Rede auf Landtagssondersitzung zum Erhalt vom „Silicon Saxony“

Rede auf der Landtags-Sondersitzung am 19. März 2009 zum Antrag von LINKEN und GRÜNEN „Fortbestand des Chipherstellers QIMONDA am IT-Standort Dresden sichern!“

Es gilt das gesprochene Wort!

Sehr geehrter Herr Präsident,
meine Damen und Herren,

und ich füge diesmal in Ergänzung der protokollarischen Gepflogenheiten hinzu: Sehr geehrter Herr Ministerpräsident Tillich! Schön, dass Sie bei einer wichtigen Debatte über das Schicksal von Qimonda endlich auch einmal persönlich zu sehen sind.

Wir haben uns hier in diesem Hohen Hause bereits vor ziemlich genau drei Monaten mit Qimonda und den dort bedrohten Arbeitsplätzen beschäftigt – in einer Aktuellen Debatte auf Antrag der Linksfraktion. Wer damals schwieg, war der Ministerpräsident, der es seinem sozialdemokratischen Wirtschaftsminister überließ, das Gesicht der Staatsregierung zu wahren.

Ich sage das ganz bewusst zu Beginn dieser Landtags-Sondersitzung auf Antrag der LINKEN und GRÜNEN zu unserem gemeinsamen Antrag „Fortbestand des Chipherstellers QIMONDA am IT-Standort Dresden sichern!“
Herr Tillich war schon in der ersten heißen Phase des Kampfes um die Rettung des größten Dresdner Arbeitgebers und Herzstücks von „Silicon Saxony“ nicht präsent.
Oder genauer gesagt: Er ließ es sich unter anderem bei der Bergparade in Annaberg-Buchholz oder auch bei Würstchen und Kräuterlikör auf der Grünen Woche in Berlin gut gehen, während sich der Wirtschaftsminister redlich um eine Lösung bemühte, wenn auch bis heute noch ohne Erfolg.

„Wir haben den Durchbruch geschafft“, verkündete Wirtschaftsminister Jurk drei Tage vor Heiligabend – und meinte damit ein Rettungspaket von Sachsen, Portugal und Infineon für Qimonda. Was da passend zu Weihnachten beschert wurde, musste bereits im Januar mit der Insolvenz von Qimonda wieder einkassiert werden. Wenn Herr Jurk nun dieser Tage – also ein Vierteljahr später – mitteilte, der Durchbruch sei noch nicht geschafft, ist das vor dem Hintergrund des letzten „Dezemberfiebers“ an voreiligen Erfolgsmeldungen geradezu tragikomisch. Angesichts von dreitausend akut bedrohten Arbeitsplätzen verliert sich die Restkomik aber rasch und macht einer schlichten Tragödie Platz.

Leider hat sich der sozialdemokratische Wirtschaftsminister inzwischen offenbar von christdemokratischer Ideologie anstecken lassen und warnt vor einem „VEB Qimonda“, den es natürlich nicht geben könne. Das wiederum ist nun wirklich eher komisch, denn ich habe noch nie aus dem Munde eines SPD- oder CDU-Politikers gehört, dass sich in Wolfsburg das Zentrum des „VEB VW“ befinde, nur weil das Land Niedersachsen seit Jahrzehnten Anteile an VW hält.

Sie, Herr Staatsminister Jurk, wissen sehr genau, was im Schreiben des Münchner Insolvenzverwalters Dr. Michael Jaffé vom 9. März steht, schließlich ist es u. a. der Spitze Ihres Ministeriums zugegangen. Den gewählten Abgeordneten wurde dieses Schreiben durch die Regierung einmal mehr vorenthalten, und wir als LINKE haben es nur auf informellem Wege bekommen. Transparenz gegenüber dem Parlament sieht ganz gewiss anders aus!
Sie, Herr Tillich, und Sie, Herr Jurk, wissen, dass in besagtem Brief des Insolvenzverwalters eine Beteiligung Sachsens als die – ich zitiere – „einzig verbleibende Möglichkeit“ gesehen wird, „um eine Zerschlagung und Einzelverwertung der Vermögenswerte (vermutlich) nach Asien zu verhindern“.

