mit weinerlichen Erklärungen daher, bettelt darum, als angeblich normale ostdeutsche Biografie in Ruhe gelassen zu werden, und warnt vor der Stigmatisierung eines Lebenslaufes, den die CDU bei einem Politiker der LINKEN mit Sicherheit als typisches Beispiel für aktive Verstrickung in den Machtapparat des SEDUnrechtsregimes gegeißelt hätte.

Die dritte und letzte Bemerkung zu diesem Thema: Wenn man die Diskussionen der letzten Wochen mal zusammenfasst, dann gibt es im Kern eigentlich nur zwei Möglichkeiten:
Entweder war die DDR durch und durch ein Unrechtsstaat, dann hätte Herr Tillich qua herausgehobenem Amt aktiv an diesem Unrecht mitgewirkt und müsste sich fragen lassen, wie er heute glaubwürdig den Freistaat Sachsen repräsentieren kann. Oder aber, es gab tatsächlich auch ein paar gute Gründe, sich in der DDR in politische oder gesellschaftliche Verantwortung zu begeben – das muss dann aber für alle gelten und nicht nur für Mitglieder der CDU!

Wenn die ganze Diskussion ein Gutes hat, dann den Umstand, dass die CDU nun ihre geplante Wahlkampfstrategie für 2009 mit der Schlammschlacht gegen DIE LINKE wegen der DDRVergangenheit wohl komplett korrigieren muss. Darauf hat Kollegin Hermenau zu Recht mehrfach hingewiesen.
Aufarbeitung der Geschichte ist und bleibt notwendig. Doch die politischen Grabenkämpfe darüber sollten nach fast 20 Jahren endlich eingestellt werden. Wir brauchen eine offene Debatte ohne Druck und Drohungen, um die Vergangenheit komplex aufarbeiten zu können und zu einem angemessenen Umgang mit DDR-Biografien zu kommen. Wir sind dazu bereit und auch die CDU sollte hier endlich ihren Beitrag leisten.

Das würde zudem die Chance eröffnen, sich im kommenden Wahlkampf wieder den tatsächlichen Problemen der Menschen im heutigen Sachsen zuzuwenden und in einen demokratischen Wettstreit um die besten Lösungen einzutreten.

Damit bin ich dann auch wieder beim Etatentwurf für die kommenden beiden Jahre. Haushaltspolitik ist nicht nur die Sache nackter Zahlen und des formalen Ausgleichs zwischen Einnahmen und Ausgaben, sondern hat viel mit Vertrauen zu tun. Es verhält sich ähnlich zur Wirtschaftspolitik, dort ist bekanntlich in der Marktwirtschaft 50 Prozent Psychologie.

Es ist richtig, dass im vorliegenden Haushaltsentwurf keine neue Nettokreditaufnahme veranschlagt ist. Es steht dort eine Null. Der Vertrauenskredit der Linksfraktion gegenüber dem Ministerpräsidenten steht allerdings auch auf Null.

Ich möchte Ihnen erläutern, warum wir Ihrer Haushaltspolitik nicht trauen:
Wer soll einer Staatsregierung vertrauen, die sich in allen Gremien des Landtages permanent der Debatte über die Verwendung von einer Milliarde Euro Mehreinnahmen im laufenden Haushaltsjahr 2008 entzieht? Das schafft Misstrauen und entzieht im Prinzip schon die Geschäftsgrundlage für eine solide Debatte zum Doppelhaushalt.

Wie soll man einem Ministerpräsidenten vertrauen, der in seinem Haushaltsentwurf die Verbesserung des Betreuungsschlüssels in Kindergärten auf 1:12 vorschlägt und sich im Haushaltsverfahren davon sang- und klanglos verabschiedet?

Wer soll einem Kabinett vertrauen, das am 18. November 2008 per Pressemitteilung ein so genanntes „Arbeitsplatzstabilisierungsprogramm“ verkündet, dessen Inhalt aber nicht offen legt, damit sich der Diskussion in den laufenden Etatberatungen entzieht und nicht offen legt, in welchem Umfang Haushaltsmittel in diesem Programm zum Einsatz kommen sollen und aus welchen Haushaltstiteln diese gesichert werden?

Wie soll man einem Ministerpräsidenten vertrauen, der in einer Regierungserklärung dem Landtag die Verhandlungsergebnisse zum Finanzmarktstabilisierungsgesetz mitteilt, in deren Konsequenz der Freistaat Sachsen ein Haushaltsrisiko von 344 Mio. Euro verpflichtend übernimmt, das dann in den folgenden Haushaltsberatungen zum Tabuthema wird und keinerlei Veranschlagung im jetzt vorliegenden Beschlussentwurf findet?

Wie soll man einem Finanzminister vertrauen, der die Haushaltsrücklage des Freistaates Sachsen von 245 Mio. Euro faktisch zur Deckungsreserve der Koalition umwidmet und damit zum Selbstbedienungsladen für Fraktionswünsche von CDU und SPD erklärt?

Die tatsächliche Lage im Land wird weichgespült und schöngeredet. Wir haben es eben wieder in der Rede des Ministerpräsidenten erlebt. Wenn es kritische Fragen gibt, verweist man gern darauf, dass es um Sachsen-Anhalt und Mecklenburg-Vorpommern schlechter steht. Doch das ist kein Kunststück. Sachsen stand in seiner Geschichte immer besser da aufgrund seiner Potenziale.

Die Linke ist heute die politische Kraft in Sachsen, die für eine echte gesellschaftliche Alternative steht. Wir wollen eine bessere Perspektive für die Menschen, für das Land: Dafür arbeiten wir. Unsere Devise heißt: Jede und jeder soll in Würde leben können. Und dafür haben wir konkrete Vorschläge.

