Geheimdienste sind ungeeignet für Sicherheitsüberprüfungen von künftigen Soldatinnen und Soldaten

André Hahn zum Gesetzes zur Änderung des Soldatengesetzes:

Die Bürgerinnen und Bürger in unserem Land haben zu Recht einen Anspruch darauf, dass der Staat sie bestmöglich vor Angriffen auf ihre körperliche Unversehrtheit und ihr Leben schützt. Deswegen erscheint es auch sinnvoll zu prüfen, wer zukünftig an Waffen ausgebildet wird. Keinesfalls sinnvoll ist es jedoch, diese Aufgabe einem Geheimdienst zu übertragen und hierfür beim MAD über 40 neue Stellen zu schaffen.


2. und 3. Lesung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Sechzehnten Gesetzes zur Änderung des Soldatengesetzes, DS 18/10009

Hierzu: Beschlussempfehlung und Bericht des Verteidigungsausschusses, DS. 18/10542 am 15.12.2016 im Bundestag

Rede von Dr. André Hahn (DIE LINKE.) zu Protokoll

Die Bürgerinnen und Bürger in unserem Land haben zu Recht einen Anspruch darauf, dass der Staat sie bestmöglich vor Angriffe auf ihre körperliche Unversehrtheit und ihr Leben schützt.

Dazu gehört auch, dass Personen, die in sicherheitsrelevanten Bereichen arbeiten, vor der Einstellung und gegebenenfalls auch während der Ausübung ihrer Tätigkeit auf ihre Zuverlässigkeit angemessen und auch regelmäßig überprüft werden.
Das gilt beispielsweise für das Personal von Atomkraftwerken oder an Flughäfen. Zu diesen sicherheitsrelevanten Bereichen gehören aber auch Beschäftigte bei der Polizei, beim Zoll, bei den Geheimdiensten – so lange es sie noch gibt – und andere Personen, die an Waffen ausgebildet werden und regelmäßig Zugang zu Waffen haben, also letztlich auch Bewerberinnen und Bewerber bei der Bundeswehr.

Im vorliegenden Gesetzentwurf geht es nun auch ausschließlich um die Sicherheitsüberprüfung von künftigen Soldatinnen und Soldaten. Dagegen lässt sich grundsätzlich kaum etwas einwenden. Gleichwohl werden wir als LINKE diesem Gesetz nicht zustimmen können, und zwar im Wesentlichen aus zwei Gründen.

Ein Grund liegt in der wirklich mehr als einseitigen Begründung mit möglichen islamistischen Bedrohungen. In den vergangenen zehn Jahren wurden nach Berichten des „Tagesspiegel“ insgesamt 24 Soldaten als Islamisten eingestuft. Aktuell werden wohl weitere zirka 60 Verdachtsfälle durch den Militärischen Abschirmdienst überprüft. Dem gegenüber stehen allein die aktuell über 250 Verdachtsfälle, nach denen sich Rechtsextremisten in die Truppe eingeschlichen haben sollen. Hier liegt das wirkliche Problem innerhalb der Bundeswehr, über das aber offenbar nicht so gern gesprochen wird!

Gleichwohl wird im Gesetzentwurf der Bundesregierung zu allererst auf die Gefahren durch islamistischen Terror hingewiesen, bevor eher beiläufig auf die unrühmliche Rolle der Bundeswehr und insbesondere des MAD im Zusammenhang mit dem rechtsterroristischen NSU eingegangen wird. Nur am Rande sei bemerkt, dass der MAD damals einige Rechtsterroristen sehr wohl kannte, immerhin sollte Uwe Mundlos sogar als V-Mann angeheuert werden.

Doch nicht die Neonazis, nicht die mögliche Unterwanderung der Bundeswehr durch Rechtsextremisten, sondern erst die islamistisch motivierten Attentate in Paris, Kopenhagen und Brüssel ließen bei der Bundesregierung die Idee keimen, man sollte vielleicht doch vorher mal genauer nachsehen, wen man da an Kriegswaffen ausbilden will.

Mit dem vorliegenden Gesetz soll nun der lange bestehende Wertungswiderspruch aufgelöst werden, wonach Tätigkeiten in allen möglichen sicherheitsempfindlichen Bereichen wie eben im Atombereich oder eben an Flughäfen eine Sicherheitsüberprüfung notwendig ist, nicht aber für die Ausbildung an Kriegswaffen. Dass dies nun korrigiert werden soll, ist deshalb nachvollziehbar und begrüßenswert, wenngleich die Gesetzesbegründung, wie eben schon erwähnt, an der Realität vorbei geht.

Es gibt aber noch einen zweiten und für uns noch wichtigere Grund, weshalb wir als LINKE den Gesetzentwurf nicht zustimmen können, nämlich die Fragen, wer denn diese Sicherheitsüberprüfungen künftig durchführen soll.

Aus unserer Sicht sind weder der Militärische Abschirmdienst noch eventuell das Bundesamt für Verfassungsschutz dafür geeignet.
Es ist ja bekannt, dass wir als LINKE den Geheimdiensten aus guten Gründen und nach jahrelanger Erfahrungen mit Pannen und Skandalen sehr skeptisch gegenüber stehen und deren Agieren parlamentarisch sehr kritisch begleiten.

Für uns ist es daher auch nicht akzeptabel, dass die beabsichtigten Sicherheitsüberprüfungen wieder durch einen Nachrichtendienst erfolgen sollen. Wir wollen die Geheimdienste perspektivisch überwinden und ihnen nicht noch immer neue Aufgaben übertragen.

Wir meinen, es ist allerhöchste Zeit, das System der Sicherheitsüberprüfungen endlich mal grundlegend zu überdenken.

Anstatt diese Aufgabe dem Verfassungsschutz oder  wie im vorliegenden Gesetzentwurf dem MAD zu übertragen, sollte geprüft werden, welche eventuell bereits existierenden oder neu zu schaffenden Institutionen oder Behörden ohne nachrichtendienstlichen Hintergrund diese Aufgabe übernehmen und vielleicht sogar auch besser erfüllen könnten.

Dass selbst eine bestandene Sicherheitsüberprüfung der Stufe 3, immerhin die höchste, die man im öffentlichen Dienst erlangen kann, noch lange keine Garantie ist, zeigte nicht zuletzt der erst kürzlich aufgedeckte Fall eines Islamisten im Bundesamt für Verfassungsschutz.

Und schließlich will ich auch noch mal darauf verweisen, was meine Kollegin Höger hier in der 1. Lesung zu Recht erwähnte: Eine der größten Radikalisierungs-Gefahren für Soldatinnen und Soldaten ist der Kriegseinsatz selbst, weil es dabei oder danach allzu oft zu schweren Traumata kommt.
Auch deshalb sollten wir deutsche Soldatinnen und Soldaten nicht länger in immer neue und immer größere Kriege in die Krisenregionen dieser Welt schicken.

Schlussendlich komme ich zu dem Ergebnis, dass es zwar sinnvoll erscheint zu prüfen, wer zukünftig an Waffen ausgebildet wird. Keinesfalls sinnvoll ist es jedoch, diese Aufgabe einem Geheimdienst zu übertragen und hierfür dort über 40 neue Stellen zu schaffen.

Aus den genannten Gründen wird meine Fraktion den vorliegenden Gesetzentwurf ablehnen