Doch selbst dieser dramatische letzte Appell an die Sächsische Staatsregierung hat dort nicht zur Auflösung der Blockade zwischen CDU und SPD geführt. Der Wirtschaftsminister sagte, er könne sich unter bestimmten Voraussetzungen eine staatliche Beteiligung vorstellen, der Ministerpräsident – der ja aus Angst vorzugsweise nicht selbst spricht – ließ über seinen Sprecher mitteilen, das sei kein Thema.
An die Adresse von Herrn Tillich und der CDU sage ich ganz deutlich: Wir haben Ihre Belehrung nicht nötig, dass der Staat nicht der bessere Unternehmer ist. Das hat die Sächsische Staatsregierung mit dem Ruin und dem kostspieligen Notverkauf der Sächsischen Landesbank erst vor kurzem unfreiwillig am praktischen Beispiel bewiesen. Der dabei laut Rechnungshof unmittelbar angerichtete Schaden beträgt ungefähr das Doppelte der Summe, die derzeit als möglicher Anteil des Freistaates an Qimonda in der Diskussion ist. Darüber hinaus lastet durch das Landesbank-Fiasko bekanntlich noch ein Risiko von 2,75 Milliarden Euro auf dem Landeshaushalt, ohne dass dadurch ein einziger Arbeitsplatz gesichert würde.

Bei der heute anstehenden Entscheidung aber geht es – wie gesagt – unmittelbar um dreitausend Arbeitsplätze, mittelbar und langfristig sogar um das Schicksal Zehntausender Beschäftigter in der sächsischen Mikroelektronik und damit um das industrielle Rückgrat einer Schlüsseltechnologie. Deshalb steht ja auch der Nutzen von drei Milliarden Euro Steuergeldern auf dem Spiel, die ins „Silicon Saxony“ gesteckt worden sind, weil Kurt Biedenkopf ordnungspolitisch nicht so kleingeistig war wie sein offenkundig überforderter Nach-Nachfolger Tillich.
Und bei allem Respekt vor einem Experten für Insolvenzrecht, der uns gestern in der „Sächsischen Zeitung“ ganz im Sinne der CDU unter der Überschrift „Die Sanierung von Qimonda oder Märklin ist keine Staatsaufgabe“ belehren wollte, ohne dass in dem Text Qimonda auch nur ein einziges Mal erwähnt wurde, sage ich in aller Deutlichkeit: Wir reden heute nicht über Unterwäsche, Porzellan oder Spielzeugeisenbahnen, um die in diesem SZ-Beitrag angesprochenen Branchen aufzugreifen. Wir reden über einen strukturbestimmenden Betrieb des technologischen Innovationspotenzials der sächsischen Wirtschaft!

Wir als Linksfraktion haben daher von Anfang an verlangt, eine vorübergehende staatliche Beteiligung als Option ernsthaft zu prüfen. Nicht mehr, aber auch nicht weniger. Es sind seit 1990 nach Angaben des Dresdner Amtes für Wirtschaftsförderung alles in allem allein in Dresden zwölf Milliarden Euro in den Mikroelektronik-Standort investiert worden. Das dadurch hier vor allem in der Region Dresden/Freiberg existierende Geflecht an Hightech-Unternehmen ist europaweit einzigartig. Wenn Sachsen seiner schon Jahrhunderte währenden Tradition treu bleiben will, ökonomisch an der Spitze mitzuspielen, darf dieser zentrale Pfeiler der Wirtschaft des Freistaats nicht demontiert werden!

Ich könnte heute durchaus manch Kritisches zur Bundes- und Europapolitik anmerken, denn auch die dort Verantwortlichen haben sich in Sachen Qimonda nicht gerade mit Ruhm bekleckert haben. Das ändert aber nichts daran, dass sich die sächsische Staatsregierung nach Angaben von Herrn Verheugen erstmals im Januar und überaus zaghaft an die EU-Kommission gewandt hat. Viel zu spät und viel zu leise. Herr Tillich mag sich als langjähriger ehemaliger Europaabgeordneter und sächsischer Europaminister auf dem diplomatischen Parkett geschmeidig bewegen können, hinsichtlich politischer Entscheidungen aber ist er ein absolutes Leichtgewicht, das weder in Brüssel noch in Berlin im sächsischen Interesse irgendetwas zu bewegen vermag.
Herr Präsident, meine Damen und Herren,
auch wenn die laufende Legislaturperiode dem Ende zugeht, kann ich insbesondere die Koalition nur dringend davor warnen, in Sachen Qimonda weiter nichts zu tun und stattdessen Trostpflästerchen zu verteilen.