Hätte die Staatsregierung nur einige dieser Vorschläge eher übernommen, so wären dem Land immense Folgekosten und soziale Verwerfungen ersparen geblieben. Dazu nur drei Beispiele:

1. Über ein Jahrzehnt lang haben Sie trotz unserer Warnungen weiter auf verlorene Zuschüsse gesetzt, um Großunternehmen ins Land zu locken, was zu Beginn der 90er Jahre noch richtig war. Doch bereits Ende der 90er Jahre zeigte sich, dass es den Landeshaushalt überfordert.
Seit kurzer Zeit diskutiert auch die Koalition über revolvierende Fonds, also darüber, dass man dafür sorgen muss, dass die Unternehmen die Fördergelder auch wieder zurückzahlen.
Erst der Druck der EU, die angekündigt hat, die Mittel für Ostdeutschland drastisch zu reduzieren, zwang Sie umzudenken.
Selbst im aktuellen, wenige Wochen alten Bericht der Enquetekommission „Demografischer Wandel“ musste meine Fraktion per Minderheitenvotum die Einführung revolvierender Fonds zur Sprache bringen, selbst zu diesem Zeitpunkt haben sie sich noch immer nicht dazu bekennen wollen.

2. Fast zwei Jahrzehnte lang haben Sie es hingenommen, dass jährlich Tausende die sächsische Schule ohne Abschluss beenden. 80.000 Schülerinnen und Schüler haben so die sächsische Schule ohne eine berufliche Perspektive verlassen. Erst seit vor einiger Zeit klar wurde, dass es in Sachsen einen Fachkräftemangel geben könnte, überlegen Sie, wie die Abbrecherzahlen gesenkt werden können.

3. Als wir 1996 das kostenlose Vorschuljahr einforderten, hat die CDU uns vorgeworfen, dass wir die DDR wieder einführen wollten und ihre üblichen Hohelieder auf Ihre Schul- und Familienpolitik angestimmt. Nun sind sie selbst zu der Erkenntnis gekommen, dass ein kostenloses Vorschuljahr nötig sei. Ich beglückwünsche Sie dazu. Aber wir haben eben zwölf Jahre verloren.

Sachsen ist auch deshalb heute weit entfernt davon, das Musterland zu sein, welches die CDU andauernd beschreibt. Es ist nicht schlechthin die innovative Region in Europa. Es ist aber auch nicht das Armenhaus. Die Probleme, mit denen wir es zu tun haben, wurzeln teils auch in früheren Sünden. In allererster Linie aber haben wir auch in Sachsen in den letzten zwei Jahrzehnten dem Kohlschen Irrtum nachgehangen, dass es nur eines anderen wirtschaftlichen und politischen Systems bedürfte – und umgehend würden die Landschaften erblühen. Im Grunde wurde an die Fünfziger Jahre erinnert in der alten BRD und gedacht, es ginge eben wieder so gut.

Heute wissen wir: Der Traum ist vorbei. Wir müssen von dem ausgehen, was wir haben: Und wir müssen uns einordnen in die weltweiten Prozesse.

Und dabei ist es vor allem die Frage nach der sozialen Gerechtigkeit, die uns umtreibt. Die soziale Entwicklung ist derzeit die hauptsächliche Herausforderung: Konkret gilt für Sachsen:
Die Gesellschaft in Sachsen driftet auseinander. Der soziale Zusammenhalt schwindet. Soziale Spaltungen in der Gesellschaft und sinkendes politisches Engagement gehen Hand in Hand.
Das zeigt sich an den Wahlurnen, an sinkender Bereitschaft der Bürgerinnen und Bürger, sich politisch zu engagieren. Auch in Sachsen entsteht eine Kluft zwischen unten und oben. Das hat Folgen.

Viele, zu viele Menschen kehrten und kehren Sachsen den Rücken. Dies ist nicht ein Anzeichen von gern hoch gepriesener Mobilität, sondern zeigt, dass Sachsen seinen Kindern zu wenig Perspektive gibt. Dies verschärft das ohnehin große demografische Problem des Landes noch weiter.

Die wirtschaftlichen Erfolge des Landes drohen zu stagnieren. Das Bruttoinlandsprodukt ist zu niedrig. Auch Leuchttürme, z. B. der Mikroelektroniksektor, scheinen akut gefährdet. Es gilt, einer solchen Entwicklung entgegenzuwirken. Politik steht hier in Verantwortung.

Unsere Herausforderungen sind im Kern keine anderen, als die, vor denen auch andere Regionen in Deutschland und Europa stehen. Der Übergang von einer klassischen Industriegesellschaft zu einer eines anderen Typs findet statt und muss gestaltet werden. In diesem Zusammenhang wird oft von der Wissensgesellschaft gesprochen und den guten Voraussetzungen Sachsens hierfür. Diese sind auch auf den ersten Blick keinesfalls schlecht, wenn wir die wissenschaftlichen Einrichtungen betrachten. Aber die Gesamtsituation schlägt auch hier zurück. Die geburtenschwachen Jahrgänge werden immer mehr relevant. Wir haben auch sinkende Zahlen beim Erreichen der Hochschulreife.
Und ein Niedriglohnland ist eben auch wissenschaftlich nicht attraktiv. Statt Zuwanderung haben wir weiter Abwanderung.

Weltoffenheit und Toleranz sind heute die Grundbedingungen für eine erfolgreiche Zukunft schlechthin. Sachsen kann hier an seine Geschichte positiv anknüpfen. Sachsen hat dafür die kulturelle Substanz. Aber wir müssen uns dessen bewusst werden. Und davon ausgehend müssen wir Sachsen gestalten.

Zunächst zum Thema: Soziale Alternativen – Soziale Innovationen. Eine vorsorgende Sozialpolitik hat zum Ziel der Gesellschaft langfristig Folgekosten zu ersparen und so Gestaltungsspielräume zu erhalten bzw. neue zu schaffen. Innovationen sollen das Leben der Menschen verbessern, nicht nur erleichtern.

