Jahrelang rechtswidrige Praktiken beim BND

Leserbrief von André Hahn im nd vom 19.07.2016

Die vorliegende öffentliche Berichtsfassung des viel umfänglicheren und zum Teil als streng geheim eingestuften Sonderberichts des PKGr über die Ausspähung von EU-Regierungen, internationalen Organisationen und Institutionen durch den BND (BT-Drucksache 18/9142) enthält zwar noch deutliche Kritik am Selektoreneinsatz beim Bundesnachrichtendienst und an der unzureichenden Dienst- und Fachaufsicht im Bundeskanzleramt, die Brisanz und das Ausmaß der Ausforschung von Partnern in EU und NATO wird aber durch die Anonymisierung nicht mal mehr ansatzweise deutlich. Besonders bedaure ich es, dass die Vertreter von Union und SPD am Ende Angst vor der eigenen Courage bekommen haben, die schon beschlossene Fassung für die Öffentlichkeit noch mal drastisch gekürzt und die vereinbarte gemeinsame Pressekonferenz abgesagt haben. Auch eine eigentlich für vor der Sommerpause geplante Debatte im Plenum scheiterte am Widerstand der Koalitionsspitzen. Man wollte lieber ein angeblich gutes neues BND-Gesetz präsentieren, als endlich die gravierenden Pannen der letzten Jahre im Bundestag aufzuarbeiten. Dennoch deutet der Bericht zumindest an, was über Jahre hinweg an rechtswidrigen Praktiken beim BND gelaufen ist. Damit wird sich nun in Kürze sicher auch der NSA-Untersuchungsausschuss befassen.

André Hahn, MdB (DIE LINKE)

stellvertretender Vorsitzender des Parlamentarischen Kontrollgremiums (PKGr) und stellv. Mitglied im NSA-Untersuchungsausschuss


Hintergrundartikel: nd vom 12.07.2016

BND verstieß gegen Auftrag und Recht
Erste Einzelheiten aus Prüfbericht

Berlin. Der deutsche Auslandsgeheimdienst BND hat zumindest bis Oktober 2013 gegen seinen Auftrag und auch gegen rechtliche Beschränkungen seiner Arbeit verstoßen. Das geht aus einem Bericht der parlamentarischen Kontrollgremiums (PKGr) hervor, der in Auszügen von der Agentur dpa veröffentlicht wurde. Demnach hat der BND bis Herbst 2013 rund 3300 Ziele in EU und NATO ausgespäht. Laut dpa ist im Bericht von einer »niedrigen zweistelligen Zahl« von Anschlüssen die Rede, die EU- oder NATO-Regierungen zuzuordnen seien; darunter Regierungschefs, Minister sowie deren Umfeld – etwa der Amtssitz sowie Stabs- und Büromitglieder. Laut dpa gehe es um »mehrere Dutzend« solcher Fälle. Ausspioniert wurden demnach in befreundeten Ländern »eine mittlere zweistellige Zahl« an gesellschaftlichen Organisationen, Medien sowie eine hohe Anzahl unbekannter Einzelpersonen. Laut Bericht hat sich der BND damit vielfach »nicht auftragskonform und rechtlich unzulässig« verhalten. dpa/nd Seite 6