Rede innerhalb der Aktuellen Debatte auf Antrag der Fraktion GRÜNE zum Thema „20 Jahre CDU-Regierung in Sachsen: Wem gehört der Freistaat“

010. Sitzung des 5. Sächsischen Landtages, 11.03.2010

Rede innerhalb der Aktuellen Debatte auf Antrag der Fraktion GRÜNE zum Thema „20 Jahre CDU-Regierung in Sachsen: Wem gehört der Freistaat“

Auszug Protokollmitschrift

Herr Präsident!
Meine Damen und Herren!

,,20 Jahre CDU-Regierung in Sachsen: Wem gehört der Freistaat?“ Es ist eigentlich bedauerlich, dass man darüber überhaupt diskutieren muss, aber die CDU bietet immer wieder An-lässe dafür, dass das notwendig ist. Um die Frage gleich zu beantworten – und möglicherweise wird das den einen oder anderen Kollegen von der Union verwundern:

Der Freistaat Sachsen gehört nicht der CDU, er gehört den Bürgerinnen und Bürgern in diesem Land.

(Christian Piwarz, CDU: Wer hat denn das behauptet? – Beifall bei der Linksfraktion)

Ich weiß, manche in der CDU sehen das offenbar anders, viele haben inzwischen die Boden-haftung verloren. Über 20 Jahre ist eine neue Staatspartei entstanden, die sich das Land zu ihrer Beute gemacht hat.

(Alexander Krauß, CDU: Die CDU ist durch Wahlen an die Macht gekommen und nicht wie die Linksfraktion!)

Beweise dafür gibt es in Hülle und Fülle. Man muss gar nicht unbedingt in die Vergangenheit zurückblicken. Selbst heute findet ein Ereignis statt, das tief blicken lässt. Antje Hermenau hat darauf hingewiesen. Vor dem Landtag ist ein Gerüst aufgebaut. Dort werden der CDU-Ministerpräsident und der Landtagspräsident heute ein überdimensioniertes Transparent zur Erinnerung an 20 Jahre friedliche Revolution enthüllen. Zahlreiche Medienvertreter werden erwartet. Die Opposition wurde gleich gar nicht zu dieser Veranstaltung eingeladen. Das lässt für Ihr Demokratieverständnis, meine Damen und Herren, sehr tief blicken.

(Beifall bei der Linksfraktion, der SPD und den GRÜNEN – Zuruf des Abg. Klaus Bartl, Links-fraktion)

Auf dem Großbanner soll stehen: „Hier bestimmen Sie!“. Das, was die meisten CDU-Abgeordneten wirklich denken, haben sie sich natürlich nicht draufzuschreiben getraut. Eigentlich hätten Sie am liebsten draufgeschrieben „Hier bestimmt die CDU“. Deshalb haben Sie sich gestern auch nicht den Demonstranten gestellt. Deshalb mussten der Ministerpräsident und der Finanzminister erst durch die Opposition gezwungen werden, überhaupt an der Debatte über die geplanten Sozialkürzungen teilzunehmen.

Ich habe vorhin gesagt: „Die CDU hat sich das Land zu ihrer Beute gemacht.“. Wie das in der Praxis aussieht, lässt sich exemplarisch am Beispiel der Sächsischen Schweiz zeigen. Fast alle wichtigen Institutionen in dieser Region sind von CDU-Leuten geführt – und zwar von Leuten, die nicht nur ein CDU-Parteibuch haben, sondern von Mandatsträgern: Bundestagsabgeordneten, Landtagsabgeordneten, Landräten, Bürgermeistern oder Stadträten, die dort das Sagen haben.

(Uta Windisch, CDU: Die sind alle gewählt worden!)

Ich kann aus Zeitgründen nur einige dieser Institutionen nennen: Tourismusverband, Deutsches Rotes Kreuz, Verwaltungsrat der Sparkasse, Volkshochschule, Kulturkonvent, Verkehrsverbund Obereibe, Zweckverband Abfallwirtschaft, Kreissportbund, Aufsichtsrat Nahver-kehrsgesellschaft, Festival „Sandstein und Musik“, wichtige Fußballvereine und, und, und.

Meine Damen und Herren, so sieht es fast überall in Sachsen aus. Deshalb sage ich: Wer will, dass man in diesem Land endlich wieder frei atmen kann, der muss den schwarzen Filz durchbrechen.

