Rede auf dem 7. Landesparteitag der LINKEN in Sachsen

„Sachsen auf dem Weg zu den Bundestagswahlen 2013“

(Chemnitz, 20.10.2012 – Es gilt das gesprochene Wort!)

 

 

(Anrede)

 

Dies ist seit vielen, vielen Jahren meine erste Parteitagsrede, die ich nicht als Parlamentarischer Geschäftsführer oder als Vorsitzender der Landtagsfraktion halte, aber natürlich will ich weiter kräftig mitmischen in der sächsischen und künftig auch in der Bundespolitik.

Es ist mir bekanntlich nicht leicht gefallen, den Fraktionsvorsitz Ende Juli abzugeben, aber ich war und bin der Auffassung, dass gerade wir als größter Landesverband der LINKEN eine besondere Verantwortung für die Gesamtpartei haben. Deshalb schaue ich jetzt nach vorn und möchte meinen Beitrag dazu leisten, dass wir auch im nächsten Deutschen Bundestag wieder mit einer starken Fraktion vertreten sind.

 

Bevor ich dazu einige Anmerkungen mache, will ich aber gern die Gelegenheit nutzen, mich auch einmal öffentlich bei all jenen zu bedanken, die mich in den letzten Jahren in meiner parlamentarischen Arbeit unterstützt und gefördert haben. Dazu gehören Abgeordnete und Mitarbeiter der Landtagsfraktion ebenso wie Vertreter des Landesvorstandes, viele Kreisvorsitzende und Kommunalpolitiker sowie die Fraktionsvorsitzenden der Kreistage und Kreisfreien Städte, mit denen ich mich regelmäßig konsultiert habe.

Ich danke natürlich allen Mitgliedern und Sympathisanten, die mich in der zurückliegenden Zeit kritisch, konstruktiv und solidarisch begleitet haben, ich danke jenen Kolleginnen und Kollegen, mit denen ich im Fraktionsvorstand besonders intensiv zusammengearbeitet habe, also Andrea Roth, Conny Falken und Klaus Tischendorf, und ich danke ganz besonders den alten „Kämpen“ in der Fraktion, von denen ich seit 1991 sehr viel gelernt habe, angefangen von Peter Porsch, Angela Schneider und Brigitte Zschoche über Regina Schulz, Maria Gangloff, Michael Friedrich und Dietmar Pellmann bis hin zu unserem langjährigen Fraktionsgeschäftsführer Andreas Graff und dem ersten Vorsitzenden der Landtagsfraktion Klaus Bartl. Sie alle haben die PDS geprägt und auch den Übergang zur LINKEN mit gestaltet. Dafür sollte man einfach mal danke sagen.  

 

Ganz klar: Jede Partei braucht Erneuerung und gerade DIE LINKE braucht auch neue, junge Gesichter und frische Ideen, aber ich finde, an der fachlichen und auch menschlichen Kompetenz der eben Genannten sollten sich auch jene messen lassen, die heute Ämter und Mandate in unserer Partei anstreben.

 

Wir brauchen auf allen Ebenen, von der Kommune über den Landtag bis hin zum Bundestag eine vernünftige Mischung von jungen und erfahrenen Politikerinnen und Politikern. Sofern die Landesvertreterversammlung dem Vorschlag des Landesvorstandes sowie des Kleinen Parteitags folgt, könnten Katja Kipping und ich für 2013 ein solches Team bilden.

Katja ist im Vergleich zu mir noch sehr jung, aber politisch durchaus schon erfahren, ich bin mit 49 Jahren ganz gewiss noch nicht alt, kann aber doch schon auf zwei Jahrzehnte politischer Arbeit und viele Wahlkämpfe aufbauen, und eines ist ja wohl klar: Katja wird im kommenden Jahr als Parteivorsitzende bundesweit im Einsatz sein, zugleich aber müssen auch die zahlreichen Wahlkampfveranstaltungen in ganz Sachsen abgesichert werden.  

Dazu will ich gemeinsam mit allen Direktkandidatinnen und -kandidaten gern beitragen.

 

Immer wieder habe ich erlebt, dass wir im Landtag an Grenzen gestoßen sind, wenn wir wichtige Themen, die die Menschen in unserem Land bewegen, auf die Tagesordnung gesetzt haben, seien es die Hartz-IV-Regelsätze, sei es die unsägliche Praxisgebühr, die endlich wieder abgeschafft werden muss, seien es andere Aspekte der Gesundheitspolitik, des Mietrechts oder beispielsweise auch der Energiewende, sei es die von uns geforderte Einführung eines flächendeckenden gesetzlichen Mindestlohnes, sei es die falsche Anhebung des Renteneintrittsalters auf 67 Jahre oder sei es die längst überfällige Angleichung der Renten Ost an die Renten West. Für all diese Fragen gibt es keine Entscheidungskompetenz der Länder, darüber befindet nun mal der Deutsche Bundestag.

