Konferenz der LINKEN zum Thema „60 Jahre Grundgesetz“

Konferenz „60 Jahre Grundgesetz“ der LINKEN in Leipzig, 7. März 2009

Schlusswort von Dr. André Hahn, MdL, Vorsitzender der Fraktion DIE LINKE im Sächsischen Landtag:

 

Das Grundgesetz gehört nicht allein den Konservativen!

Ich freue mich darüber, dass ich heute hier auf dieser Konferenz das Schlusswort halten kann, auch wenn ich nicht an der gesamten Tagung teilnehmen konnte, weil ich als Spitzenkandidat der sächsischen LINKEN für die Landtagswahlen noch anderweitige Verpflichtungen wahrzunehmen hatte.

Es ist gut und richtig, dass auch wir als LINKE uns mit dem Jubiläum „60 Jahre Grundgesetz“ beschäftigen und damit die Definitionshoheit nicht allein den anderen Parteien überlassen. Mit der nun zu Ende gehenden Veranstaltung haben wir unsere spezifische Sicht deutlich gemacht. Ich möchte mich beim Parteivorstand dafür bedanken, dass Leipzig als Veranstaltungsort ausgewählt worden ist, und ich danke natürlich auch allen Mitwirkenden an dieser Konferenz für ihren Beitrag und ihre Beteiligung.

Zugleich möchte ich als Vorsitzender der Linksfraktion im Sächsischen Landtag die Gelegenheit wahrnehmen, auch aus meiner ganz persönlichen Sicht noch einige Bemerkungen zum Thema dieser Konferenz zu machen.

Ich denke, die Konferenz hat zwei Dinge deutlich gemacht: Zum einen: Die Verfassungsfrage, die Frage des Grundgesetzes, ist eine für DIE LINKE sehr wichtige Frage. Zum anderen: Der Kampf für eine Wirklichkeit, die den tragenden Prinzipien des Grundgesetzes entspricht und sie zugleich weiterentwickelt, lässt sich nicht auf eine einfache Formel bringen.

Über den Sinn der Verfassungsfrage gewann die politische Linke in Deutschland in den politischen Kämpfen des letzten Jahrhunderts erst allmählich Klarheit. Dabei ging es überhaupt nicht um eine Position, die der jeweiligen Verfassung ein abstraktes Lob ausspricht.

Es ging und geht nicht um die Mystifizierung einer Verfassung als etwas Heiliges, nicht Hinterfragbares. Für uns Linke bedeutet der Aufruf, für eine Verfassung, für bestimmte Verfassungsnormen oder für eine neue Verfassung zu kämpfen, den an der Verfassungsfrage interessierten gesellschaftlichen Kräften zu sagen: Wenn ihr für eure eigenen sozialen und politischen Interessen kämpft, dann müsst ihr dabei auch die für diesen Kampf wichtigen verfassungsrechtlichen Sicherungen erkennen, sie verteidigen und sie möglichst verbessern.

Die Niederlage der Arbeiterparteien und die Machtergreifung des Hitlerfaschismus im ersten Drittel des 20. Jahrhunderts hatte auch etwas damit zu tun, dass die Bedeutung des Kampfes um die Weimarer Verfassung als Existenzfrage, als ureigener Kampf für die Aktionsfähigkeit linker Politik nicht erkannt wurde.

In der DDR hatten wir ein anderes Problem. Die 49er DDR-Verfassung war eine durchaus fortschrittliche, gute Verfassung – auch noch aus heutiger Sicht. Doch es gab ein entscheidendes Manko: Die Führung der DDR wollte nicht begreifen, dass Verfassungen auch in einer sozialistischen Gesellschaft nun einmal das höchste rechtliche Normensystem eines Staates darstellen. Sie sind und sie müssen daher auch Maß der Politik sein. Doch davon konnte häufig keine Rede sein.

Das Grundgesetz der BRD wiederum war ein Macht- und ein Verfassungskompromiss. Es ist Ausdruck der Konstellation eines Machtgleichgewichts. Daraus ergibt sich auch seine „wirtschaftspolitische Neutralität“, wie dies das Bundesverfassungsgericht formuliert hat, seine Offenheit selbst für den Weg zu einer sozialistischen Gesellschaft.

