LINKE für Abwicklung des Bundesamtes für Verfassungsschutz

Der Verfassungsschutz in seiner jetzigen Form ist weder reformierbar noch wirksam kontrollierbar und muss deshalb aus Sicht der LINKEN aufgelöst werden. Der Maßnahmenkatalog der LINKEN zeigt, dass die Auflösung des BfV mit dem notwendigen Willen möglich ist. Die Verfassung kann man auch ohne einen Inlandsgeheimdienst und ohne nachrichtendienstliche Mittel schützten.


Rede zum Antrag „Zivilgesellschaft stärken, Verfassung wirksam schützen“ (Drs. 18/8960)


Rede im Wortlaut (Auszug aus dem Plenarprotokoll 19/93 vom 5.4.2019)

Dr. André Hahn (DIE LINKE):

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Das Bundesamt für Verfassungsschutz in seiner jetzigen Form und bei den geltenden rechtlichen Rahmenbedingungen ist weder reformierbar noch wirksam kontrollierbar und muss deshalb aus Sicht der Linken aufgelöst werden.

(Beifall bei der LINKEN)

Diese Forderung meiner Fraktion ist nicht neu. Ich freue mich, dass nun auch die Grünen einen Antrag stellen, der im Kern ebenfalls diese Zielsetzung verfolgt. Insofern bin ich dankbar für die heutige Debatte, gibt sie uns doch Gelegenheit, unsere Position ebenfalls vorzustellen.

Unser Antrag unterscheidet sich von dem der Grünen in einem ganz zentralen Punkt: Wir als Linke wollen in Zukunft, nach der Auflösung des Bundesamtes für Verfassungsschutz, keinen wie auch immer gearteten Inlandsgeheimdienst, wir wollen keine neue Behörde mit nachrichtendienstlichen Befugnissen.

(Philipp Amthor [CDU/CSU]: Ja, die würde eure Freunde ja auch kontrollieren! –

Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Bei euch sollen das die Polizeien machen! Vielen Dank!)

Der Antrag von Bündnis 90/Die Grünen enthält jedoch leider einen solchen Passus. Bei vielen anderen Forderungen, Herr Kollege von Notz, gibt es jedoch Übereinstimmungen. Deshalb freue ich mich auf die Beratungen im Innenausschuss.

Meine Damen und Herren, ich habe eingangs darauf hingewiesen, dass wir schon lange die Position vertreten, dass das Bundesamt für Verfassungsschutz abgeschafft werden muss. Es hat nicht nur beim Thema NSU, beim Umgang mit V-Leuten, bei der Vernichtung von wichtigen Akten, bei der fragwürdigen Weitergabe von Informationen für den Drohnenkrieg der USA, der Hunderte unschuldige Opfer forderte, bei der völlig unzureichenden Auseinandersetzung mit dem Rechtsextremismus und mit Herrn Maaßen als Präsidenten, der jedwede parlamentarische Kontrolle als lästig empfand und zu unterlaufen suchte, derart viele Pannen und Skandale gegeben, dass eigentlich nur noch die geordnete Abwicklung bleibt.

(Beifall bei der LINKEN)

Herr Kollege Schuster, Sie haben auf den Bericht des NSU-Untersuchungsausschusses aus dem Jahr 2013 hingewiesen. Das Kernproblem ist doch, dass seitdem nichts wirklich besser geworden ist. Deshalb muss der Bundestag aus unserer Sicht handeln.

(Beifall bei der LINKEN)

In früheren Debatten hat man uns als Linke ja häufig vorgeworfen, wir wollten das Bundesamt für Verfassungsschutz einfach nur abschaffen, ohne zu sagen, wie es anschließend weitergehen und wer dessen bisherige Aufgaben künftig übernehmen soll. Unser heutiger Antrag trifft genau dazu ganz klare Aussagen, sodass diese Kritik selbst dann obsolet sein dürfte, wenn man unsere Vorschläge inhaltlich nicht teilt. Unser Antrag enthält im Kern folgende Eckpunkte:

Erstens. Das Bundesamt für Verfassungsschutz wird aufgelöst. Stattdessen soll eine Zentralstelle gebildet werden, wie sie in Artikel 87 des Grundgesetzes zur Sammlung von Unterlagen für Zwecke des Schutzes der Verfassung vorgesehen ist. Diese arbeitet ausdrücklich nicht mit nachrichtendienstlichen Mitteln und hat auch keine eigenständige Befugnis zur Informationsbeschaffung.

Vielmehr nimmt sie Erkenntnisse über verfassungsfeindliche Aktivitäten von den Behörden des Bundes und der Länder sowie aus dem Ausland entgegen,

(Zuruf der Abg. Dr. Irene Mihalic [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

sammelt diese und koordiniert den Austausch zwischen den Ländern und den Strafverfolgungsbehörden.

Zweitens. Eine neu einzurichtende Bundesstiftung zur Beobachtung und Erforschung gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit übernimmt die Aufgabe der Gefahrenabschätzung. Die dem demokratischen Gemeinwesen entgegenstehenden Bedrohungen, seien sie religiös, politisch oder rassistisch motiviert, werden von dieser Stiftung wissenschaftlich untersucht und dokumentiert, die zugleich öffentliche Aufklärung betreibt und die Opfer unterstützt.

(Beifall bei der LINKEN)

Drittens. Hinweise von ausländischen Geheimdiensten und anderen Behörden auf womöglich geplante Terroranschläge gehen künftig an das Bundeskriminalamt. Das Bundeskriminalamt bewertet diese

(Zuruf der Abg. Dr. Irene Mihalic [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

und leitet die entsprechenden Ermittlungs- und Strafverfolgungsmaßnahmen ein.

Viertens. Sicherheitsüberprüfungen in besonders sensiblen Bereichen werden auch künftig notwendig sein, aber dafür ist kein Inlandsgeheimdienst notwendig. Diese Aufgabe kann eine zivile Bundesanstalt für Geheimund Spionageschutz wahrnehmen.

Fünftens. Schließlich ist ein Inlandsgeheimdienst auch nicht erforderlich, um Cyberangriffe auf öffentliche Einrichtungen oder die Wirtschaft aufzuklären. Das kann das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik viel besser. Es muss aber personell gestärkt und vor allem aus der Unterstellung unter das Innenministerium befreit werden.

(Beifall bei der LINKEN)

Ich komme zum Schluss. Dieser Maßnahmenkatalog zeigt, dass die Auflösung des BfV mit dem notwendigen Willen möglich ist. Die immer wieder behaupteten Sicherheitslücken entstehen durch seinen Wegfall nicht. Der Schutz der Verfassung ist definitiv auch ohne einen Inlandsgeheimdienst und ohne nachrichtendienstliche Mittel möglich. Genau das wollen wir.

(Beifall bei der LINKEN)