„Lateinamerika – ein Kontinent im Aufbruch“

– so lautete der Titel eines Vortrages, den Dr. André Hahn am 13. Mai im Büro Sebnitz hielt. Dabei berichtete er über seine Eindrücke von einer Reise mit Bundesaußenminister Steinmeier und je einem Abgeordneten jeder Bundestagsfraktion nach Brasilien, Peru und Kolumbien.img_4513

Die erste Station der Reise führte sie in die auf dem Reißbrett entstandene Hauptstadt Brasiliens, das  „Kunstgebilde“ Brasilia. Die Stadt entstand in dem Ansinnen, die Behörden möglichst zentral anzusiedeln und weist gewollt große Grünflächen auf. Bei den politischen Gesprächen ging es vor allem um die Wirtschaftsbeziehungen zwischen beiden Ländern, dazu gab es auch ein Zusammentreffen mit der brasilianischen Staatspräsidentin Dilma Rousseff.  Andere Themen waren die Erfahrungen mit der Fußball-WM und die Vorbereitung der olympischen Sommerspiele 2016 in Brasilien, gerade angesichts der deutschen Bewerbung für die Spiele 2024 in Hamburg. Wo sind die größten Fehler passiert, wie sahen die Verträge mit der FIFA aus, wollten die deutschen Parlamentarier beispielsweise wissen. Handelsverträge, Entwicklungshilfe und Studentenaustausch waren weitere Themen der Reise.

In der peruanischen Hauptstadt Lima erlebte die deutsche Delegation, wie eine Stadt im Verkehrschaos versinkt, wenn es keinen funktionierenden Öffentlichen Personennahverkehr gibt. Die Stadt habe immer mehr mit Zuwanderung aus den ländlichen Regionen zu kämpfen und sei der Sache nicht gewachsen. Man lässt es zu, dass auf Dächern in primitivster Bauweise Blech- oder Holzhütten entstehen. In guter Erinnerung bleiben André Hahn aber „nette Gespräche mit angenehmen Menschen, die offen mit ihren Problemen umgehen.“
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Seit der Reise trägt der Bundestagsabgeordnete am Handgelenk ein kleines weißes Bändchen. Es ist ein besonderes Begrüßungsgeschenk, das Glück und Gesundheit bringen soll.  Begeistert berichtete André Hahn vom Besuch beim Ureinwohnervolkes der Kogi in Kolumbien. Dort wird nur ganz selten Besuch gestattet und nur durch die Unterstützung des kolumbianischen Botschafters in Berlin konnten einige wenige Mitglieder der deutschen Delegation mit einem Polizei-Hubschrauber in die entlegene Bergregion fliegen.  Das kleinwüchsige indigene Volk, das eine völlig eigene Sprache spricht und keine Schulen kennt, wurde einst weitgehend seiner Lebensgrundlagen beraubt. Letztendlich gab es doch Verhandlungen mit der Regierung und mit Hilfe des Kaffeeanbaus- und -handels wollen sich die Bewohner wieder eine feste Lebensgrundlage schaffen und ihnen früher gehörende Grundstücke zurückkaufen. Deutschland sponserte über den Entwicklungshilfe-Etat Kaffeeröst- und Abpackmaschinen. Kogi-Kaffee soll es inzwischen auch in Deutschland zu kaufen geben.

Auf den Fotos, die André Hahn zeigte, sah man alle – Erwachsene wie Kinder –  mit einer Art Spindel in den Händen.  Sie zermahlen Kokapflanzen und das Ganze wird mit Kalk vermischt ständig geleckt – gegen Müdigkeit, zum Wohlbefinden. Die Kogi leben in Bergregionen zum Teil in über 3000 m Höhe.

Auch hier haben inzwischen Handys Einzug gehalten, stellten die Besucher fest, als sie heimlich fotografiert wurden. Zwei Kogi-Frauen baten um die Mitnahme im Hubschrauber in die nächstliegende Stadt zum Einkauf. Wie lange sie denn zurück brauchten, lautete die Frage: „5 Tage“, hätten die Frauen gesagt. 5 Tage barfuß durch das Gebirge, denn die Kogi lehnen das Tragen von Schuhen traditionell und aus Überzeugung ab, um nicht die Natur zu „beschädigen“…

Im kolumbianischen Bogota erlebte die Gruppe einen perfekt organisierten ÖPNV. Das Schlüsselwort lautete Trans-Milenio. Auf achtspurigen Fahrbahnen auf den Magistralen der Hauptstadt gibt es je zwei Spuren für Pkw und zwei für Busse. Die Fahrt mit Zubringerbussen aus den Umlandgemeinden ist kostenlos – so fährt kaum einer mit dem Auto in die Stadt. Und das alles auch noch behindertengerecht. „Da hat sich mal richtig jemand was ausgedacht, was funktioniert“, lobte André Hahn die Verkehrsplaner der 8-Millionen-Stadt.

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In Kolumbien interessierten sich die Gastgeber angesichts der laufenden Friedensgespräche mit den bewaffneten Widerstandsgruppen der Farc auch für die Erfahrungen des Zusammenwachsens im Zuge der deutschen Einheit, und sie wollten wissen, wie unterschiedliche, ja zum Teil verfeindete Bevölkerungsgruppen friedlich aufeinander zugehen und sich aussöhnen könnten. André Hahn machte dabei deutlich, dass auch bei der deutschen Einheit nicht alles glatt lief und es Verwerfungen gab, er verwies aber auch immer wieder auf das Beispiel Südafrika, wo die Aussöhnung in vorbildlicher Weise gelungen war.  Schon einmal, vor knapp zwei Jahrzehnten hatten Rebellen in Kolumbien die Waffen niedergelegt, eine politische Partei gegründet, wurden aber aus dem Parlament gedrängt und größtenteils ermordet.  Jetzt, nach insgesamt 40 Jahre bewaffneten Kampfes stehe die Frage des Umgangs der Regierung mit ihnen und einer eventuellen Aussöhnung erneut auf der Tagesordnung. Verhandelt wird darüber in Kuba.  Sollen die Rebellenführer ins Gefängnis, wie die Regierenden meinen, weil man das den Opfern schuldig sei? Aber werden sie dann einen Friedensvertrag unterschreiben? Muss man nicht einen Weg finden, der beiden Seiten gerecht wird und eine Gesichtswahrung erlaubt? Es waren auch Kindersoldaten, die im Alter von 11-13 Jahren in den Kampf geschickt wurden. Aussteiger-Programme sollen ihnen den Weg zurück ins normale Leben ebnen und für Reintegration sorgen. In einer Gesprächsrunde Runde hatten ehemaligen Kindersoldaten von ihren Schicksalen erzählt, und das sei ihm extrem nahe gegangen, so André Hahn. Eine junge, moderne Frau berichtete, dass sie sechs Jahre im Wald nur auf Palmblättern geschlafen hätte. Ihr Bruder wurde ermordet.

Während seiner Reise erhielt Dr. André Hahn auch intensivere Eindrücke von der Arbeit des Außenministers und seinem Teams, was ihm einige Achtung abgenötigt hat.

Gut zwei Stunden unterhielt André Hahn seine Zuschauer mit eindrucksvollen Bildern und Berichten einer spannenden, freilich auch anstrengenden Reise.

Vielen Dank für den kurzweiligen, informativen Abend mit ungewöhnlichen Einblicken.

Text: Anja Oehm

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