Als sich zum Jahreswechsel die Lage des Unternehmens immer weiter zuspitzte, lancierten die schwarzen und gelben Wirtschaftspolitiker in Sachsen die vermeintlich Trost spendende Prognose, dass die Insolvenz doch durchaus neue Chancen eröffnen würde. Doch das hat sich eindeutig als Trugschluss erwiesen, nicht zuletzt deshalb, weil die Staatsregierung den nötigen Eigenanteil an Aktivität bei der Lösungssuche im Rahmen des Insolvenzverfahrens nicht geleistet hat.

Nun soll es eine Transfergesellschaft richten. Ich habe persönlich Verständnis für jeden Arbeitnehmer, der nach diesem Strohhalm greift, wenn er ihm als Alternative zur sofortigen Arbeitslosigkeit angeboten wird. Man sollte allerdings nicht vergessen, dass das Bundesarbeitsgericht zum Thema Transfergesellschaften festgestellt hat, sie seien „auf das endgültige Ausscheiden aus dem Betrieb gerichtet“. Man kann sich in der Politik nicht endlos Zeit kaufen, um aus der Verantwortung zu flüchten, auch deshalb weil die betroffenen Menschen die ihnen aufgebürdete Unsicherheit nicht endlos ertragen!

Deshalb wollen wir heute eine Entscheidung des Landtags haben, nicht als scheinbar perfekte Lösung, sondern als verbindliches Signal des Freistaates Sachsen, dass er seiner industriepolitischen Verantwortung gerecht wird! Da die Koalitionsabgeordneten ja manchmal Probleme damit haben, Oppositionsanträge richtig zu lesen, lese ich Ihnen nochmal den entscheidenden Satz des Antrags von LINKEN und GRÜNEN vor:
Die Staatsregierung wird aufgefordert, „im Wege einer zeitlich befristeten Übergangslösung eine unmittelbare oder mittelbare Minderheitsbeteiligung des Freistaates Sachsen an QIMONDA oder an dessen Nachfolgeunternehmen für den Fall vorzusehen, dass das Unternehmen mit seinem Forschungs-, Entwicklungs- und Produktionsbereich am IT-Standort Dresden als wichtiger Teil dieser europäischen Schlüsseltechnologie erhalten werden kann.“

Das und nichts anderes ist das Thema, Herr Tillich und Herr Jurk. Es geht uns also weder um Kombinat noch VEB, sondern um eine intelligente industriepolitische Lösung, wie sie in vergleichbaren Situationen weltweit guter und bewährter politischer Brauch ist!

Was allerdings kein guter Brauch ist, sind Ihre koalitionsinternen Ränkespiele, meine Damen und Herren von CDU und SPD.
Es ist doch längst kein Geheimnis mehr, dass sich hochrangige Mitarbeiter der Staatskanzlei gegenüber CDU-Abgeordneten und sogar Journalisten damit brüsten, dass sie den SPD-Wirtschaftsminister Jurk nicht nur in Sachen Qimonda am ausgestreckten Arm verhungern lassen. Ist diesen Leuten das Schicksal von tausenden Beschäftigten und deren Familien eigentlich völlig egal?

Ich will endlich wissen, ob es zutrifft – wie aus so genannten gut informierten Kreisen im Regierungsviertel berichtet wird –, dass ein positives Antwortschreiben von Wirtschaftsminister Jurk an Insolvenzverwalter Jaffé in der Staatskanzlei hängengeblieben ist. Hat Staatskanzleichef Beermann wirklich den im vorgelegten Briefentwurf des Wirtschaftsministers zurückgewiesen und gravierende Änderungen verlangt?
Wo sind wir hier in Sachsen nur hingekommen? Wer hat eigentlich in diesem Land das Sagen, wer hat die Richtlinienkompetenz – der Chef der Staatskanzlei oder vielleicht doch irgendwie der Ministerpräsident?
Sehr geehrter Herr Tillich, hören Sie endlich mit Ihrem Versteckspiel auf, Sie können sich nicht länger vor der Verantwortung drücken!
Ich fordere Sie nachdrücklich auf: Treten Sie heute endlich hier an dieses Pult und beziehen Sie eindeutig Position. Wollen Sie Qimonda retten oder nehmen Sie wegen Ihrer generellen Ablehnung staatlicher Beteiligungen aus rein ideologischen Gründen den Verlust tausender Arbeitsplätze billigend in Kauf?
Auf diese Frage erwarte ich heute von Ihnen endlich eine klare Antwort!