(Zuruf des Abg. Robert Clemen, CDU – Beifall bei der Linksfraktion, der SPD und den GRÜNEN)

Die Sponsoringaffäre des Sächsischen Ministerpräsidenten ist nur eine logische Fortsetzung dieser Tendenzen. Ich bleibe dabei: Der Vorwurf der faktischen Käuflichkeit des Minister-präsidenten im Interesse seiner Partei steht im Raum. Deshalb muss sich Herr Tillich aus meiner Sicht dazu heute auch hier erklären.

Herr Tillich, die Sponsoren haben doch nicht für ein Foto mit dem CDU-Landesvorsitzenden Geld bezahlt. Statt dessen wollten sie für ihre Publikationen ein Foto mit dem Ministerpräsidenten. Genau darin liegt der Missbrauch. Deshalb halten wir auch eine grundsätzliche Novellierung des Parteiengesetzes für dringend erforderlich, meine Damen und Herren. Ansonsten wird die Abhängigkeit der Politik von der Wirtschaft mittelfristig immer stärker werden. Herr Tillich hat zwar behauptet, er sei nicht käuflich. Durch die erfolgten Geldzahlungen ist er jedoch mindestens befangen. Genau das, meine Damen und Herren, ist nicht hinnehmbar.

Gestatten Sie mir zum Abschluss eine letzte Bemerkung. Herr Ministerpräsident – Sponsoring hin oder her -, ich sage Ihnen: Wenn Sie mit Ihrer Politik so weitermachen wie bisher, beispielsweise bei den Sozialkürzungen und allem, was Sie noch so angekündigt haben, wird es nicht mehr allzu lange dauern und Sie werden dafür bezahlen müssen, dass sich mit Ihnen überhaupt noch jemand fotografieren lässt.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der Linksfraktion und den GRÜNEN)

Zweite Rede innerhalb der Debatte

Herr Präsident!
Meine Damen und Herren!

Ich möchte zu dem Letzten, Herr Flath, was Sie gesagt haben, gern noch eine Bemerkung machen: Wenn Sie vorhin deutlich gemacht haben, dass die Verträge so gestaltet sein müssen, dass die Firmen glaubhaft machen können, dass es im unternehmerischen Interesse liegt, dass sie dieses Geld an die CDU geben – das ist ja wohl deshalb wichtig, damit sie dieses Geld von der Steuer absetzen und die entsprechenden Nachweise erbringen können.

Das heißt aber im Klartext, was für Sie offenbar überhaupt kein Problem ist: Das Geld, das
ansonsten eigentlich dem Steuersäckel, dem Staatshaushalt zugestanden hätte, wird über diesen Weg in die Parteikassen der CDU umgeleitet. Darin sehe ich, darin sieht meine Fraktion schon ein sehr ernsthaftes Problem.

(Beifall bei der Linksfraktion – Zurufe von der CDU)

Ich möchte gern noch etwas zu dem immer wieder erhobenen Vorwurf zum SED-Parteivermögen sagen. Ich weiß, Ihnen fällt nichts anderes mehr ein, weil Sie uns andere Dinge nirgendwo nachweisen können.

(Robert Clemen, CDU: Das ist doch nachgewiesen worden!)

Ich will trotzdem gern etwas dazu sagen: Der Deutsche Bundestag hat mit den Stimmen der CDU eine „Unabhängige Kommission Parteienvermögen“ eingesetzt. Diese unabhängige Kommission wurde unter anderem von Herrn Prof. Papier geleitet, jetzt Präsident des Verfassungsgerichtshofes der Bundesrepublik Deutschland. Diese Kommission hat nach vielen Jahren einen Bericht über alle diese finanziellen Vorgänge vorgelegt. Darin können Sie ersehen, wann welche Konten gesperrt wurden, was beschlagnahmt worden ist, was juristisch verfolgt worden ist. Im Ergebnis der Verhandlungen sind der damaligen PDS drei Gebäude, drei Häuser – unter anderem das zentrale Parteihaus in Berlin, eines in Erfurt und ein Tagungshotel in Eggersberg – zurückgegeben worden. Drei Häuser – und der Bericht ist an dieser Stelle eindeutig.

Hören Sie auf mit Ihren permanenten Unterstellungen; sie entbehren jeder Grundlage! Lesen Sie den Bericht, und dann können wir darüber diskutieren.