1. Ein gesundes Leben muss möglich sein. Wir wollen die bestmögliche medizinische Versorgung, auch und insbesondere auf dem Lande. Wenn man Mittel für soziale Alternativen bereitstellt, dann sind dies nicht nur konsumtive Mittel. Sachsen muss wieder in seine Krankenhäuser investieren, damit diese auf den neuesten Stand kommen. Der Investitionsstau im Krankenhausbereich ist unübersehbar. Die Krankenhäuser haben versucht, Rücklagen für Investitionen zu bilden. Inzwischen geben sie diese Rücklagen für die Bezahlung der Ärzte, Krankenschwestern und Pfleger aus, welche nach einem erbitterten Tarifstreit endlich höhere Löhne durchgesetzt haben. Aber wenn Landespolitik nicht erkennt, dass es hier ein Problem gibt und stattdessen die Investitionen im Krankenhausbereich kürzen will, dann ist sie weit weg vom realen Leben und steht zu Recht in der Kritik. Deshalb planen wir in unserem Alternativen Doppelhaushalt 50 Mio. Euro mehr ein als die Regierung.

2. Die medizinische Versorgung auf dem Land muss weiter gewährleistet bleiben. Dafür müssen in einem ersten Schritt 4 Mio. Euro eingesetzt werden.

3. Barrierefreiheit gehört zu einem selbstbestimmten Leben. Es kann nicht sein, dass Menschen mit Handicap wieder verstärkt auf die Hilfe Dritter angewiesen sind. Barrierefreiheit kann man nur bauend schaffen. Wir wollen hier mit 5 Mio. Euro pro Jahr beginnen.

4. Was spricht dagegen, dass das Mittagessen, das wir für alle Kinder und Jugendlichen kostenfrei bieten wollen, in der Region produziert oder sogar direkt in den Kitas und an den Schulen gekocht wird? Wir müssen dafür sorgen, dass die Mittel – immerhin 76,6 Mio. Euro 2009 und 183,6 Mio. Euro im Jahr 2010 – nicht den großen Catering-Firmen zufließen, die mit Billig-Jobs die Essen herstellen, diese schon am frühen Vormittag ausliefern und kaum regionale Erzeugnisse nutzen. Damit wäre Sachsen nicht gedient.

5. Hartz IV und all die Billig-Jobs haben dafür gesorgt, dass es immer mehr Betroffene gibt, die auf das Angebot der sächsischen Tafeln angewiesen sind. Wenn dies aber nun leider nicht von heute auf morgen zu ändern ist, müssen wir in die Tafeln 4 Mio. Euro investieren. Sie brauchen Kühltechnik, sie brauchen Regale, sie brauchen Helfer.

6. Auch das Familiensozialticket, für das wir 20 Mio. Euro einplanen, soll soziale Ungerechtigkeiten abbauen.

7. Jeder muss die Möglichkeit haben, unabhängig von seinem Einkommen, seine Rechte einklagen zu können. Deshalb wollen wir insbesondere im Interesse einkommensschwacher Menschen die Mittel für die Prozesskostenhilfe, die angesichts der zunehmenden Zahl von Auseinandersetzungen vor den Sozial- und Arbeitsgerichten in keiner Weise ausreichen, um 3 Mio. Euro erhöhen.

8. Alle Kinder sollen die Chance haben, ins Ferienlager zu fahren. Doch es gibt viele Familien, die können die 150 und mehr Euro je Woche nicht bezahlen. Deshalb planen wir hier 6 Mio. Euro ein.

9. Nach wie vor gibt es in Sachsen zu wenige Angebote in der Jugendarbeit wie auch in der Jugendhilfe. Manche Regionen haben keinen einzigen Streetworker. Oftmals gibt es für gefährdete Kinder und Jugendliche keine präventiven Angebote. Statt dessen, reagiert man erst, wenn „das Kind in den Brunnen gefallen“ ist. Dann muss das Kind ins Heim, der Jugendliche unter Umständen ins Gefängnis. Ein Heimplatz (abhängig vom psychologischtherapeutischen Bedarf) kostet zwischen 110 – 170 Euro/Tag. Ein Platz im Gefängnis schlägt mit 76 Euro am Tag zu Buche. Jeder dieser Plätze ist teurer als ein präventives Angebot. Wer hier umsteuern will, muss in Jugendarbeit und Jugendhilfe investieren.

10. Auch die Suchtkrankenhilfe deckt in Sachsen schon lange nicht mehr den Bedarf. Sie muss um 800.000 Euro auf 7,6 Mio. Euro aufgestockt werden. Schließlich ist es von der Sucht ins Krankenhaus oder ins Gefängnis nur ein kurzer Weg.

11. Für den Schutz vor häuslicher Gewalt und vor Menschenhandel müssen die Mittel um 5,9 Mio. Euro auf 8 Mio. Euro aufgestockt werden.

All das macht deutlich: Wir wollen in soziale Innovationen investieren. Und dies im vierfachen Sinne: indem wir die soziale Infrastruktur stärken und ausbauen, gesellschaftliche Ungleichheiten abbauen, Sachsen Folgekosten ersparen und so soziale Spielräume für die Zukunft gewinnen.

Ein weiteres wichtiges Thema ist: Wir wollen die Demokratie stärken. Ein modernes und auch attraktives Sachsen gibt es nur tolerant und weltoffen. Es gibt es nicht ohne Menschen anderer Nationalitäten, mit anderen Hautfarben, anderen Sprachen. Es gibt es nicht ohne die Gleichstellung der Geschlechter und ohne Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger.

Ohne Frauen ist kein Staat zu machen. Wir können nicht weiter einen großen Teil der sächsischen Frauen abschreiben. Sachsen hat ohne Frauen keine Zukunft. Deshalb muss zum einen die Gleichberechtigung von Frau und Mann gefördert werden. Und es ist an der Zeit, das Gender Budgeting einzuführen.