Und auch dem Wirtschaftsminister kann ich zwei unangenehme Fragen nicht ersparen: Wie lange, Herr Jurk, wollen Sie sich eigentlich noch von der CDU demütigen lassen? Wie lange wollen Sie noch an einem Koalitionspartner festhalten, der mit dem ganzen Gewicht einer in viel zu langer Machtausübung verkalkten Partei bei allen wichtigen Weichenstellungen auf der Bremse steht?
Selbst der noch parteilose Finanzminister bekam schon die Trägheit des CDU-Machtapparats zu spüren, als er im Januar einen Nachtragshaushalt zur Rettung von Qimonda in Aussicht stellte. Prompt sah der CDU-Fraktionsvorsitzende Flath – und im Hintergrund wohl auch der gescheiterte Alt-Ministerpräsident Milbradt, wie man hört – die Stunde gekommen, die Regierung an die Leine zu nehmen. Der Nachtragshaushalt war schon tot, bevor die Mitarbeiter von Finanzminister Unland auch nur die erste Zahl aufgeschrieben hatten.

Wir als LINKE sind seit Eröffnung des Insolvenzverfahrens von Qimonda nicht untätig geblieben, sondern haben aufgezeigt, wo es langgehen könnte. Nicht weil wir so ungewöhnlich schlau wären, sondern weil wir im Unterschied zur Koalition über die Grenzen des eigenen Landes hinausschauen: Wir haben z.B. auf Frankreich hingewiesen, wo es gelungen ist, eine von der EU genehmigte staatliche Unterstützung für den Halbleiterhersteller ST in Höhe von 457 Millionen Euro hinzubekommen.
Auch das ist nunmehr schon wieder mehr als fünf Wochen her, ohne dass die sächsische Regierung von CDU und SPD aus dem Knick gekommen wäre.
Wir haben in unserer Argumentation wiederholt deutlich gemacht, dass es letztlich nicht einfach um Subventionen für eine einzelnes gefährdetes Unternehmen, sondern im Kern um eine genehmigungsfähige Förderstrategie für die Mikroelektronik insgesamt geht.

Was mich in der bisherigen landespolitischen Debatte so erschüttert, ist Ihre wirtschaftspolitische Provinzialität, Herr Ministerpräsident.
„Silicon Saxony“ steht in einem unerbittlichen globalen Konkurrenzkampf mit Mitbewerbern, unter denen sich kein einziger befindet, bei dem nicht irgendein Staat die Hand mit im Spiel hat. Statt sich bewusstseinsmäßig endlich auf die Herausforderungen dieser Weltliga einzustellen, wiederkäuen Sie, Herr Tillich, den Katechismus der reinen Marktwirtschaft, wie er vor 1989 vielleicht an der von Ihnen besuchten SED-Kaderschmiede in Potsdam gelehrt wurde.

Selbst als LINKER ist man geneigt, Ihnen zuzurufen: Hallo, aufwachen! Wir sind zwanzig Jahre weiter, die Welt hat sich in dieser Zeit ein bisschen mehr gewandelt als die Klosterkirche in Panschwitz-Kuckau – als Ministerpräsident muss man schon über den nächsten Kirchturm hinausdenken!