Von den 65 Vätern und Müttern des Grundgesetzes hatte fast die Hälfte mehr oder weniger sozialistische Positionen. Weitere hatten zumindest eine kapitalismuskritische Einstellung. Ein antifaschistische Bekenntnis und die Ablehnung des Krieges als Mittel der Politik waren daher im Parlamentarischen Rat weitgehend Konsens.

Die Kräfte der Restauration waren damals noch nicht stark genug, seinen Inhalt zu bestimmen. Aber sie haben diesen Inhalt durchaus schon beeinflusst, z. B. als sie Formen der direkten Demokratie verhinderten. Indem wir bei aller Kritik im einzelnen grundsätzlich Ja zum Grundgesetz sagen, verteidigen wir die in ihm enthaltenen progressiven Verfassungstraditionen.

Als heute 45-jähriger kann ich natürlich nicht die realen Erfahrungen mit sechzig Jahren Grundgesetz bewerten. Fast ein Drittel dieses Zeitraumes lebe ich nunmehr jedoch auch schon mit dieser Verfassung, und ich denke es gibt auf der Welt selbst unter den demokratischen Staaten nur wenige, die über ein qualitativ vergleichbares Regelwerk verfügen.

Das heißt selbstverständlich nicht, dass unser Grundgesetz vollkommen wäre und kein Änderungsbedarf bestünde. Das Gegenteil ist der Fall.

Ganz besonders bedauere ich, dass es im Ergebnis der Umbruchprozesse, egal ob man sie nun als „Wende“ oder „Friedliche Revolution“ bezeichnet, nicht gelungen ist, eine neue, wirklich gesamtdeutsche Verfassung zu erarbeiten.

So gab es weder über die deutsche Einheit noch über ein neues Grundgesetz einen Volksentscheid, was durchaus dazu hätte beitragen können, das Zusammenwachsen zwischen Ost und West zu befördern.

Ich halte dies nach wie vor für eine vertane Chance. Selbiges gilt auch für die Frage der Nationalhymne. Wir sind wohl das einzige Volk auf dieser Welt, das nur die dritte Strophe seiner Hymne singen kann, weil die ersten beiden historisch verbrannt sind. Wir verwahren uns entschieden sowohl gegen ein „Deutschland, Deutschland über alles“ wie auch gegen ein „von der Maas bis an die Memel“, was gerade die Nazis hier in Sachsen besonders gern propagieren.

Und so haben wir heute im Sächsischen Landtag die Situation, dass zur Feierstunde am Tag der Deutschen Einheit nicht nur die die meisten Abgeordneten der LINKEN, sondern auch einige Kollegen von der SPD und den Grünen die offizielle Nationalhymne nicht mitsingen können.

Nicht einmal hier gab es seitens der Bundesrepublik beim Beitritt der DDR Zugeständnisse, obwohl es doch sehr vernünftige Alternativvorschläge wie die Kinderhymne von Bertolt Brecht gab. Dessen Kernbotschaft „Und nicht über und nicht unter ander’n Völkern woll’n wir sein“ hätte ein gutes Signal des vereinigten Deutschland an die Weltgemeinschaft sein können.

Neben der Hymne ist die Verfassung das zweite identitätsstiftende Symbol eines Landes. Auch hier ist es versäumt worden, durch ein neues Grundgesetz, das auch Erfahrungen aus der DDR-Zeit aufgreift, einen Beitrag zum Zusammenwachsen der Menschen im vereinten Deutschland zu leisten.

Ich kann hier auf diesen Punkt leider nicht ausführlich eingehen, aber einige Anmerkungen seien mir dennoch gestattet, bei denen ich auch meine ganz persönlichen Erfahrungen einbringen möchte.

Ich meine hier vor allem jene Erfahrungen, die ich ab Januar 1990 am Zentralen Runden Tisch in der DDR sammeln konnte, in dessen Arbeitsgruppe Bildung, Erziehung und Jugend ich damals mit so illustren Persönlichkeiten wie Marianne Birthler, Angelika Barbe oder auch dem späteren sächsischen Wissenschaftsminister Hans-Joachim Meyer zusammenarbeitete.

Bereits in der konstituierenden ersten Sitzung des Zentralen Runden Tisches am 7. Dezember 1989 stimmten die Anwesenden darin überein, „sofort mit der Erarbeitung des Entwurfes einer neuen Verfassung zu beginnen“ und beriefen dazu eine paritätisch zusammengesetzte Arbeitsgruppe.

