Rede zum Haushalt 2013/2014 des Staatsministerium des Innern

(Anrede)

 

Herr Staatsminister Ulbig, als Sie von Ministerpräsident Tillich in das Amt des Innenministers berufen wurden, gab es in diesem Land nicht wenige, die damit durchaus Hoffnungen verbunden haben.

Die Kommunen setzten darauf, dass ein ehemaliger Oberbürgermeister Verständnis für ihre Sorgen und Nöte haben und sich künftig für ihre Belange deutlich stärker einsetzen würde, als das zuvor der Fall gewesen ist.

 

Die Polizisten setzen darauf, dass der Bürgermeister einer Kreisstadt aus eigener Erfahrung weiß, wie wichtig die Polizeipräsenz vor Ort ist und als neuer Innenminister den beabsichtigten Personalabbau deshalb stoppen werde.

 

Und Menschen, die sich seit vielen Jahren gegen Nazi-Aktivitäten engagierten, setzten darauf, dass jemand, der aus der Sächsischen Schweiz kommt, also einer Region, die als Hochburg der NPD galt und in Pirna (zumindest ausgewählte) zivilgesellschaftliche Initiativen aktiv unterstützt hat, sein neues Amt dazu nutzen würde, sich weiterhin ganz entschieden gegen das Treiben der extremen Rechten stark zu machen.

 

Ich persönlich war von Anfang an skeptisch, hätte mich aber wirklich gern geirrt. Wenn wir heute nun im Zusammenhang mit der Debatte über den nächsten Doppelhaushalt Bilanz ziehen, dann kommt man aber nicht umhin festzustellen: Herr Ulbig hat nahezu alle in ihn gesetzte Erwartungen enttäuscht. Ja, Herr Innenminister, Sie sind eine glatte Enttäuschung! 

Den Kommunen geht es keinen Deut besser als bei ihrem Amtsantritt. Die Finanzlage ist vielerorts und insbesondere in den Landkreisen dramatisch. Statt den Städten und Gemeinden zu helfen, setzen Sie allein auf forcierte Gemeindezusammenschlüsse, durch die zum Teil jahrhundertealte Dörfer beerdigt werden, ohne dass es nachweisbare Einspareffekte gibt.

 

Was die Polizistinnen und Polizisten in diesem Land anbelangt, so haben viele von ihnen das Gefühl, dass ihre Interessen in den letzten zwei Jahrzehnten noch nie so schlecht vertreten worden sind wie vom derzeitigen Ressortchef. Es gibt wohl kaum ein schlechteres Zeugnis, dass man einem amtierenden Innenminister ausstellen kann.

Alle Versuche der Opposition, den geplanten Stellenabbau bei der Polizei rückgängig zu machen oder wenigstens zu stoppen, sind gescheitert und wurden zuletzt auch bei den Haushaltsberatungen im Innenausschuss abgelehnt.

 

Die Abstimmungen der letzten Tage haben gezeigt: CDU und FDP wollen den seit längerem laufenden und schon jetzt unverantwortlichen Stellenabbau bei der Polizei fortsetzen und sogar noch weiter forcieren. Lediglich in den bevorstehenden Wahljahren 2013 und 2014 wird eine kleine Pause eingelegt, um die Wählerinnen und Wählern nicht übermäßig zu verschrecken. Hier sollen „nur“ 94 bzw. 91 Stellen wegfallen. Dann aber kommt es mit voller Wucht – bis 2021 sollen 1.041Stellen nicht wiederbesetzt und damit gestrichen werden. Für die Zeit nach 2021 sollen dann noch einmal 798 Stellen abgebaut werden. Dies ist bereits jetzt durch die Ausbringung so genannter kw-Vermerke (für „künftig wegfallend“) beschlossen worden.

Wir als LINKE bleiben dabei: Wer wie CDU und FDP gleich tausendfach Polizeistellen abbaut und sich auch einem ausreichenden Einstellungskorridor für junge Polizeianwärter entgegenstellt, der wird selbst zum größten Sicherheitsrisiko für Sachsen.                                                                      

Mit weniger Polizisten das Gleiche wie bisher oder sogar noch mehr leisten, das kann und wird nicht funktionieren. Das wissen letztlich wohl auch die Regierenden, weshalb sie eher halbherzig versuchen, die Beamten durch einige Höhergruppierungen zumindest etwas zu motivieren, die Streichung der Sonderzahlung aber wird nicht zurückgenommen. Die Proteste der Polizeigewerkschaften dagegen waren absolut nachvollziehbar und haben  unsere volle Unterstützung.