Ich bitte Sie ebenso schlicht wie herzlich, uns nicht mit längst erledigten Uraltdebatten zu nerven. Landtagsabgeordnete einer Partei wie der LINKEN, unter deren Kommunalpolitikern sich überdurchschnittlich viele Selbstständige, Freiberufler und Unternehmer befinden, brauchen keine Nachhilfe in Sachen Marktwirtschaft. Wir als Linksfraktion in Sachsen reihen uns nicht in die Schlange der CDU-, CSU- und SPD-Politiker ein, die zurzeit überall dort in Deutschland nach Schutzschirmen für Unternehmen rufen, wo es Probleme gibt, ohne darüber zu reden, wie sie entstanden sind.
Wir als LINKE wollen einen Schutzschirm für die Menschen, und dazu gehört neben der Gewährleistung menschenwürdiger Sozialstandards auch die Stützung der Produktionsketten, die in Zukunft den Wohlstand für die gesamte Gesellschaft erwirtschaften sollen.
Natürlich weiß ich aus der Erfahrung der letzten Jahre: Komplexes Denken ist nicht gerade eine Stärke der sächsischen CDU, deshalb suchen Sie ja auch in Uralt-Feindbildern Zuflucht, die ihnen eine einfachere Welt verheißen als jene Welt, die tatsächlich existiert. Damit aber auch Sie den großen Zusammenhang begreifen, der heute zur Debatte steht, sage ich es mit größtmöglicher Schlichtheit: Wir sind für Hightech, weil wir gegen Niedriglöhne sind.

DIE LINKE will eine Wirtschaft, die so modern wie irgend möglich ist. DIE LINKE will eine hochproduktive Wertschöpfung auf höchstem technologischen Niveau. DIE LINKE will Innovation und Dynamik – ganz im Geiste erfolgreicher sächsischer Industrietradition. Wir wollen all dies nicht als Selbstzweck, sondern weil wir in einer schrumpfenden und älter werdenden Gesellschaft jetzt die Weichen stellen müssen, langfristig die ökonomischen Grundlagen des modernen Sozialstaates zu sichern.

Ganz ohne Risiko ist bekanntlich aber auch in der Politik nichts Wegweisendes zu schaffen. Wäre Kurt Biedenkopf in den 90er Jahren so ängstlich gewesen wie Stanislaw Tillich heute, dann hätten wir jetzt in Sachsen weder Chip- noch Autofabriken. Natürlich hat es damals Beteiligungen des Freistaates Sachsen gegeben, und es war auch – insbesondere im Zusammenhang mit den VW-Investitionen und damit einhergehenden staatlichen Beihilfen – ein ganz anderes Auftreten gegenüber der EU zu vernehmen, das den damaligen sächsischen Ministerpräsidenten sogar zum Helden einer „Spiegel“-Titelseite gemacht hat. Man braucht sicher kein Prophet zu sein, um vorherzusagen, dass Stanislaw Tillich eine solche Titel-Seite wohl nie erreichen wird.
Herr Präsident, meine Damen und Herren,
vor wenigen Tagen erhielt der Landtag die Stellungnahme der Staatsregierung zu einem Antrag der Koalitionsfraktionen CDU und SPD zum Thema „Aktivitäten der Staatsregierung zum Erhalt des IT-Standortes Dresden unter besonderer Berücksichtigung des Erhalts der Arbeitsplätze“. In ihrer Stellungnahme empfiehlt die Staatsregierung, „den Antrag in der vorliegenden Form nicht zu beschließen und gegebenenfalls zu aktualisieren“. Angesichts dieser von Staatsminister Jurk unterschriebenen Bescheinigung für die Koalition, dass ihre Politik in punkto Mikroelektronik im allgemeinen und Qimonda im besonderen überholt ist, empfehle ich Ihnen wärmstens die Annahme des heute vorliegenden Antrags der LINKEN und GRÜNEN. Denn er ist auf der Höhe der Zeit!

Als Argumentationshilfe möchte ich Ihnen das Fazit der Stellungnahme des Wirtschaftsministers ans Herz legen. Herr Jurk stellt fest, „dass QIMONDA einen zentralen Stellenwert für das Cluster einnimmt und durch vielfältige infrastrukturelle und projektbezogene Vernetzungen erhebliche Wirkungen auf Zulieferstrukturen, aber auch auf Unternehmen wie INFINEON und das neu entstandene Unternehmen Global-Foundries ausübt“. Das ist exakt der Grund dafür, warum unser Antrag richtig und notwendig ist!