 

Deshalb ist es ja auch so wichtig, dass wir als LINKE dort auch in Zukunft möglichst stark vertreten sind, um zu einem wirklichen Politikwechsel beitragen zu können.   

Schwarz-Gelb muss weg, aber eine Neuauflage der großen Koalition ist auch keine Lösung, doch genau darauf läuft derzeit alles hinaus. Die Entscheidung für Steinbrück als Kanzlerkandidat der SPD hat diesen Eindruck noch verstärkt. Ich komme darauf noch zurück.

 

Ich habe bei meiner Nominierung auf dem Kleinen Parteitag im Juni schon detailliert dargelegt, welche Schwerpunkte ich sehe und wofür ich mich im Bundestag besonders stark machen möchte. Das will ich heute nicht alles wiederholen. Aber ich will aus aktuellem Anlass doch auf vier Punkte gern eingehen.

Beginnen möchte ich mit den Vorwürfen gegen einen unserer beiden Parteivorsitzenden, nämlich Bernd Riexinger, nach seinem jüngsten Besuch in Griechenland.

Während die Bundeskanzlerin beim Regierungschef in Athen war, um ihn – freundlich formuliert – von der Notwendigkeit weiterer Sozialkürzungen zu überzeugen, war Bernd Riexinger auf der Straße bei jenen Menschen, die dagegen zurecht protestieren. Ich finde, das war absolut richtig, und er hat ein wichtiges Zeichen gesetzt. 

 

Ich habe eine ganz persönliche Beziehung zu Griechenland. Ich war vor einigen Jahren als offizieller Vertreter der PDS auf dem Parteitag der PASOK in Athen, auf dem Papandreou zum Parteivorsitzenden gewählt wurde. Das war ein Parteitag, wie ich ihn bis dato noch nie erlebt hatte. In einer riesigen Halle kamen mehr als 12.000 Delegierte zusammen und diskutierten über die Zukunft ihres Landes und die Ablösung der konservativen Regierung. Ich bin damals auf dem Flughafen in Athen gelandet und für die ausländischen Gäste gab es ein Abendessen mit Papandreou, an dem auch der frühere Premierminister Kostas Simitis teilnahm. Dieses Treffen fand im Hafen von Piräus statt.

 

In dieser Woche nun war zu hören, dass die jetzige griechische Regierung weiteres Staatseigentum privatisieren, also verkaufen will, darunter auch den Flughafen und den Hafen von Piräus. Anders seien die Sparvorgaben der so genannten Troika nicht umsetzbar. Wo sind wir eigentlich hingekommen?

Das habe ich mich auch gefragt, als Papandreou, der ja dann Ministerpräsident geworden war, im vergangenen Jahr eine Volksabstimmung über die geforderten Kürzungsprogramme durchführen wollte, sich sofort danach massivsten Angriffen von anderen europäischen Regierungen ausgesetzt sah und wenig später von seinem Amt zurücktreten mussten.

Das geplante Referendum wurde in der EU offenbar als Bedrohung empfunden.

Eine Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger an sie unmittelbar betreffenden und zum Teil existenziellen Entscheidungen ist ja bekanntlich auch in der Bundesrepublik Deutschland von den Regierenden nicht gewollt.

Ich sage ganz klar: Wir als LINKE haben keine Angst vor dem Volk!     

Die Angriffe der politischen Konkurrenz auf Bernd Riexinger und auch die Berichten einiger Boulevard-Blätter waren maßlos und sie waren heuchlerisch. Was Riexinger in Athen getan hat, war kein Vaterlandsverrat, wie zu lesen war, sondern Ausdruck der Solidarität mit dem gebeutelten griechischen Volk. Deshalb hat er hier meine und ich denke auch Eure volle Unterstützung.

  

Ein weiteres Thema beschäftigt uns inzwischen seit fast einem Jahr, das Auffliegen des rechten Terrornetzwerkes, das sich selbst den Namen Nationalsozialistischer Untergrund (NSU) gegeben hat.