Die bisherige Haushaltspolitik hat ungerechte Verteilungseffekte, sie hat gesellschaftliche Unterschiede zum Teil noch verstärkt – anstatt im Sinne des staatlichen Gleichstellungsauftrags zu wirken. Fakt ist, dass an den im Sächsischen Ministerium für Wirtschaft und Arbeit angesiedelten personenbezogenen ESF-Förderprogrammen Frauen nur zu 27 % partizipieren, 19.328 weibliche gegenüber 52.546 männlichen Begünstigten, das ist sächsische Realität in der laufenden Förderperiode. Wir meinen: Die Zeit, da die Förderpolitik ungerechte Verhältnisse – und dies nicht nur zwischen Mann und Frau – zementiert, muss endlich vorbei sein.

Den Bürger zu schützen heißt auch, seine Daten zu schützen. Nicht nur der Staat sondern immer mehr Unternehmen wollen so viel wie möglich über den Einzelnen wissen, um mit geringstem Werbeaufwand den maximalen Umsatz zu erreichen. Was der Staat bisher nicht geschafft hat: den „Gläsernen Bürger“, davon sind viele Unternehmen nicht mehr weit entfernt. Wir wollen einen besseren Datenschutz und planen dafür 700.000 Euro ein.

Eine moderne demokratische Gesellschaft ist ohne bürgerschaftliches Engagement undenkbar. Doch Engagement muss befördert werden. Dafür braucht man keine Hunderte Millionen Euro. Hier kann man mit wenig Geld viele Menschen unterstützen und viele Ideen befördern. Wenn man uns folgen würde, so würde das Programm für „bürgerschaftliches Engagement“ um 1,4 Mio. Euro aufgestockt.
Bisher standen dafür 7,6 Mio. Euro im Jahr zur Verfügung. Davon wurden zuletzt Mittel an rund 22.000 Personen ausgezahlt.
Seit Jahren ist die Nachfrage wesentlich höher als die Zahl der finanzierten Entschädigungen.
Würde die Koalition uns folgen, könnten pro Jahr zusätzlich über 4.000 ehrenamtliche tätige Menschen diese kleine Anerkennung für ihr Engagement erhalten.

Warum sollen nicht die Bürger an den Haushaltsplänen mitarbeiten? War dies nicht eine Forderung, die 1989 immer wieder gestellt wurde? Wurde nicht von allen Seiten mehr Transparenz, Öffentlichkeit und Mitbestimmung gefordert? Es gibt sicher viele Bürgerinnen und Bürger, die Ideen haben, die der Kommune, dem Landkreis oder dem Freistaat nicht viel Geld kosten, aber Unsummen an Kosten ersparen können. Deshalb wollen wir die Erarbeitung von Bürgerhaushalten mit 200.000 Euro fördern.
Und – was spricht dagegen, die Arbeit der Eltern- und Schülerräte mit 160.000 Euro im Jahr zusätzlich zufördern. Dies wäre ein wichtiges Zeichen dafür, dass uns dieses Engagement wichtig ist.

Wer die Natur schützen und erhalten will, der muss auch die Naturschutz- und Umweltverbände unterstützen. Wir machen dies mit 300.000 Euro.
Schon 2005 hat sich gezeigt, dass das Programm „Weltoffenes Sachsen“ an seine Grenzen gelangt ist. Abgesehen davon, dass ein Teil der Mittel für Werbekampagnen der Staatsregierung eingesetzt wurde, gibt es wesentlich mehr Ideen und Projekte, als finanziert werden konnten. Zudem war von Anfang an klar, dass drei mobile Beratungsteams für Sachsen zu wenig sind. In jeder kreisfreien Stadt, in jedem Landkreis müsste es ein solches Beratungsteam geben. Wir wollen daher das Programm „Weltoffenes Sachsen“ um 3,4 Mio. Euro aufstocken.

Zur Weltoffenheit gehört auch, den Zuwanderern Angebote zu machen. Wir wollen die Integration und Beteiligung mit 3,4 Mio. Euro zusätzlich fördern.

Doch es gilt auch die Vielfalt im Lande zu erhalten. Wir stehen in der Pflicht, und dies nicht erst seit heute, die sorbischen Belange zu fördern.

Für uns macht es keinen Sinn gerade bei der Stiftung für das Sorbische Volk um ein paar Euros zu feilschen.
Wir sehen hier kein Kürzungspotenzial, und schon gar nicht dürfen die Angelegenheiten des sorbischen Volkes weiterhin dem unwürdigen Pokerspiel zwischen dem Bund und den Ländern Sachsen und Brandenburg ausgeliefert werden. Eher sollten wir überlegen, wie wir zusätzlich fördern können, was Sachsen bereichert. Dafür wollen wir 3,1 Mio. Euro mehr aufwenden.
Perspektivisch sollte darüber nachgedacht werden, das Grundkapital der Sorbenstiftung einmalig durch einen zweistelligen Millionenbetrag aufzustocken und sie dadurch von künftigen Haushaltsverhandlungen eigenständiger und unabhängiger zu machen.

Was Sachsen weiterhin braucht, ist eine Innovationsalternative. Hohe Arbeitslosigkeit, Unterbeschäftigung, ein zunehmender Niedriglohnsektor, Ausbildungsdefizite, Fachkräftemangel und ein regional auseinander driftender Arbeitsmarkt gehören zu den drängendsten sozialen und politischen Problemen Sachsens.
Vollbeschäftigung gehört als Bestandteil der Europäischen Beschäftigungsstrategie seit dem Gipfel von Lissabon im Jahr 2000 zu den Zielen, welche die Gemeinschaft bis 2010 anstrebt.
Auf dem Gipfel von Barcelona wurde Vollbeschäftigung als das übergreifende Ziel der Europäischen Union definiert. Vollbeschäftigung ist auch in Sachsen möglich, aber auf eine neue Art, mit einer neuen Beschäftigungsstrategie des Freistaates Sachsen.

