Rede zur Gründung des Wirtschaftsforums der LINKEN in Sachsen

Rede anlässlich der Gründungsveranstaltung des Landesforums Alternative Wirtschaftspolitik der sächsischen LINKEN in Zwenkau, 13.08.2010

(Anrede)
„Wirtschaftskompetenz in der parlamentarischen Auseinandersetzung“, um mit dem Beginn des mir zugewiesenen Referatstitels anzufangen, haben wir im vergangenen Jahr besonders intensiv im Zusammenhang mit der Insolvenz des größten Arbeitgebers der sächsischen Landeshauptstadt zeigen müssen.

Einer der Höhepunkte war die Debatte über einen gemeinsamen Antrag von LINKEN und GRÜNEN in der Landtagssitzung vom 19. März 2009 zum Thema: „Fortbestand des Chipherstellers QIMONDA am IT-Standort Dresden sichern!“

In der Debatte wurden wir natürlich mit altbekannten Klischees und Vorurteilen bei der Interpretation linker wirtschaftspolitischer Vorstellungen durch unsere politischen Kontrahenten rechts der Mitte konfrontiert. K.-F. Zais kann sich sicher noch gut daran erinnern.
Ich sagte damals dazu:
„Ich bitte Sie ebenso schlicht wie herzlich, uns nicht mit längst erledigten Uraltdebatten zu nerven. Landtagsabgeordnete einer Partei wie der LINKEN, unter deren Kommunalpolitikern sich überdurchschnittlich viele Selbstständige, Freiberufler und Unternehmer befinden, brauchen keine Nachhilfe in Sachen Marktwirtschaft.“
Und ich füge heute hinzu: Auch deshalb ist die Gründung eines Landesforums für eine wirtschaftspolitische Alternative in Sachsen ein logischer Schritt, der zu uns passt.
Schon im Frühjahr 2009 hatte ich im Landtag betont:

„Wir als Linksfraktion in Sachsen reihen uns nicht in die Schlange der CDU-, CSU- und SPD-Politiker ein, die zurzeit überall dort in Deutschland nach Schutzschirmen für Unternehmen rufen, wo es Probleme gibt, ohne darüber zu reden, wie sie entstanden sind. Wir als LINKE wollen einen Schutzschirm für die Menschen, und dazu gehört neben der Gewährleistung menschenwürdiger Sozialstandards auch die Stützung der Produktionsketten, die in Zukunft den Wohlstand für die gesamte Gesellschaft erwirtschaften sollen.“
Ich glaube in der Tat, und damit bin ich wieder bei der heutigen Gründung des neuen Forums, dass sich Linke nicht darauf beschränken dürfen, Verteilungsgerechtigkeit einzufordern.
Wir dürfen uns aus der Diskussion über die Produktionsverhältnisse nicht hinausdrängen lassen, denn wie schon Marx wusste: Das Sein bestimmt das Bewusstsein. Oder anders gesagt: Wer die politische Meinungsführerschaft erringen will – wie wir das um einer gerechteren Welt willen vorhaben –, der darf die ökonomischen Grundlagen nicht ignorieren. Insofern bedarf es auch einer linken Industriepolitik.
In dieser letzten großen Landtagsdebatte über Qimonda habe ich am Ende unsere wirtschaftspolitischen Vorstellungen so zusammengefasst:
„Wir sind für Hightech, weil wir gegen Niedriglöhne sind.

DIE LINKE will eine Wirtschaft, die so modern wie irgend möglich ist. DIE LINKE will eine hochproduktive Wertschöpfung auf höchstem technologischen Niveau. DIE LINKE will Innovation und Dynamik – ganz im Geiste erfolgreicher sächsischer Industrietradition. Wir wollen all dies nicht als Selbstzweck, sondern weil wir in einer schrumpfenden und älter werdenden Gesellschaft jetzt die Weichen stellen müssen, langfristig die ökonomischen Grundlagen des modernen Sozialstaates zu sichern.“
Die AG Betrieb und Gewerkschaft gibt es schon lange, sie bekommt nun mit dem wirtschaftspolitischen Landesforum quasi ein Geschwisterchen.
Ich hoffe sehr, die beiden werden sich nicht nur vertragen, sondern verstehen und ergänzen!
Das Scheitern des neoliberalen Wirtschaftsmodells in der weltweiten Finanz- und Wirtschaftskrise hat bisher Sozialstaat und Gewerkschaften nicht gestärkt, wir es viele erhofft haben.
Wenn wir ehrlich zu uns selbst sind, müssen wir einräumen, dass zwischen den pragmatischen linken Unternehmern an unserer Basis und dem landespolitischen Gesamtentwurf, den ich gerade aus parlamentarischer Sicht geschildert habe, ganz zu schweigen von unseren großen Ideen auf Bundesebene und im europäischen Rahmen, eine solide Verbindung in praktischer wie in theoretischer Hinsicht bis heute fehlt.