Allen Abgeordneten des Sächsischen Landtags liegt ein Brief des 1. Bevollmächtigten der IG Metall Dresden und des Betriebsratsvorsitzenden von Qimonda Dresden vor, in dem anlässlich der heutigen Sondersitzung klar die Forderung nach einer Sicherung der Fortführung des Unternehmens erhoben wird. Außerdem haben sich unterdessen drei Dutzend renommierte Forscher, darunter der Nobelpreisträger Klaus von Klitzing, an die Bundeskanzlerin gewandt, um zu erreichen, dass auch der Bund seinen Anteil Verantwortung für Qimonda übernimmt.
Letzteres sollte doch eigentlich kein Problem sein, schließlich heißt der Chef im Kanzleramt Thomas de Maiziere, der sich bekanntlich als „sächsischer“ Politiker definiert und in Meißen als Direktkandidat in den Bundestag wählen lassen will.

Es wäre gut, wenn sich Herr de Maiziere künftig nicht vorrangig um die regelmäßige Aktualisierung seines Autokennzeichens und medienwirksame Auseinandersetzungen mit Mitgliedern der Bundesregierung kümmert, sondern um das, was für Sachsen wirklich wichtig ist. Der Erhalt von Qimonda steht dabei jetzt ganz oben auf der Agenda. In dem Schreiben der Wissenschaftler heißt es: „Jeder Tag zählt.“ Dem können wir nur beipflichten, und deshalb war und ist diese Sondersitzung des Landtages zwingend notwendig.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren,
ich hoffe, in einem sind wir uns alle einig: Die Zukunftsfähigkeit der Technologie von Qimonda ist unbestritten. Die Energieeffizienz der Qimonda-Chips taugt für einen strategischen Wettbewerbsvorteil, wenn die heutige Chance nicht vertan wird. Betriebsrat und IG Metall verweisen zu Recht darauf, dass ein Investorenkonzept in greifbare Nähe gerückt ist. Portugal hat seine Bereitschaft zum Engagement gezeigt, Sachsen ist jetzt am Zuge, den entsprechenden deutschen Anteil an der Rettung Qimondas zu organisieren.

Worauf ich aber heute definitiv keine Lust habe, ist noch einmal dem Schwarzer-Peter-Spiel beizuwohnen, das in den vergangenen Monaten von der Koalition versucht wurde.
Es macht nämlich nicht nur keinen Spaß, sondern ist obendrein noch lächerlich: Sie, Herr Tillich und Herr Jurk, Sie, meine Damen und Herren von CDU und SPD, regieren in Dresden und Berlin, in Land und Bund. Maßgebliche Politiker auf europäischer Ebene gehören Ihren Parteien an.
Frau Merkel kündigte vor einigen Jahren mal an, „durchregieren“ zu wollen. Das klang damals erschreckend. Aber in diesem einen Fall wäre es ein Segen für Sachsen, wenn Sie einfach mal für ein paar Stunden auf allen Ebenen „durchregieren“ würden – statt uns mit immer neuen Fotos Hände schüttelnder Herren und unverbindlichen Presseerklärungen zu versorgen. Die nämlich braucht niemand!

Springen Sie doch endlich einmal über Ihren Schatten und stimmen Sie dem vorliegenden Antrag zu! Ich bin sicher: Nicht nur die Familien der Qimonda-Beschäftigten werden es Ihnen danken.

Die sächsische Wirtschaft würde durch einen solchen Impuls der politischen Entschlossenheit einen starken psychologischen Ansporn erhalten, der in schwierigen Zeiten viele Menschen beflügeln könnte, gemeinsam neue Wege zu wagen. Deshalb bitte ich Sie ganz herzlich: Tun Sie’s einfach, meine Damen und Herren von CDU und SPD und natürlich auch allen anderen Kolleginnen und Kollegen der demokratischen Fraktionen in diesem Haus.

Heute geht es nicht in erster Linie um Fördermittel, auch nicht um Bürgschaften oder Darlehen, heute geht es um ein klares industriepolitisches Signal. Und dieses Signal muss auf Beteiligung gestellt werden!

Wir alle haben die Chance, Sachsen dadurch weiter zu bringen. Wir sollten diese Chance entschlossen nutzen.

Herzlichen Dank!

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