Das ursprüngliche Ziel, den kompletten Entwurf noch vor den Volkskammerwahlen fertig zu stellen und am Runden Tisch abschließend zu beraten, konnte durch die Vorverlegung des Wahltermins vom 06. Mai auf den 18. März 1990 nicht mehr realisiert werden. So wurden in der 16. und letzten Sitzung des Gremiums lediglich „Gesichtspunkte für eine neue Verfassung“ vorgelegt und fünf Punkte zur weiteren Arbeit beschlossen:

Aus den bereits vorliegenden und in Arbeit befindlichen Teilen des Entwurfs für eine neue Verfassung der DDR sollten ein Gesamtentwurf erarbeitet und im April 1990 der Öffentlichkeit zur Diskussion vorgestellt werden.

Der Runde Tisch schlug der neugewählten Volkskammer vor, am 17. Juni 1990 einen Volksentscheid über die Verfassung der DDR und ein Ländereinrichtungsgesetz durchzuführen. Der Verfassungsentwurf des Runden Tisches sollte zudem in die Debatte um eine neue deutsche Verfassung gemäß Präambel und Artikel 146 des Grundgesetzes der BRD einbezogen werden.

Auch der Runde Tisch war also damals nicht für einen Beitritt nach Artikel 23 des Grundgesetzes.

Von manchen Wissenschaftlern wird in diesem Zusammenhang darauf verwiesen, dass dieser Beschluss bei 4 Gegenstimmen (aus den Reihen von DA, CDU und SPD) sowie 2 Stimmenthaltungen (von Vertretern der LDPD) gefasst wurde.

Ich dagegen frage: Wäre es angesichts der Bedeutung des Gegenstandes und der Tatsache, dass am Tisch 38 Stimmberechtigte saßen, nicht redlicher, festzustellen, dass immerhin 32 Teilnehmer aller beteiligten Parteien und Gruppierungen (mit Ausnahme des DA), also eine deutliche, qualifizierte Mehrheit der oben genannten Beschlussvorlage ihre Zustimmung gaben? Wenige Tage vor dem Wahltermin für die Volkskammer war das in meinen Augen sehr beachtlich.

Ein detaillierter Vergleich von Grundgesetz und dem Entwurf des Runden Tisches soll Verfassungsrechtlern und Historikern vorbehalten bleiben. Gleichwohl will ich einige Punkte noch mal in Erinnerung rufen.

Der Grundaufbau des Verfassungsentwurfes lehnte sich deutlich an das Grundgesetz an, allerdings sind andere Schwerpunktsetzungen augenfällig.

Wohl aufgrund negativer Erfahrungen aus der DDR-Wirklichkeit, die häufig den in der Verfassung durchaus verankerten Ansprüchen an Grund- und Menschenrechten widersprachen, jedoch vermutlich auch mit Blick auf Diskussionen zur Grundgesetznovellierung in den alten Bundesländern, nehmen vor allem die Menschen- und Bürgerrechte einen breiten Raum im Entwurf des Runden Tisches ein. Die Unterschiede zum Grundgesetz sind dabei sowohl quantitativer als auch qualitativer Art.

Machen die Grundrechte im Grundgesetz lediglich 18 Artikel (das sind etwas mehr als 12 Prozent) des Gesamtumfangs aus, finden sich im Verfassungsentwurf des Runden Tisches 40 Artikel zu diesem Gegenstand (das entspricht bei insgesamt 136 Artikeln einem Anteil von ca. 30 Prozent).

In einer Reihe von Fragen geht der Verfassungstext über das Grundgesetz hinaus und gibt – unter Berücksichtigung von 40 Jahren DDR, der Ereignisse des Herbstes 1989 und auch der Verfassungsdebatte in der Bundesrepublik – mögliche Antworten auf anstehende Probleme der Gesellschaft. Besonders auffällig sind ein erheblich erweiterter Grundrechts- und Staatszielkatalog sowie die Aufnahme plebiszitärer Elemente.

Und festzustellen ist auch: Die Sprache des Rund-Tisch-Entwurfes ist insgesamt fasslicher als der damals 40 Jahre alte Text des Grundgesetzes und die einzelnen Bestimmungen erscheinen vielfach aufgrund ihrer größeren Konkretheit praktikabler, sowohl für die Bürgerinnen und Bürger als auch für die Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung.