Als besonders verheerend finde ich persönlich das Versagen des Innenministers bei der Bekämpfung der Organisationen und Strukturen der extremen Rechten. Bei genauerer Betrachtung fing die selektive Wahrnehmung ja schon zu seinen Pirnaer Zeiten an. Die „Aktion Zivilcourage“, deren Verdienste in der Auseinandersetzung mit den Nazis niemand in Frage stellt, wurde hofiert und auch finanziell massiv unterstützt, später sogar in die Stadtverwaltung und jetzt ins Ministerium eingebunden, während andere Gruppen wie Akubiz, das Alternative Kultur- und Bildungszentrum Pirna, als vermeintlich zu links über Jahre im Regen stehen gelassen wurden. Und bei aller Skepsis gegenüber Herrn Ulbig hätte ich nie für möglich gehalten, dass gerade er einmal einer der größten Verfechter der so genannten Extremismusklausel werden würde.

Wir als LINKE bleiben bei unserer Forderung: Diese unsägliche Klausel zur Beantragung von Fördermitteln des Landes muss schnellstens abgeschafft werden!

Versagt hat der Innenminister auch beim Umgang mit den antifaschistischen Aktivitäten gegen den Missbrauch des Gedenkens an die Opfer des 13. Februar 1945 in Dresden durch rechte Gruppierungen.                                                                                        

Er persönlich trägt die politische Verantwortung dafür, dass der Kurs des friedlichen Protestes gegen den geplanten Nazi-Aufmarsch im Jahr 2010 nicht fortgesetzt werden konnte und es 2011 zu absolut vermeidbaren Auseinandersetzungen gekommen ist.

Herr Ulbig hat es nicht für nötig gehalten, gegen den absurden Beschluss des Dresdner Amtsgerichts zum Polizeieinsatz in Berufung zu gehen, der auf Antrag der NPD ergangen war.            

Anstatt dass alle Demokraten sich gemeinsam den Nazis entgegenstellen, wurde für den erfolgreichen Protest des Jahres 2010 bei über 12.000 Beteiligten gegen vier Personen Anklage wegen der vermeintlichen Sprengung einer Versammlung erhoben. Alle vier waren rein zufällig Fraktionsvorsitzende der LINKEN in Sachsen, Thüringen und sogar in Hessen.

Das Verfahren gegen mich wurde nach zweieinhalb Jahren Dauer vor gut einem Monat eingestellt. Sämtliche Kosten hat die Staatskasse zu tragen. Ich danke in diesem Zusammenhang all jenen, die hier im Landtag gegen die Aufhebung meiner Immunität gestimmt haben und ich hoffe, dass die Kollegen, die vor knapp einem Jahr für die Aufhebung votiert haben, zumindest einmal darüber nachdenken, wie wir hier im Parlament unsere politische Verantwortung gegenüber offenkundigen Nazi-Aktivitäten wahrnehmen.

Aus Zeitgründen verzichte ich heute darauf, noch einmal auf das jahrelange Versagen des sächsischen Verfassungsschutzes einzugehen, das ja nicht nur in Sachen NSU zu verzeichnen war. Der Minister stand dem weitgehend hilflos gegenüber und hatte bislang auch nicht die Kraft zu durchgreifenden strukturellen Reformen in diesem Bereich.   

Und Herr Ulbig trägt er auch die politische Verantwortung für die vermutlich größte Handydatenausspähung in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland. Zehntausende friedliche Demonstranten wurden dabei erfasst, ohne dass es bei ihnen auch nur den geringsten Anfangsverdacht für Straftaten gab. Erfasst wurden auch Journalisten, Rechtsanwälte und Politiker, die aus gutem Grund unter einem besonderen Schutz stehen.  

Die Staatsregierung hat all das ebenso wenig interessiert wie die fundierte Beanstandung des Sächsischen Datenschutz-Beauftragten.

Anstatt die offenkundigen Fehler zu korrigieren, gab der Innenminister auf Steuerzahlerkosten ein teures Gegengutachten in Auftrag, das den aussichtslosen Versuch unternahm, die Ausspähaktionen zu rechtfertigen. Überhaupt scheinen Sie ja vor allem auf technische Hilfen zu setzen, wie die aktuellen Debatten über die KfZ-Kennzeichenerkennung zeigt. Wir als LINKE meinen: Noch mehr Technik bei weniger Polizisten und Kürzungen bei der Prävention – das ist mit Sicherheit der falsche Weg!

Deshalb braucht Sachsen eine andere Politik, deshalb braucht Sachsen andere Mehrheiten und deshalb wird dies der letzter Haushalt sein, den eine CDU/FDP-Koalition zu verantworten hat. Herzlichen Dank.

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