Rede zum Thema Aktuellen Debatte auf Antrag der Fraktion DIE LINKE zum Thema „5 Jahre Armutsrisiko Hartz IV und die Staatsregierung verharrt in Untätigkeit“

007. Sitzung des 5. Sächsischen Landtages, 20.01.2010

Rede von MdL Dr. André Hahn zur Aktuellen Debatte auf Antrag der Fraktion DIE LINKE zum Thema „5 Jahre Armutsrisiko Hartz IV und die Staatsregierung verharrt in Untätigkeit“

Es gilt das gesprochene Wort

Herr Präsident,
meine Damen und Herren,

aus Sicht der LINKEN ist klar: Fünf Jahre Hartz IV sind kein Grund zum Feiern. Vielmehr ist dieses zweifelhafte Jubiläum für uns Anlass, Bilanz zu ziehen, und diese Bilanz sieht ziemlich düster aus.

Hartz IV ist gründlich gescheitert und hat in Sachsen die Zahl der Langzeitarbeitslosen nicht wesentlich verringert. Stattdessen muss ein beträchtlicher Anstieg an Armut registriert werden. Im September 2005 waren in Sachsen bereits 547.000 Menschen auf Arbeitslosengeld II oder Sozialgeld angewiesen. Drei Jahre später waren es immer noch 523.000.

Die Vermittlung durch die ARGEN erfolgte – wenn überhaupt – oft nur in Minijobs, sodass etwa 130.000 Menschen trotz Beschäftigung auf ergänzende Leistungen angewiesen waren. So nimmt es nicht Wunder, wenn die gegenwärtige Armutsquote in Sachsen bei 20 Prozent – und mancherorts sogar weit darüber – liegt. Besonders dramatisch ist dabei die Kinderarmut mit einem Anteil von fast 30 Prozent. In Görlitz, der Kinderarmutshauptstadt Deutschlands, liegt dieser Anteil bei über 40 Prozent. All das ist wahrlich kein Grund zum Jubeln!

Dennoch werden die Befürworter der so genannten Arbeitsmarktreformen nicht müde, die angeblichen Erfolge zu preisen.  Noch bestehende Unzulänglichkeiten – so hört man von CDU und FDP – ließen sich vor allem durch mehr Druck auf die Betroffenen überwinden.  Die jüngsten Äußerungen des hessischen Ministerpräsidenten Roland Koch zur Einführung einer zwangsweisen Arbeitspflicht für Hartz-IV-Empfänger waren an Klarheit und Unverschämtheit kaum noch zu überbieten. Wir sind ja von Herrn Koch schon einige Entgleisungen gewöhnt. Was er aber jetzt von sich gegeben hat, war ein neuer unrühmlicher Höhepunkt. Seine Äußerungen sind eine Beleidigung von Millionen Menschen, die ohne eigenes Verschulden arbeitslos geworden sind. Es ist schlimm, dass ein solcher Mann immer noch Regierungschef eines deutschen Bundeslandes ist.

Schlimm ist aber auch, dass die sächsische Landesregierung bis zum heutigen Tagen jedoch keinen Anlass gesehen hat, sich eindeutig von Kochs Aussagen zu distanzieren. Die Äußerungen von Herrn Morlock waren halbherzig und der Ministerpräsident hatte wie immer zu allem keine eigene Meinung. Das kann allerdings auch kaum verwundern:

Die damalige CDU-Alleinregierung in Sachsen war bekanntlich wesentlicher Wegbereiter von Hartz IV, und die hiesige Union hat auch später immer wieder Gesetzesverschärfungen gefordert. So geht beispielsweise die Aufblähung des Sektors von Minijobs und Niedriglohn hier bei uns vor allem auf deren Konto. Sachsen ist heute mit einem Anteil von fast 30 Prozent an den Beschäftigten das Bundesland mit dem höchsten Anteil in diesem Sektor. Anstatt – wie wir es immer wieder gefordert haben – ein Landesbeschäftigungsprogramm aufzulegen und damit Arbeitsplätze zu schaffen, von denen man existieren kann, gehörte es zu den ersten Maßnahmen der neuen Staatsregierung, den Zuschuss zum Kommunal-Kombi abzuschaffen. Entweder geschah dies mit ausdrücklicher Billigung des Ministerpräsidenten oder Herr Tillich lässt sich von seinem Stellvertreter auf der Nase herumtanzen. Beides wäre gleichermaßen inakzeptabel. Das Kommunal-Kombi-Programm war sicher nicht der Weisheit letzter Schluss, aber solange kein besseres Instrument zur Verfügung steht, muss es fortgeführt werden. Hier unterstützen wir ausdrücklich die Position des sächsischen DGB.

DIE LINKE gehörte von Anfang an zu den prinzipiellen Gegnern von Hartz IV. Leider haben sich unsere Befürchtungen und Voraussagen bestätigt.
Inzwischen teilen immer mehr Experten unsere Position: So fordert der  Präsident der Volkssolidarität, Gunnar Winkler, „das Großexperiment Hartz IV endlich zu beenden“. Und Ulrich Schneider, der Hauptgeschäftsführer des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes, erklärt:
„Es macht keinen Sinn die Augen davor zu verschließen, dass Hartz IV gescheitert ist. Wir brauchen jetzt eine umfassende Reform der Arbeitsmarktpolitik.“

Genau das ist auch unsere Position, zu denen meine Kollegen Dietmar Pellmann und Thomas Kind nachfolgend noch sprechen werden. Von mir abschließend nur so viel:
1. Hartz IV ist nicht reformierbar. Das Gesetz bekämpft Arbeitslose und nicht die Arbeitslosigkeit. Deshalb gehört es abgeschafft.
2. Es muss Schluss sein mit einer Zweiklassengesellschaft bei Arbeitslosen. Alle Arbeitslosen sollten von den Arbeitsagenturen gleichberechtigt betreut und vermittelt werden.
3. Arbeitslosen und ihren Kindern ist ein menschenwürdiges Leben zu ermöglichen, am besten durch eine soziale Grundsicherung, die diesen Namen auch wirklich verdient.

Ganz zum Schluss wünsche ich mir, dass Hartz IV das zehnte Jubiläum nicht mehr erlebt!