Aufgrund der differenzierten Spezifik der gegenwärtigen Lage auf dem Arbeits- und dem Arbeitslosenmarkt sollen vorrangig solche Vorhaben gefördert werden, welche die Ausbildungssituation junger Menschen sowie die Lage von Langzeitarbeitslosen, älteren Arbeitslosen und Geringqualifizierten verbessern.

Für uns ist Wirtschafts- und Arbeitsmarktpolitik nicht zu trennen. Deshalb steht für uns die Frage nach Arbeit, nach einer „guten Arbeit“, für alle weiter zur Debatte – eine Zielstellung, von der sich andere längst verabschiedet haben. Natürlich meinen wir damit nicht die Ein-Euro-Jobs. Und selbstverständlich sind wir für einen Mindestlohn, von dem man dann auch leben kann. Und wir meinen auch, dass zu fördernde Arbeit nicht bloß im sogenannten ersten Sektor stattfinden sollte und kann. Wir brauchen einen Non-Profit-Sektor.

Was spricht dagegen, an den 2.600 KITAS und 1.350 Schulen Stellen für die psychologische Beratung sowie die Entwicklung und Betreuung von Schulgärten zu schaffen? Warum unterstützen wir nicht den Ausbau von Schulküchen und Schulbibliotheken? Warum fördern wir nicht den Erhalt und den Ausbau von Bibliotheken vor Ort bzw. fahrenden Bibliotheken?
Anstatt immer wieder auf kurzfristige Projekte zu setzen, könnten hier dauerhafte Stellen geschaffen und Menschen Perspektiven eröffnet werden.

Einen ersten Schritt sehen wir in der Aufstockung des Kommunal-Kombi. Wir wollen hier 10 Mio. Euro mehr einsetzen als die Staatsregierung. Damit kann man 3.700 mehr Stellen fördern, als es die Staatsregierung derzeit plant.

Doch wir brauchen nicht nur einen Non-Profit-Sektor. Wir brauchen auch genossenschaftliche Unternehmungen. Und wir brauchen vor allem eine Politik, bei der der Erhalt der natürlichen Lebensgrundlagen ganz vorn auf der Agenda steht. Ein Schwerpunkt ist hier der alternativlose Paradigmenwechsel in der Energiewirtschaft hin zu erneuerbaren Energien. Nicht zuletzt ist dies eines der Entwicklungspotenziale der Landwirtschaft.

Was Sachsen nicht braucht, ist ein „Sächsisches Bündnis für Arbeit“ auf dem Papier. Seit 2005 schleppen wir diesen Haushaltstitel mit. Jährlich sind dafür 2 Mio. Euro eingestellt. Seitdem ist davon kein einziger Euro abgeflossen.

Um vorhandene Arbeitsplätze zu erhalten und neue zu schaffen, bedarf es der Innovationen.
Aus diesem Grunde strukturieren wir die Fonds der Staatsregierung grundlegend um.
Die bestehende Förderpolitik nur in die Fonds zu übertragen und das Ganze mit blumigen Worten wie „Zukunftsfonds“ oder „SachsenLand-Fonds“ zu garnieren, ist für uns der falsche Weg. Der entscheidende wirtschaftliche Wachstumsfaktor für Sachsens Zukunft wird die Entwicklung des verarbeitenden und Dienstleistungsgewerbes, allerdings nicht nur in den Bereichen gehobener und höchster Technologien, sein. Es geht auch um möglichst einfache, ausfallsichere, langlebige Techniken, bei deren Entwicklung natürlich auch neueste wissenschaftliche Erkenntnisse zum Einsatz kommen.

Um lokale Wertschöpfung und Kreisläufe zu stärken sowie die Unabhängigkeit von globalen Entwicklungen zu befördern, muss verstärkt in die modernen Energietechnologien (erneuerbare Energien, Energiespartechniken, Energieeffizienz) investiert werden. Wir planen dafür 20 Mio. Euro pro Jahr zusätzlich ein.

Ein Schwerpunkt der Wirtschaftspolitik liegt im Aufbau von weiteren zukunftsfähigen branchenübergreifenden Innovationsnetzwerken. Dies soll vor allem innerhalb der zu schaffenden „Sächsischen Stiftung für wirtschaftliche und gesellschaftliche Innovationen“ befördert werden, indem die Technologie-, Wissenschafts- und Forschungsförderung strukturell vernetzt werden.

Eine besondere Rolle, insbesondere in den strukturschwachen Regionen, bilden die Technologiezentren und Technologiegründerzentren. Sie bündeln oftmals das innovative Potenzial, ermöglichen Innovation in der Region, halten wichtige Akteure in der Region. Um sich effektiver der Netzwerkarbeit sowie dem Gründen neuer Netzwerke vor Ort widmen zu können, müssen diese Technologienzentren eine Grundfinanzierung erhalten. Dies fördern wir mit jährlich 10 Mio. Euro.

Innovationen für die Wirtschaft sollten auch Innovationen für die Umwelt sein. Jedes neue Produkt, jedes neue Verfahren sollte auch darauf geprüft werden, welchen Nutzen es für die Umwelt bringt, welche regionalen Potenziale – auch aus der Landwirtschaft – genutzt werden können. Die Potenziale der sächsischen Landwirtschaft werden noch viel zu wenig genutzt und gefördert. Alternativen für Umwelt und Landwirtschaft sind ohne Forschung und Entwicklung undenkbar, deshalb wollen wir diesen Auftrag direkt und unmittelbar in beiden zu schaffenden Fonds implementieren und zu einem Schwerpunkt entwickeln.