Auch nach diversen Berichten von Sonderkommissionen, nach der Einsetzung mehrerer Untersuchungsausschüsse auf Bundes- und Länderebene und nach dem jetzigen Stand der Ermittlungen der Generalbundesanwaltschaft ist völlig unklar, wie es geschehen konnte, dass drei Neonazis mithilfe ihres Unterstützerkreises zehn Jahre lang in Sachsen untertauchen und von hieraus mehr als ein Dutzend Banküberfälle ausführen und zehn Morde begehen konnten, angeblich ohne, dass weder die Polizei noch die Justiz oder der Verfassungsschutz davon irgendetwas mitbekommen haben wollen. Vor allem letzterer jetzt steht in der Kritik.

Es gibt ja eigentlich nur zwei Möglichkeiten: Entweder die „Schlapphüte“ auf Bundesebene und den Ländern haben vom mörderischen Treiben wirklich überhaupt nichts mitbekommen, oder aber sie haben doch etwas vom Aufenthalt und den Taten des Trios gewusst und nichts oder zumindest nichts Wirkungsvolles dagegen unternommen, vielleicht um V-Leute im Umfeld der Täter zu schützen.

Ich weiß gar nicht, welche von beiden Varianten schlimmer wäre, in jedem Fall aber wird die Existenzberechtigung eines derartigen Verfassungsschutzes dadurch massiv in Frage gestellt und die programmatische Forderung der LINKEN nach Abschaffung aller Geheimdienste erhält neue Nahrung.

 

Ich gehöre seit 1996 der Parlamentarischen Kontrollkommission des Sächsischen Landtags an, die die Tätigkeit des Landesamtes für Verfassungsschutz kontrollieren soll. Ich war damals bundesweit der erste PDS-Vertreter in einem solchen Gremium. Die Sitzungen sind ja so geheim, dass ich hier nicht über Details berichten darf, weil ich mich sonst strafbar machen würde, und ich vermute mal, bei mir würden die sächsischen Staatsanwälte ganz besonders schnell reagieren.

Aber eines muss ich mit meinen Erfahrungen nach 16 Jahren doch feststellen dürfen:  Es gibt offenbar keinen Geheimdienst, der sich wirklich parlamentarisch kontrollieren lässt!

 

Deshalb wird jetzt zu Recht über die zukünftigen Strukturen der Nachrichtendienste diskutiert. Die Vorschläge reichen von der sofortigen Abschaffung aller Ämter, über die Eingliederung der Verfassungsschutz-Behörden als Abteilungen in die jeweiligen Innenministerien bis hin zur Umwandlung in eher wissenschaftliche Dokumentationsstellen.

Hier wird sich auch die LINKE möglichst bald klar positionieren müssen.

 

Zwei Dinge sollten dabei aber klar sein: Eine Mega-Verfassungsschutzbehörde beim Bund mit Außenstellen in den Ländern, die letztlich von niemandem mehr auch nur halbwegs überprüft werden kann, ist mit der LINKEN nicht zu machen. Und zweitens: Das derzeitige V-Leute-System, das substanziell so gut wie nichts gebracht hat und am Ende sogar noch das NPD-Verbotsverfahren scheitern ließ, muss unverzüglich und ersatzlos abgeschafft werden.

Der Parteivorstand hat am Wochenende die Wahlstrategie der LINKEN beschlossen. Katja Kipping hat heute Vormittag dazu gesprochen.

Ich finde es sehr wichtig, dass die entsprechende Vorlage mit einer eindeutigen Mehrheit beschlossen worden ist, und auch ich selbst trage diese Wahlstrategie natürlich mit, aber ich will auch eine Besorgnis, die ich habe, hier nicht verschweigen.

Auf dem Kleinen Parteitag im September, auf dem unsere beiden Parteivorsitzenden zu Gast waren, habe ich in meinem Redebeitrag drei Dinge angesprochen. Ich habe ihnen dafür gedankt, dass sie maßgeblich dazu beigetragen haben, dass sich die Partei nach Göttingen stabilisiert hat und die Umfragewerte wieder nach oben gehen. Ich habe zweitens die Bitte geäußert, dass die innerparteilichen Ost-West-Konflikte nicht weiter zugespitzt werden.

 

Und zum Dritten habe ich eine vorsichtige Warnung ausgesprochen. Ich halte es für völlig richtig, dass wir nicht mehr vorrangig sagen, wogegen wir sind, sondern offensiv vertreten, wofür wir als Partei stehen. Von daher sollten wir durchaus auch Kriterien formulieren, unter denen wir bereit sind, sogar auf Bundesebene Regierungsverantwortung zu übernehmen. Dies bietet uns auch die Chance, zentrale politische Positionen der LINKEN medial zu transportieren.

