LINKE Kritik zum europäischen Übereinkommen über Sicherheit bei Fußballspielen

DIE LINKE kritisiert das Gesetz zum Übereinkommen des Europarats vom 3. Juli 2016 über Sicherheit bei Fußballspielen wegen der späten Umsetzung in nationales Recht, dem Gesetzgebungsverfahren und dem Umgang mit der umstrittenen Datei „Gewalttäter Sport“. Klare Stoppzeichen müssen auch gegen die immer mehr aufgeblähten europäischen Wettbewerbe im Profi(t)fußball gesetzt werden, für deren Sicherheit dann die Steuerzahler aufkommen sollen.


Auszug aus dem Plenarprotokoll 19/221

Tagesordnungspunkt 26:

Zweite Beratung und Schlussabstimmung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Übereinkommen des Europarats vom 3. Juli 2016 über einen ganzheitlichen Ansatz für Sicherheit, Schutz und Dienstleistungen bei Fußballspielen und anderen Sportveranstaltungen

Drucksachen 19/27413, 19/28127

Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Inneres und Heimat (4. Ausschuss)

Drucksache 19/28507

Dr. André Hahn (DIE LINKE):

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der vorliegende Gesetzentwurf ist in mehrerlei Hinsicht merkwürdig, erstens hinsichtlich der Zeiträume von der Verabschiedung eines Übereinkommens im Europarat bis zur Inkraftsetzung dieses Übereinkommens in nationales Recht. Das erste Abkommen zu diesem Thema wurde 1985 im Europarat verabschiedet und satte 20 Jahre später in innerstaatliches Recht in Deutschland übertragen.

So lange dauerte es bei keinem anderen Land in Europa. Auch das Folgeabkommen des Europarates über einen ganzheitlichen Ansatz für Sicherheit, Schutz und Dienstleistungen bei Fußballspielen und anderen Sportveranstaltungen vom Juli 2016 ist schon in 20 Staaten in Kraft getreten. Auf meine Frage im Sportausschuss, warum das in Deutschland so lange dauert, erwiderte das BMI, dass das Gesetz rechtlich und für die praktische Arbeit ohne Bedeutung sei, es ginge lediglich um ein politisches Signal gegenüber dem Europarat. Reden wir also heute über ein unnützes Gesetz?

Die zweite Merkwürdigkeit besteht im Gesetzgebungsverfahren selbst. Die Bundesregierung übergibt den Gesetzentwurf an das Parlament und verweist auf die Eilbedürftigkeit, unter anderem mit der aus meiner Sicht kuriosen Begründung, dass die Fußball-Europameisterschaft bevorstehe. Diese Europameisterschaft sollte eigentlich 2020 stattfinden. Durch Corona erfolgte die Verschiebung auf Juni 2021. Warum kam der Gesetzentwurf also nicht ein Jahr früher, wenn es so dringlich gewesen ist? Wenn Die Linke nicht auf einer Debatte bestanden hätte, wäre dies alles lautlos durchgegangen.

Die dritte Merkwürdigkeit betrifft den Artikel 11 des Übereinkommens, also die internationale Zusammenarbeit von staatlichen Sicherheitsbehörden und privaten Sicherheitsunternehmen einschließlich des Austausches von Daten, zum Beispiel über potenzielle Gewalttäter.

Hier geht es dann auch um die zu Recht heftig umstrittene Datei „Gewalttäter Sport“ der Zentralen Informationsstelle Sporteinsätze. Wie problematisch diese polizeiliche Datenbank ist, wurde bereits in verschiedenen Kleinen Anfragen der Linken und der Grünen deutlich. Angeblich soll es ja keine Übermittlung von Daten zu Personen an ausländische Behörden gegeben haben. Laut dem Übereinkommen ist dies aber möglich.

Mein Fazit: Gegen mehr Sicherheit, Service und Erlebnisqualität für die Besucherinnen und Besucher internationaler Sportveranstaltungen gibt es aus Sicht der Linken nichts einzuwenden, erst recht nicht, wenn auch die Belange der im Umfeld der Veranstaltungen lebenden Menschen angemessen berücksichtigt werden. Vieles in diesem Übereinkommen ist sinnvoll; aber es bleiben Fragen, die nicht hinreichend geklärt sind. Deshalb wird sich Die Linke bei der Abstimmung über diesen Gesetzentwurf der Stimme enthalten.

Gestatten Sie mir abschließend zwei Anmerkungen zu aktuellen Fragen, die durchaus auch etwas mit dem hier zur Abstimmung stehenden Gesetzentwurf zu tun haben. Zum einen halte ich das Vorhaben der UEFA hinsichtlich der geplanten Fußball-Europameisterschaft, in zwei Monaten Spiele in zwölf Staaten und mit Beteiligung von Zuschauern in den Stadien durchzuführen, angesichts der aktuellen Coronalage für abenteuerlich. Das Gesetz ist offenbar kein geeignetes Instrument, um diesen Wahnsinn zu stoppen.

Vizepräsident Dr. Hans-Peter Friedrich:

Herr Kollege.

Dr. André Hahn (DIE LINKE):

Ja, Herr Präsident. – Letztlich glaube ich, wir dürfen nicht länger kritiklos zusehen, wie aus Profitgier und ohne Rücksicht auf die bestehenden Fußballstrukturen und die Gesundheit der Sportler immer mehr europäische Wettbewerbe im Profifußball aufgebläht oder gar neu erfunden werden, für deren Sicherheit dann der Steuerzahler aufkommen soll. Hier muss endlich ein klares Stoppzeichen gesetzt werden. Auch deshalb können wir dem Gesetzentwurf nicht zustimmen.

(Beifall bei der LINKEN)