Neben dem Fakt, dass zahlreiche (Grundrechts-)Regelungen des Rund-Tisch-Entwurfes ausführlicher, weil detaillierter und konkreter als im Grundgesetz gefasst sind, finden sich hier auch Neuerungen bzw. weitergehende Positionen gegenüber bisherigen bundesrepublikanischen Maßstäben, die Grundüberzeugungen der politischen Vertreter am Runden Tisch, aber auch gewachsene DDR-Realitäten widerspiegeln.

So sah man offenbar schon damals voraus, dass es später um den Paragrafen 218, also den Schwangerschaftsabbruch erhebliche Debatten geben würde und wollte durch eine klare Regelung vorbauen.

So lautete Artikel 4 Absatz 3: „Frauen haben das Recht auf selbstbestimmte Schwangerschaft. Der Staat schützt das ungeborene Leben durch das Angebot sozialer Hilfen.“ Für den Runden Tisch hatte diese Problematik also Verfassungsrang.

Der Verfassungsentwurf des Runden Tisches enthielt weiterhin Aussagen zur Freiheit der Wissenschaft (Art. 19) und der Kunst(Art.20), zum Schutz von nichtehelichen Lebensgemeinschaften (Art. 22), zur Achtung vor dem Alter (Art. 23), zum Recht auf Bildung (Art. 24)- wobei hier sogar eine „mindestens 10jährige allgemeine Schulpflicht“ festgeschrieben werden sollte -, er sieht vor „das Recht auf angemessenen Wohnraum“ (Art. 25), das „Recht auf Arbeit oder Arbeitsförderung“ sowie den Anspruch auf gleichen Lohn für gleiche Arbeit (Art. 27), auf den „Schutz der natürlichen Umwelt als Lebensgrundlage gegenwärtiger und künftiger Generationen“ (Art. 33), auf die Achtung und Förderung der nationalen Minderheit der Sorben (Art. 34).

Er regelt die Tätigkeit und die Rechte von Bürgerbewegungen, Vereinigungen, Verbänden und Gewerkschaften (4. Abschnitt), verbietet das Aussperrungsverbot in nichtbestreikten Betrieben (Art. 39, Abs. 6) und enthält das Bekenntnis zur „Schaffung einer gesamteuropäischen Friedensordnung“ (Art. 41) ebenso wie die Verpflichtung zum Verzicht auf Angriffskrieg und Waffenhandel (Art. 45).

Erwähnt sei in diesem Zusammenhang noch, dass im Verfassungstext eine Volksabstimmung für drei Fälle zwingend vorgeschrieben wird, und zwar für einen Vertrag über die Einheit beider deutscher Staaten (Art. 132, Abs. 2), über das Inkrafttreten der Verfassung der DDR selbst (Art. 135) und auch über eine spätere gesamtdeutsche Verfassung (Art. 136).

Abschließend dazu noch zwei weitere interessante Fakten: Zum einen verzichtet der Verfassungsentwurf des Runden Tisches auf jegliche Notstandsgesetzgebung und zum anderen wurde ein später heiß umstrittener Punkt, nämlich die Eigentumsfrage, klar geregelt. Der Art. 131 präjudizierte eindeutig das Prinzip „Entschädigung vor Rückgabe“, während im späteren Einigungsvertrag zwischen der BRD und der DDR unter massivem westdeutschen Druck eine Umkehrung dieses Grundsatzes erfolgte, was bekanntlich zu einer Reihe schwerer Verwerfungen führte.

Ob die Verfassung des Runden Tisches in ihrer Gesamtheit tatsächlich geeignet ist, die Konstitution einer modernen Gesellschaft ausgangs des 20. Jahrhunderts abzugeben, muss offenbleiben, da sie bekanntlich nicht mehr wirksam wurde.

Ungeachtet dessen stimme ich Hans Modrow ausdrücklich zu, der folgendes feststellte: „Ohne Zweifel bleibt der Entwurf der Verfassung des Runden Tisches das eigentlich wichtige, demokratische Vermächtnis dieser Zeit.“

Die Spuren der Tätigkeit der Arbeitsgruppe „Neue Verfassung“ des Runden Tisches in den Verfassungen der neuen Länder werden Juristen und Historiker suchen und – sicher nicht nur in Brandenburg – auch finden. Mitautoren des damaligen Entwurfes hatten sich darüber hinaus gemeinsam mit anderen Juristen, Wissenschaftlern und Politikern zu einem „Kuratorium für einen demokratisch verfassten Bund deutscher Länder“ zusammengeschlossen und Vorschläge für eine Grundgesetzreform unterbreitet, die auch auf Ideen des Runden Tisches zurückgingen.