Nun noch einige Bemerkungen zu unserer Bildungsalternative. Es gibt – zugespitzt und ideal gedacht – zwei Konzepte für die Wissensgesellschaft. Einerseits die Teilung in eine hoch ausgebildete Schicht sogenannter Wissensarbeiter und den „Rest“.
Andererseits das Konzept einer solidarischen Gesellschaft, welche Wissen für jedermann zugänglich macht – und in der alle Wissen produzieren. Für uns ist möglichst viel „zu wissen“, „Bescheid zu wissen“ eine Bedingung der Freiheit.

Unser Maßstab ist nicht der eventuelle künftige Wert der Ware Arbeitskraft. Das bedeutet keine Relativierung einer guten fachlichen Ausbildung, sondern im Gegenteil: Bildung ist Voraussetzung für die Wissensgesellschaft. Und wir wollen ein möglichst breites Wissen für alle. Wir wollen eine gebildete Nation. Wir wollen ein gebildetes Sachsen. Deshalb brauchen wir eine Schule für alle. Deshalb brauchen wir ein längeres gemeinsames Lernen in Sachsen.
Und wir brauchen mehr individuelle Förderung. Deshalb fordern 2.791 zusätzliche Stellen für Lehrer, 452 Stellen für Referendare und 420 zusätzliche Stellen an den Kitas.

Die Sächsische Verfassung schreibt die Lernmittelfreiheit fest. Dieses Verfassungsgebot wollen wir endlich umsetzen. Dafür stellen wir 10 Mio. Euro im Jahre 2009 und 21 Mio. Euro im Jahre 2010 zur Verfügung.

Ohne umfassende Bildung, ohne Kultur, ohne Wissen, ohne Ethik sind die Probleme heute weder zu lösen, ja sie sind nicht einmal von jedermann zu verstehen. Und weil dies so ist, weil sich die Dinge entwickeln, ist es auch notwendig, das lebenslange Lernen zu unterstützen. Deshalb wollen wir die Volkshochschulen mit 2 Mio. Euro zusätzlich fördern.

Sachsens Hochschulen stehen vor großen Problemen, die auch mit dem neuen Hochschulgesetz der Koalition nicht gelöst werden. Durch den jahrelang vorangetriebenen Stellenabbau hat sich Betreuungssituation an den Hochschulen weiter verschlechtert.
Allein im Jahre 2008 wurden noch einmal 75 Professoren-Stellen „künftig wegfallend“ gestellt.
Gleichzeitig wurde eine Studienreform umgesetzt, die Auswirkungen nicht nur auf die Lehre hat. Die Dozentinnen und Dozenten haben durch die Bachelor/Masterstudiengänge einen erhöhten Betreuungs- und Prüfungsaufwand. Somit sind sie kaum noch in der Lage zu forschen.
Gleichzeitig sollen die Hochschulen trotz der im Hochschulpaktes vereinbarten weiteren Stellenkürzungen mehr ausländische Studierende und Studierende aus westlichen Bundesländern gewinnen. Wie soll man unter solchen Bedingungen vernünftige Lehre vorhalten und auch eine gute Infrastruktur anbieten?

Nicht nur aus diesen Gründen, sondern um dem so genannten Fachkräftemangel zu begegnen, ist es notwendig, das „Hierbleiben“ zu fördern. Es kann doch nicht sein, dass viele Studierende durch die sächsischen Hochschulen gehen und dann in den Westen „verschwinden“. Deshalb muss es mehr Promotionsstipendien und Dozentenstellen in Sachsen geben. So können auch Impulse für die Forschung gesetzt und der Weiterbildungsbereich gefördert werden. Sachsen braucht ein Hochschulprogramm „Zukunft in Sachsen“. Wir haben dazu konkrete Vorschläge vorgelegt, von einer Erhöhung der Graduiertenförderung bis zu einer deutlichen Aufstockung der Mittel für die Studentenwerke.

Der Landtag ist nach der Verfassung auch der Haushaltsgesetzgeber. Deshalb kann und darf das Parlament nicht einfach seine Rechte an die Exekutive abtreten, wie es CDU und SPD vorschwebt.
Unbestritten: Die Bildung von Fonds kann eine Chance für Innovationen in Sachsen sein.
Endlich, nach 13 Jahren, soll verstärkt auf revolvierende Fonds gesetzt werden, also darauf, dass eingesetzte Fördermittel wieder zurückfließen. Sofern die Unternehmen erfolgreich sind.
Zuschüsse sind nur noch dann verloren, wenn die Firmen Pleite gehen. Die Mitnahmeeffekte werden reduziert.

Allerdings sind wir mit der Umsetzung der Fonds-Idee alles andere als zufrieden. Wir sind noch immer nicht davon überzeugt, dass es überhaupt eines Fondserrichtungsgesetzes bedarf. Aber ungeachtet dessen bleibt in jedem Fall unser genereller Kritikpunkt: Wenn man schon derartige Gesetze auflegt, dann muss auch die Kontrolle durch das Parlament sowie die Mitsprache bei der Ausgestaltung der Fonds durch das Parlament gewährleistet sein.
Wir wollen nicht, dass die Staatsregierung bzw. die SAB unbeaufsichtigt und ohne Kontrolle mit Milliarden Euro jongliert. Wir wollen wissen, was die Fondsverwalter und die SAB mit dem Geld machen. Wir wollen wissen, ob die Ideen der Staatsregierung funktionieren, und wir wollen wissen, ob die Fonds arbeiten. Deshalb schlagen wir entsprechende Änderungen vor.
Wir verlangen, dass der Landtag vierteljährlich über die Fonds und deren Entwicklung informiert wird. Schließlich haben wir ja schon einmal erlebt, was passieren kann, wenn eine Bank ohne parlamentarische Kontrolle mit Milliarden Euros frei jonglieren kann, und wir wollen kein zweites böses Erwachen.