 

Richtig ist auch, dass CDU und FDP unsere Hauptgegner sind und eben nicht die SPD. Dies habe ich in der Landtagsfraktion immer wieder betont, und deshalb haben wir gemeinsam mit den Sozialdemokraten und zum Teil auch den Grünen Dutzende Anträge sowie Gesetzentwürfe eingebracht und sogar gemeinsam abgestimmte Presseerklärungen herausgegeben.

Zugleich sage ich aber auch: Was die Bundesebene angeht, bin ich da deutlich skeptischer. Aus meiner Sicht bereitet sich die SPD auf eine Neuauflage der Großen Koalition mit der CDU vor. Deshalb werden selbst heftige Avancen unsererseits letztlich wohl ins Leere laufen.

Ich habe durchaus eine Menge Phantasie, aber ich kann mir derzeit dennoch nicht vorstellen, dass mit Peer Steinbrück einer der maßgeblichen Architekten der „Agenda 2010“ mit den Stimmen der LINKEN zum Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland gewählt wird.

Im kommenden Wahlkampf müssen wir vor allem unser eigenes Profil schärfen und dürfen nicht den Sozialdemokraten hinterherlaufen!

Wir haben überzeugende politische Alternativen zu bieten und sollten das offensiv in den Mittelpunkt stellen.

 

Zum Schluss meines Redebeitrags möchte ich Euch gern kurz noch über den Stand des gegen mich laufenden Gerichtsverfahrens wegen meiner Beteiligung an den Protesten gegen den Nazi-Aufmarsch von 13. Februar 2010 in Dresden informieren. Der Prozess gegen mich wegen angeblicher Sprengung einer Versammlung wurde am 10. Oktober vom Amtgericht Dresden eröffnet.

 

Am 13. Februar 2010 war es das erste Mal, dass es durch das Engagement vieler tausend Menschen gelungen ist, den Nazi-Aufmarsch durch die sächsische Landeshauptstadt zu verhindern, und ich bin stolz darauf, in vorderer Reihe dabei gewesen zu sein.

Die vielen Bürgerinnen und Bürger, die 2010 und auch in den folgenden Jahren friedlich gegen die Nazis protestierten, haben weder eine Ordnungswidrigkeit und erst recht keine Straftat begangen, sie verdienen öffentliche Anerkennung und keine Verfolgung durch die Justiz.

 

Wir als LINKE und auch ich als damaliger Vorsitzender der sächsischen Landtagsfraktion, haben uns immer als Teil der Protestbewegung gegen die Nazis gesehen, nie eine Führungsrolle beansprucht oder real innegehabt.

Sämtliche Gegendemonstranten waren absolut freiwillig an diesem Ort.

Auch deshalb ist die von der Staatsanwaltschaft wiederholt verwendete Formulierung von den „Rädelsführern“ eine absolute Unverschämtheit.

 

Es gibt hier Sachsen leider zahlreiche von derartigen Strafverfolgungsmaßnahmen betroffene Menschen und die allermeisten haben nicht die mediale Öffentlichkeit wie ich als langjähriger Vorsitzender der größten Oppositionsfraktion im Landtag. Deshalb fechte ich mein Verfahren in gewisser Weise auch stellvertretend für viele andere aus, die sich an Protestaktionen gegen die Nazis beteiligt haben und ebenfalls juristisch belangt werden sollen.

Mit ihnen erkläre ich mich ausdrücklich solidarisch und ich hoffe sehr, dass die staatlichen Einschüchterungsversuche keinen Erfolg haben und sich auch in den kommenden Jahren möglichst viele Menschen den Nazis ebenso entschlossen wie friedlich entgegenstellen.

 

Ich bedanke mich ganz herzlich für den Zuspruch und die Unterstützung, die ich in den zurückliegenden Wochen und Monaten in der Partei und auch von außerhalb erfahren habe. Ich kann Euch versichern: Ich werde durchhalten und den Kampf notfalls bis zum Bundesverfassungsgericht führen. Das bin ich – wie schon gesagt – auch all jenen schuldig, die nicht die Bekanntheit und die öffentliche Aufmerksamkeit haben wie ich.

 

Ich komme zum Schluss:

Ich habe mit dem Wechsel im Fraktionsvorsitz eine Etappe beendet, jetzt will ich gemeinsam mit Euch ein neues Kapitel aufschlagen und bitte dafür schon jetzt um Eure Unterstützung

 

Herzlichen Dank!

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