Und genau darin besteht unser Glaubwürdigkeitsdefizit in der öffentlichen Wahrnehmung. Sieht man sich die so genannten Kompetenzzuweisungen im Umfragen an, dann liegen wir bei Themen wie Sozialer Gerechtigkeit, Familienpolitik, Gleichstellung oder auch Bildung seit Jahren stabil zwischen 20 und 30 Prozent. Trotz intensiver Bemühungen, gerade auch in der Landtagsfraktion, haben wir dagegen im Bereich der Wirtschaft große Mühe, die 5-Prozent-Hürde zu überspringen.
Man traut uns nicht zu, auf diesem Politikfeld zukunftsorientierte und praktikable Vorschläge zu machen. Ich finde, das muss sich ändern, und die aktuellen Rahmenbedingungen dafür sind gar nicht schlecht.
Es gibt erste Schritte auf einem Weg hin zu neuen Bündnissen von Arbeit und so genanntem Realkapital gegenüber rein oder überwiegend spekulativ tätigen Fonds-Jongleuren. Auch unter Unternehmern wächst die Zustimmung für einen Mindestlohn und die Ablehnung ausufernder Leiharbeit – man sieht daran: Es gibt ein gemeinsames Interesse von Beschäftigten und Unternehmern an einer Überwindung von ruinösem Wettbewerb und Kasino-Kapitalismus. Dieses gemeinsames Interesse haben LINKE bisher zu wenig für praktische Politikangebote produktiv gemacht. Diesbezüglich erhoffe ich mir neue Impulse durch das sich nun konstituierende Landesforum der sächsischen LINKEN.

Unser Grundsatz bleibt: Gute Arbeit für ein gutes Leben. Unsere landespolitischen Leitplanken für eine Wirtschaftspolitik, die nicht auf neoliberale Abwege gerät, wurden schon von den Vorrednern genannt:
• Existenssicherndes Einkommen, d.h. auch Abschaffung prekärer Arbeitsverhältnisse wie Leiharbeit, die allein 2009 um 20% zugenommen hat und Einführung eines gesetzlichen Mindestlohns
• gerade auch im bisherigen Niedriglohnland Sachsen brauchen wir künftig eine Bindung der öffentliche Auftragsvergabe an die tarifliche Entlohnung der Beschäftigten
• die zukünftige Energiepolitik in Sachsen muss durch ein ökologisches Zukunftsinvestitionsprogramm bestimmt werden
• wir brauchen zudem eine Arbeitszeitverkürzung – ein Thema,das in den letzten Jahren etwas in den Hintergrund gerückt ist, konkret heißt das eine Begrenzung der gesetzlichen Höchstarbeitszeit von derzeit 60 auf 40 Wochenstunden ohne Einkommensverlust
• und natürlich brauchen wir eine Regulierung der Finanzmärkte und mehr Wirtschaftsdemokratie – auch und gerade in Sachsen (wir haben diesbezüglich leidviolle Erfahrungen machen müssen, haben eine Landesbank verloren und mussten für 2,75 Mrd. Euro Verlust bis 2019 bürgen. Soviel zur angeblich guten Finanzpolitik der Sächsischen Staatsregierung.

Solche Spekulationen dürfen nie wieder vorkommen. Die Einführung von Wirtschaftsdemokratie ist daher auf allen Ebenen nötig. Wir brauchen eine neue Wirtschaftsordnung, und dazu gehört als allererstes auch eine armutsfeste Grundsicherung.
Mit den 60 Thesen zur Wirtschaftspolitik, die die Fraktion vor einem Jahr vorgestellt hat, liegt ein erstes Diskussionspapier vor. Dieses Papier ist kein Dogma, aber vielleicht ein ausreichend weites Feld für Eure künftige Themenbeackerung.
Wenn ich schon Ehrlichkeit angemahnt habe, will ich mich selbst daran halten und zugeben: Ich erhoffe mir von Eurer Arbeit einen praktischen Mehrwert, auch für die Landtagsfraktion.
Ich erhoffe mir zum Beispiel Antworten auf die brennende Frage, wie wir LINKE am wirkungsvollsten dem dramatisch zunehmendem Fachkräftemangel in Sachsen begegnen wollen. Was sind dazu unsere konkreten Vorschläge?
Uns liegt seit knapp einer Woche der Entwurf des Haushaltes 2011/2012 für den Freistaat vor. Die gigantischen Kürzungen sind beredter Ausdruck der schwarz-gelben Meinung, dass die Bürger Sachsens die Krise bezahlen sollen. Unsere Philosophie ist eine andere. Schon bisher haben wir auch mit wirtschaftspolitischen Vorschlägen neues Denken in die Diskussion gebracht.

• Der verbesserte Zugang zu mehr Innovation in der kleinteiligen Firmenstruktur Sachsens durch Innovationsgutscheine zu erreichen ist eine Idee der LINKEN.
• Die konsequente Umstellung der Förderpolitik Sachsens auf revolvierende Fonds war zuerst unsere Forderung.
Durch das neue Landesforum für eine wirtschaftspolitische Alternative wird uns in Zukunft sicher noch sehr viel mehr kluges Gedankengut zur politischen Nutzung zur Verfügung stehen – zum Wohle Sachsens und zum Gedeihen einer lebendigen LINKEN – das sollte das Landesforum leisten. Und so wie ich Euch kenne und heute hier erlebe, weiß ich: Das werdet Ihr auch schaffen! In diesem Sinne ein herzliches Glück auf!

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