Wenn wir den Auswirkungen der Finanzmarktkrise, der drohenden Rezession mit dem absehbaren Verlust Zehntausender Arbeitsplätze wirksam begegnen wollen, benötigen wir nachhaltige Investitionen in Sachsens Zukunft, allerdings anders, als es die Koalition geplant hat.

Sie, Herr Flath, haben das kostenlose Vorschuljahr zum Konjunkturprogramm erklärt.
Schließlich hätten ja dann Familien mehr Geld in der Tasche, das sie ausgeben könnten. Die Koalition plant dafür im Jahre 2009 31 Mio. und 38 Mio. Euro in 2010 ein. Das Bruttosozialprodukt Sachsens lag 2007 bei 92,2 Mrd. Euro. Selbst, wenn alle Familien alles Geld wieder ausgeben würden, Herr Kollege Flath: Mit 0,3 Promille kurbelt man keine Konjunktur an!

Nun, natürlich können Sie darauf verweisen, dass Sie mit ihren Anträgen die Investitionsquote gegenüber dem Entwurf der Staatsregierung von 20,6 Prozent auf fast 21 Prozent erhöht haben. Erst letzten Donnerstag erklärten Sie, die Koalition würde jedes Jahr ca. 3,2 Mrd. Euro investieren. Doch die Staatsregierung hatte in ihrem Entwurf noch 3,39 Mrd. Euro eingeplant.
Tja, Herr Flath, auch wenn die Prozente steigen, kann die absolute Summe abnehmen. Das ist nicht gerade höhere Mathematik, oder? Dies liegt daran, dass durch die wegbrechenden Steuereinnahmen der Gesamtetat sinkt.

Wer nur ein Jahr zurückschaut, wird sich angesichts der Darstellungen von Herrn Flath die Augen reiben. Denn die Investitionsquote der Staatsregierung lag im Jahre 2007 noch bei 26,1 Prozent. Damals wurden 4,283 Mrd. Euro investiert. 2009 sinkt diese Summe um über 1 Mrd. Euro. Das, Herr Kollege Tillich, sind 1000 x 1 Mio. Euro weniger, sprich: es wird ein Viertel weniger in Sachsen investiert als im letzten Jahr. Es war schon bemerkenswert, wie sie versucht haben, das in Ihrer Rede als Erfolg darzustellen, als Sie auf 3000 x 1 Mio. Euro verwiesen. Im vorigen Jahr waren es aber noch 4000 x 1 Mio. Euro, das haben Sie verschwiegen! Es wurmt Sie, dass die LINKE Ihnen eine Alternative mit einer höheren Investitionsquote entgegenstellt. Das kann ich gut verstehen.

Gerade bei den Investitionen sollte man aber nicht sparen. Wir investieren in unserem Alternativen Haushalt 3,5 Mrd. Euro in 2009 und 3,6 Mrd. Euro in 2010.
Unsere Investitionsquote liegt bei über 22 %. Ja, wir investieren viel im sozialen Bereich. Doch wir investieren so, dass wir dem Freistaat Sachsen Folgekosten ersparen bzw. diese reduzieren. Dies ist bei Ihnen nicht zu erkennen.

Vor vier Wochen forderten Sie, Herr Finanzminister Prof. Unland, angesichts der November-Steuerschätzung, dass der Freistaat Sachsen auch Ausgaben reduzieren muss.
Dementsprechend müsse der Haushaltsplan angepasst werden. Doch anscheinend hatte die Koalition Sie falsch verstanden. Sie verändert zwar in mehr als 60 Änderungsanträgen den Haushaltsentwurf ihrer eigenen Regierung. Doch CDU und SPD wollten nicht Geld sparen, sondern mehr ausgegeben. Sie haben über alle Einzelpläne hinweg Mehrausgaben in Höhe von 178,4 Millionen Euro beantragt. Allerdings, und das war neu, boten sie nur Deckungsvorschläge in einem Umfang von 33,5 Millionen Euro an. Somit waren nur 18,7 Prozent ihrer Wünsche gegenfinanziert. Die meisten Anträge sollten aus dem Gesamthaushalt „gedeckt” werden.
Bisher lehnte sie jeden Vorschlag der Opposition, der einen solchen Deckungsvermerk enthielt, vehement ab, da es unseriös sei, nicht darzulegen, wie man die eigenen Ideen finanzieren möchte. Selbst in der CDU-Fraktion durfte sich lange Zeit kein Arbeitskreis bei den Finanzern mit einem solchen „ungedeckten Scheck” sehen lassen. Die Not muss also wirklich groß sein.

Anscheinend wollen sich CDU und SPD keinen Kopf machen, wo das Geld für ihre neuen Ideen herkommt. Anscheinend durchschauen Sie den Haushalt nicht mehr. Nun, Sie haben ja den Finanzminister. Herr Dr. Rößler, Herr Kollege Pecher, der Finanzminister gönnt Ihnen die kleinen Geschenke, solange Sie ihn bei den großen Brocken nicht stören.
Ähnlich verlief der Umgang mit dem Haushaltsausschuss. In der Tat, Herr Prof. Unland, Sie und Ihre Mitarbeiter haben meinen Kollegen alle gestellten Fragen beantwortet. So konnten wir unseren Alternativen Haushalt weiter qualifizieren. Dadurch kann das Parlament jetzt über zwei in sich geschlossene Alternativen entscheiden.

Doch so kooperativ Sie in einzelnen Fragen waren, Herr Finanzminister, so bedeckt hielten Sie sich in zentralen Punkten. Sie spielten nicht mit offenen Karten. Die letzte Abstimmung im Haushaltsausschuss war nicht einmal 24 Stunden alt, da verkündeten Sie, Herr Prof. Unland, dass die Sächsische Staatsregierung ein Mittelstandsstabilisierungsprogramm auflegt. 300 Mio. Euro wollen Sie dafür einsetzen. Nein, wir haben nichts dagegen, den Mittelstand zu unterstützen, denn auch wir wollen, dass möglichst viele sächsische Unternehmen die Krise überleben. Doch es wäre notwendig gewesen, den Haushaltsausschuss am Montag zu informieren.