Die Tatsache, dass der einzige Mitautor des Verfassungsentwurfes des Runden Tisches, der Mitglied der „Gemeinsamen Verfassungskommission“ von Bund und Ländern zur geplanten Novellierung des Grundgesetzes war, der Ostberliner Bürgerrechtler Wolfgang Ullmann, später unter Protest aus diesem Gremium ausgetreten ist, weil nicht nur nahezu alle Vorschläge aus den neuen Bundesländern abgelehnt, sondern auch über 800.000 Bürgerideen weitgehend ignoriert wurden, ließ jedoch schon bald Schlimmes befürchten, auch wenn die endgültige Entscheidung des Deutschen Bundestages damals noch ausstand. Ein Blick in das inzwischen durch das Parlament novellierte Grundgesetz bestätigt nunmehr, dass die oben genannten Anregungen leider weitgehend unberücksichtigt blieben.

Im Unterschied zu anderen Machtstrukturen in Phasen politischer Neuorientierung in Deutschland war sich der Runde Tisch seiner vergänglichen Funktion als Katalysator gesellschaftlicher Umwälzungen bewusst. Er besaß weder den Anspruch, Parlament mit all seinen Konsequenzen zu sein – wie die Frankfurter Nationalversammlung von 1848 – noch das revolutionäre Sendungsbewusstsein, das von den Arbeiter- und Soldatenräten in der Novemberrevolution ausging. Der Runde Tisch ebnete den Weg zu demokratischen Strukturen sowie freien Wahlen und machte sich dadurch letztlich selbst überflüssig.

Aber vom Runden Tisch wird in Deutschland die Erinnerung und vielleicht auch die Tradition bleiben, dass in zugespitzter politischer oder sozialer Konfrontation der friedliche Weg möglich ist, der Kompromiss mehr wiegt als das Beharren auf der eigenen Position, Dialog wichtiger ist als Abgrenzung, Toleranz und Akzeptanz Selbstständigkeit nicht untergraben und Ergebnisorientiertheit auch im Streit möglich ist.

Nicht zuletzt bleibt von den Runden Tischen ihr geistiges Arbeitsresultat, das sich einen hohen Grad an Aktualität über den Zeitpunkt der Selbstauflösung hinaus bewahrt hat.

Entstanden aus dem positiven Lernprozess eines letztlich gescheiterten Weges in der DDR und entwickelt unter dem Eindruck des Vergleiches zur Bundesrepublik und anderen Ländern mit ihren Stärken und Schwächen enthält der Verfassungsentwurf, der im Auftrag des Zentralen Runden Tisches erarbeitet wurde, ebenso wie die von ihm verabschiedete Sozialcharta – um nur zwei Dinge zu nennen – genügend Stoff zur konstruktiven Auseinandersetzung im nunmehr vereinten Deutschland.

Ich bin deshalb relativ ausführlich auf diese Thematik eingegangen, weil ich meine, dass wir uns gerade hier in den neuen Bundesländern nicht verstecken müssen und eigene Beiträge zur Verfassungsdiskussion geleistet haben und sicher auch künftig leisten werden.

Der Kapitalismus hat nicht gewonnen, er ist nur übrig geblieben. Wir als LINKE stehen für eine andere, eine ebenso moderne wie gerechte Gesellschaft, und wenn es am Grundgesetz Dinge zu verbessern gibt, dann reden wir als LINKE nicht über irgendwelche imaginären Schuldenbremsen wie CDU und SPD, sondern wir reden zum Beispiel über den Ausbau von sozialen Grundrechten, über zusätzliche Staatsziele und über mehr Bürgerbeteiligung bis hin zu Volksabstimmungen auf Bundesebene.

Das Grundgesetz gehört nicht allein den Konservativen. Deshalb ist es richtig, dass auch DIE LINKE an den 60. Jahrestag erinnert.

Erfüllen wir also das Grundgesetz weiter mit Leben, streiten wir gemeinsam um Verbesserungen und für ein lebenswertes Land. In diesem Sinne viel Kraft, alles Gute und ein herzliches Glück Auf!

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