(Beifall bei der Linksfraktion – Zuruf des Abg. Robert Clemen, CDU)

Ich habe vorhin gesagt, wie viele Ämter, wie viele Posten von CDU-Mandatsträgern in diesem Land bekleidet werden, von Ihnen besetzt sind – im Sport, in der Kultur, im Tourismus, in der Wirtschaft. Dazu kam vorhin der Zwischenruf der CDU „Die sind doch alle gewählt!“, was die Mandatsträger angeht. Ich will auch dazu gern etwas sagen, weil ich das für wichtig halte. Wie das praktisch aussieht, konnte man auch in meiner Region jüngst erst sehen: Da geht der ehemalige CDU-Landrat, der das Amt innehat, aus Altersgründen in den Ruhestand; es wird quasi an die Enkelgeneration verschenkt. Der Kollege Wehner hat noch nicht einmal hier im Landtag richtig Platz genommen, da wird der Vorstandsposten beim Deutschen Roten Kreuz frei. Den bekommt er nicht etwa, weil er für das Deutsche Rote Kreuz über viele Jahre intensiv gearbeitet hat, gute Kenntnisse hat, sich dort einbringen kann – er bekommt den Posten, weil er gerade CDU-Landtagsabgeordneter geworden ist. Er nimmt dann als Vizevorstandschef noch seinen Wahlkampfberater oder Junge-Union-Freund mit – der eine ist der Vorstandschef, der zweite ist der Wahlkampfmanager. Genau das ist der Missbrauch, der in diesem Land stattfindet.

(Beifall bei der Linksfraktion und der NPD)

So sieht es in vielen Institutionen aus, und das kritisieren wir, und häufig sagen mir die Leute: Wir haben in der Mitgliederversammlung nicht den fachlich Besten gewählt, der unsere Interessen am besten vertritt, sondern Sie sagen, wir erhoffen uns Zugang zu Fördergeldern, wir erhoffen uns, bei Ausschreibungen Zuschläge zu bekommen, also z. B. bei Rettungsdiensten, wir brauchen die Person deshalb und nicht, weil er besonders viel für uns geleistet hat, – –

Präsident Dr. Matthias Rößler: Erlauben Sie eine Zwischenfrage, Herr Kollege?

Dr. Andre Hahn, Linksfraktion: Aber natürlich.


Dr. Andre Hahn, Linksfraktion: Ich will die Frage gern beantworten: Erstens bin ich auch Mitglied in mehreren Vereinen – das kann man alles nachlesen -; das Problem besteht darin, dass meine Aufgabe als Fraktionsvorsitzender so zeitintensiv ist, dass ich keine Vorsitze in Vereinen und Verbänden übernehmen kann.

Aber ich habe aus meiner Sicht einen Systemfehler deutlich gemacht, der existiert, und ich könnte jetzt jede einzelne Institution aus meinem Landkreis exemplarisch für Sachsen durchgehen. Wenn die Leute beim Sport sagen, es gibt eine Findungskommission, wird dann schon diskutiert: Entweder wird es der ehemalige Kreisrat der CDU oder es wird der ehemalige Beigeordnete der CDU aus dem anderen Kreis, der den Sportbund übernimmt.

(Zuruf von der CDU)

Diese Diskussionen sind es, die zur Politikverdrossenheit führen.

(Zuruf von der CDU: Quatsch!)

Ich spreche das an, weil daran aus meiner Sicht tatsächlich deutlich wird, wie die CDU dieses Land begreift, diesen Staat begreift und wie sie versucht, alles zu dominieren. Genau das wollen wir als LINKE nicht, und genau das verträgt eigentlich auch die Demokratie in unserem Lande nicht.

(Beifall bei der Linksfraktion und den GRÜNEN)

Herr Präsident, gestatten Sie mir eine letzte Bemerkung.

Präsident Dr. Matthias Rößler: Sie haben noch 30 Sekunden, Herr Kollege.

Dr. Andre Hahn, Linksfraktion: Und zwar will ich, da Nordrhein-Westfalen mehrmals angesprochen worden ist, auf folgendes hinweisen: Es hat gestern die Debatte im dortigen Land-tag gegeben. Der Ministerpräsident, Herr Rüttgers, hat sich in dieser Debatte gestellt. Er hat die Position seiner Partei, seine Position zu den Vorgängen, auch seine Verantwortung dort klargestellt.

Ich erwarte – und das gehört sich gegenüber dem sächsischen Parlament -, dass sich der Ministerpräsident des Freistaates Sachsen in gleicher Weise wie der Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen zu diesen Vorwürfen äußert. Das sind Sie auch den Bürgerinnen und Bürgern, die uns in dieses Parlament entsandt haben, schuldig. Ich fordere Sie ausdrücklich dazu auf!

(Beifall bei der Linksfraktion)

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