Die Idee zu diesem Programm wird Ihnen doch nicht über Nacht gekommen sein. Eines aber ist dabei klar geworden: Sie, Herr Staatsminister Jurk, haben als Wirtschaftsminister in wichtigen Fragen nicht das Sagen. Sie und die übrigen Minister können nur stauend zusehen, wie das Finanzministerium ein ums andere Mal Hunderte Millionen vergibt, während sie um ein paar Hunderttausend Euro oder die Aufhebung von Sperrvermerken wochenlang kämpfen müssen.

Bezogen auf die gesamten Haushaltsverhandlungen komme ich nicht umhin festzustellen: Für die Koalition ist der Landtag mit seinen Ausschüssen nicht mehr als ein Abnickorgan. In den meisten Fachausschüssen gab es kaum inhaltlichen Diskussionen. Die Sprecher der Koalition brachten ihre Anträge zumeist ein, ohne sie zu begründen. Sie verweigerten häufig eine sachliche Auseinandersetzung. Wenn es Nachfragen zu den Anträgen gab, blieb man allzu oft eine Antwort schuldig. Mehrfach verwies man gar auf die Staatsregierung, die die Fragen beantworten und die Änderungsanträge der Koalition begründen sollte. So degradiert man Haushaltsverhandlungen zu einem Verwaltungsakt.
Uns ist klar: Sachsen braucht einen anderen, einen innovativen, einen alternativen Haushalt.
Sachsen braucht Veränderung, Sachsen braucht den politischen Wechsel.

Herr Ministerpräsident, Ihre Partei bestimmt seit fast zwei Jahrzehnten die Geschicke dieses Landes. Das Vertrauenskapital, mit dem die Wählerinnen und Wähler die CDU in Sachsen seit 1990 ausgestattet haben, ist offensichtlich verbraucht: Nirgendwo sonst in Deutschland sehen die Menschen so skeptisch in die Zukunft wie in unserem Freistaat – das ist das Ergebnis einer erst letzte Woche veröffentlichten unabhängigen Umfrage.

Die Menschen spüren, dass von der Zeit des Aufbruchs unter Kurt Biedenkopf außer dem arbeitsfreien Buß- und Bettag fast nichts übrig geblieben ist. Die laufende Wahlperiode, deren Schlussphase mit dieser Haushaltsdebatte eingeläutet wird, hat schon jetzt ihren Platz in den Geschichtsbüchern als die Zeit, in der die Errungenschaften des ostdeutschen Musterlandes der neunziger Jahre endgültig verfrühstückt worden sind:

Die einzige selbstständige Landesbank der neuen Bundesländer, die Sachsen LB, zerplatzte als Spekulationsblase und hinterließ dem Landeshaushalt eine schwere Hypothek. Und warum das alles? Weil die Bank auf Geheiß der Staatsregierung die Mittelstandsförderung verraten hat und statt ordentlicher Marktwirtschaft lieber Kasino-Kapitalismus spielen wollte.

Der Leuchtturm Mikroelektronik Dresden, mit drei Milliarden Euro Steuergeldern aufgebaut, ist schwer angeschlagen und droht umzufallen. Zehntausende hoch qualifizierte Arbeitsplätze im Silicon Saxony stehen auf dem Spiel. Statt eines Konzeptes in der Krise liefern sich die politisch Verantwortlichen Interview-Duelle mit Managern.

Die innere Sicherheit a la CDU ging im „Sachsen-Sumpf“ genannten Netz von Ungereimtheiten unter, das Sie mit einem verfassungswidrigen Auftrag an den Verfassungsschutz verursacht haben. Damit die Sache nicht so schnell aufgeklärt werden konnte, begingen Sie erneut Verfassungsbruch und blockierten den Untersuchungsausschuss.

Die Gleichheit vor dem Gesetz, Kernstück des Rechtsstaats, wird durch Ihre Lebenslügen zur Farce: Wer für die SED im Rat des Kreises Kamenz saß, musste sich nach der Wende bei einem Wach- und Sicherheitsdienst in Bayern verdingen; wer auf dem Ticket der Block-CDU am Tisch neben dem SED-Mann wirkte, durfte ins Europaparlament und ist jetzt Ministerpräsident.

Kurzum, mit Ihnen ist wirklich kein Staat zu machen, daran ändert auch die kleine SPD im Schlepptau nichts. Herr Zastrow, Sie sollten sich allerdings nicht zu früh freuen, Ihre Stollenfest-Connection mit Herrn Tillich zeigt doch nur, dass Sie beide in der Unterhaltungsbranche besser aufgehoben sind als in der Politik.

Wer einen neuen Aufbruch für Sachsen will, sollte auf ernsthafte Leute setzen. DIE LINKE hat ohne großen Ministerialapparat im Rücken einen Alternativen Haushalt aufgestellt. Bei uns wissen alle, woran sie sind, und was dabei herauskäme, wenn die Roten regieren würden – und das sogar in Euro und Cent.
Solche Fakten sind überzeugender als Ihre Werbe-Luftblasen – Tillich beim Skatspielen, Tillich im Zoo, Tillich beim Stollenfest. Davon kann sich in Krisenzeiten niemand etwas kaufen.

In diesem Sinne: Beschließen Sie Ihren Doppelhaushalt für 2009/2010, wenn Sie nicht anders können. Nach dem 30. August 2009 kommt Ihr Haushalt ins Altpapier – und dann gelten die Regeln unseres Haushalts: Höhere Investitionen, mehr für Sachsens Kinder und mehr für Sachsens Wirtschaft!

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