Rede während der Aktuellen Debatte auf Antrag von CDU und FDP zum Thema: „Die neue Bildungsempfehlung: Leistungsgerechtigkeit und Flexibilität für sächsische Schüler“

013. Sitzung des 5. Sächsischen Landtages, 28.04.2010

Rede während der Aktuellen Debatte auf Antrag von CDU und FDP zum Thema: „Die neue Bildungsempfehlung: Leistungsgerechtigkeit und Flexibilität für sächsische Schüler“

Auszug Protokollmitschrift

Herr Präsident!
Meine sehr verehrten Damen und Herren!

Die von CDU und FDP beantragte Aktuelle Debatte ist dieses Mal wirklich aktuell, denn die vom Kultusminister kürzlich angekündigte deutliche Verschärfung der Zugangskriterien für das Gymnasium beschäftigt ohne Zweifel die Gemüter im Land. Ich denke, die Aufregung darüber besteht völlig zu Recht.

Wieder einmal allerdings wurde diese Entscheidung am Parlament vorbei getroffen. Durch diese Entscheidung werden die Berufs- und damit auch Lebensperspektiven Zehntausender junger Menschen in unserem Land massiv beeinträchtigt werden. Das ist die Wahrheit, Herr Bläsner. Das ist keine Schnellstraße, für viele Jugendliche ist es eine Einbahnstraße oder gar eine Sackgasse.

(Beifall bei der Linksfraktion und der Abg. Dr. Eva-Maria Stange, SPD)

Aus Sicht der Linken ist völlig klar: Wir brauchen in Sachsen nicht weniger, sondern wir brauchen deutlich mehr Abiturienten und auch mehr Studierende, wenn wir die Herausforderungen der Zukunft wirklich meistern wollen. CDU und FDP dagegen wollen offenbar das gegliederte Schulwesen erhalten, koste es, was es wolle. Wir halten einen solchen Kurs für unverantwortlich.

Was bedeuten denn die jüngsten Entscheidungen des Kultusministers im Kern, wenn sie um-gesetzt werden? Es werden in den kommenden Jahren deutlich weniger Jungen und Mädchen in der Klasse 4 eine Bildungsempfehlung für das Gymnasium erhalten. Die vermeintliche oder vielleicht tatsächliche Elite soll weiter unter sich bleiben, und zwar ab dem Alter von zehn bzw. elf Jahren.

Wer für einen solchen Kurs steht, das zeigen nicht zuletzt die heftigen bildungspolitischen Diskussionen, die wir gegenwärtig in Hamburg erleben. Dort ist es die FDP, die sjch massiv dagegen wehrt. Besser Verdienende und Superreiche in den Hamburger Nobel-Gegenden wehren sich mit allen Mitteln dagegen, dass es längeres gemeinsames Lernen in Hamburg gibt.
Die Hamburger Landesregierung wird bekanntlich von der CDU und den GRÜNEN gestellt.

(Johannes Lichdi, GRÜNE: Genau!)

Die wollen dort die viel zu frühe Trennung der Kinder nach der Klasse 4 beenden, und zwar mit Unterstützung der CDU. Die Gutbetuchten allerdings wollen am liebsten alles beim Alten lassen.

(Jürgen Gansel, NPD: Vor allem nicht mit Ausländerkindern unterrichtet werden! Das spielt auch eine Rolle.)

Die Bürgerinnen und Bürger in Hamburg werden in Kürze in einem Bürgerentscheid darüber entscheiden. Lassen Sie doch die Sachsen auch entscheiden, ob sie längeres gemeinsames Lernen wollen. Ich bin da sehr zuversichtlich.

(Beifall bei der Linksfraktion)

Wir haben Befragungen, die Ihnen auch bekannt sind, die besagen, dass 70 bis 80 % für ein längeres gemeinsames Lernen sind. Nur Sie von der CDU, insbesondere in Sachsen, verweigern sich dieser Realität.

Die Hamburger sind aufgeschlossen, weltoffen und fortschrittlich. Das allerdings kann man von der sächsischen Landesregierung nicht behaupten.

Im Übrigen reicht das Bündnis für längeres gemeinsames Lernen in Hamburg von der CDU über die GRÜNEN, die Sozialdemokraten bis hin zur LINKEN. Das ist eine wirklich breite Bewegung für eine Reform des Schulsystems. Wir wollen das. Man hat sich in Hamburg sogar ein von allen Parteien getragenes Plakat einigen können. Alle Parteien verwenden dort das gleiche Plakat für längeres gemeinsames Lernen. Die CDU hatte ein Problem damit, auf dem Plakat neben dem Logo der LINKEN das Logo ihrer Partei zu haben. Das hätte vielleicht auch bei uns den einen oder anderen Wähler irritiert. Nun haben also alle Parteien das gleiche Plakat mit ihrem jeweiligen Logo. Damit kann ich aber leben, wenn sich wirklich etwas verändert und nach vorn geht. In Sachsen ist das Gegenteil der Fall.

Meine Damen und Herren! Wir wollen das, was in Hamburg möglich und in anderen Ländern schon lange gang und gäbe ist, auch in Sachsen. Wir wollen hier ein längeres gemeinsames Lernen. Die hiesige CDU ist aber im vorigen Jahrhundert stehen geblieben. Das ist wahrlich kein Ruhmesblatt.

Zu den Details wird meine Kollegin Falken dann noch sprechen. Aber eines will ich schon fest-halten: Die von der hiesigen Koalition geplanten Veränderungen führen nicht nur dazu, dass immer weniger Kinder auf das Gymnasium gehen, sie bedeuten zugleich auch, dass für Spätentwickler künftig so gut wie keine Chance mehr vorhanden sein wird, die Hochschulreife zu erlangen.

(Zuruf von der CDU: Unsinn!)

Das ist im Übrigen nicht nur wegen der unzureichend vorgehaltenen zweiten Fremdsprache der Fall, Herr Kollege Herbst. Das wissen Sie ganz genau. Es geht auch um die verschärften Bildungsempfehlungen nach der Klasse 6. Wir meinen, das ist der falsche Weg.

Ich bin mir sicher, nicht nur wir als Linke, sondern die überwiegende Mehrzahl der Menschen im Land steht für längeres gemeinsames Lernen. Das und nichts anderes ist das Gebot der Stunde.

(Beifall bei der Linksfraktion und der Abg. Dr. Eva-Maria Stange und Thomas Jurk, SPD)

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