Neues Verfassungsschutzgesetz: unzureichend, unklar und zur Unzeit

„Selbst wenn man – anders als DIE LINKE – die Notwendigkeit von Geheimdiensten bejaht, ist der vorliegende Gesetzentwurf nicht geeignet, die dort offenkundig existierenden Defizite zu beseitigen. Der in der Begründung genannte Anspruch, damit die Konsequenzen aus dem NSU-Desaster und den Forderungen des dazu eingesetzten Untersuchungsausschusses des Bundestages zu ziehen, wird nicht einmal ansatzweise umgesetzt“, erklärt André Hahn, Mitglied des Parlamentarischen Kontrollgremiums (PKGr), zum Entwurf der Bundesregierung für ein „Gesetz zur Verbesserung der Zusammenarbeit auf dem Gebiet des Verfassungsschutzes“ zur Überprüfung der Arbeit der Geheimdienste. Hahn weiter:

„Zwar mögen einige Punkte, die die Zusammenarbeit zwischen dem Bundesamt für Verfassungsschutz, den Landesämtern und anderen Behörden verstärken sollen, auf den ersten Blick sinnvoll erscheinen, unklar aber bleibt, durch wen dies künftig parlamentarisch kontrolliert werden soll, denn das PKGr des Bundestages erhält keine Auskunft über die Tätigkeit der Landesämter, und die Kontrollkommissionen der Länder erhalten keine Informationen über den Bund.

Völlig unzureichend sind die geplanten Regelungen zum künftigen Umgang mit V-Leuten. Bislang ist die Bundesregierung jeden Nachweis schuldig geblieben, dass V-Leute wirklich substanzielle Informationen geliefert haben. Im Gegenteil: Es ist nachgewiesen, das Nazistrukturen wie der Thüringer Heimatschutz, aus dem der NSU hervorging, durch V-Leute mit den ihnen vom Verfassungsschutz ausgereichten finanziellen Zuwendungen aufgebaut wurden. Die eigentlich logische Konsequenz daraus wäre, das V-Leute-System abzuschaffen. Die rot-rot-grüne Landesregierung in Thüringen ist hier Vorreiter, und entsprechende Schritte wären auch auf Bundesebene wünschenswert.

Völlig absurd erscheint der Versuch, per Gesetz zu regeln, welche Straftaten V-Leute denn überhaupt begehen dürfen, um sich in der Szene etablieren zu können, und welche Straftaten im Zweifel strafrechtlich nicht verfolgt werden sollen.

Wenn man sich die von den SPD-Innenpolitikern vorgelegten und deutlich weitergehenden Vorschläge zur Reform des Verfassungsschutzes ansieht, wird deutlich, welche Kluft zwischen den Positionen von CDU/CSU und ihrem Koalitionspartner klafft. Als Vorsitzender des PKGr habe ich zudem wenig Verständnis dafür, dass ein solcher Gesetzentwurf von der Bundesregierung zu einem Zeitpunkt präsentiert wird, zu dem das Kontrollgremium gerade dabei ist, eine vertiefte Prüfung der V-Leute-Praxis beim Verfassungsschutz vorzunehmen und im Ergebnis entsprechende Vorschläge für durchgreifende Veränderungen vorzulegen beabsichtigt. Das ist zumindest schlechter Stil.“

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