Erwiderung auf Fachregierungserklärung zur Situation des Sports in Sachsen

Erwiderung auf Regierungserklärung zum Sport in Sachsen: Pro-Kopf-Förderung ist rückläufig

Es gilt das gesprochene Wort!

 

(Anrede)

Wenn der Sport in den letzten Legislaturperioden hier im Sächsischen Landtag thematisiert worden ist, dann ging es entweder um Haushaltsdebatten oder eine parlamentarische Initiative der LINKEN bzw. der PDS, denn wir waren es, die mehrfach Große Anfragen zu diesem Thema eingebracht haben.

Wenn nun die Staatsregierung erstmals seit 19 Jahren in Sachsen eine Regierungserklärung zur Situation des Sports in unsrem Land abgibt, dann gibt es dafür grundsätzlich zwei Erklärungsmuster:
Entweder hat die Regierung inzwischen wirklich verstanden, wie wichtig, wie bedeutsam der Sportbereich für die Entwicklung der Gesellschaft, für soziale Integration oder auch für die Gesundheitsvorsorge in Sachsen ist.

Oder aber die Staatsregierung hat durch die jüngsten Veröffentlichungen des Landessportbundes plötzlich begriffen, dass die mehr als eine halbe Million Sporttreibenden in diesem Land auch ein erhebliches Wählerpotenzial darstellen und es deshalb von Vorteil sein könnte, wenn man diese Klientel kurz vor der Landtagswahl noch einmal öffentlichkeitswirksam in einer Landtagssitzung bedient.
Selbst wenn ich annehme, dass der heraufziehende Wahlkampf bei der Entscheidung zur heutigen Fachregierungserklärung überhaupt keine Rolle gespielt hat – was mir zugegebenermaßen schwer fällt – muss ich feststellen, dass ich selten einen derart substanzlosen Beitrag gehört habe, wie ihn Staatsminister Wöller heute geboten hat.
Außer Allgemeinplätzen war nicht viel zu hören. Konkrete Aussagen zu Verbesserungen der Rahmenbedingungen für den Sport in Sachsen –absolute Fehlanzeige!

Und wenn Sie zurecht auf die gestiegenen Zahlen bei den Mitgliedern und Vereinen im Landessportbund Sachsen verweisen, über die natürlich auch wir uns freuen, dann hat das aber so gut wie gar nichts mit der Politik der Sächsischen Staatsregierung zu tun, sondern ist das Ergebnis einer engagierten Arbeit an der Basis des sächsischen Sports. Dafür gilt allen Ehren- und Hauptamtlichen unser ganz herzlicher Dank.

Unbestritten gab es in Ihrer Rede, Herr Kollege Wöller, eine ganze Reihe von Aussagen, die wir als Linksfraktion grundsätzlich teilen können, angefangen von der Bedeutung des Sports für die Gesundheit, die begrüßenswerte Kommunikation in den Vereinen, über die Rolle des Breitensports sowie die Vorbildwirkung der sächsischen Leistungssportlerinnen und Leistungssportler bis hin zur Würdigung des Ehrenamtes und der Notwendigkeit einer weiteren Förderung des Sportstättenbaus hier bei uns in Sachsen, denn trotz unbestreitbarer Fortschritte gibt es hier immer noch einen erheblichen Investitionsstau.

Bei aller Übereinstimmung im Grundsätzlichen gibt es allerdings im Detail eine ganze Reihe von Differenzen und Ergänzungen, von denen ich hier heute nur einige Punkte nennen kann.
Minister Wöller hat in seiner Rede ausgeführt, dass das Sächsische Staatsministerium für Kultus in den vergangenen zehn Jahren Sportfördermittel in Höhe von 460 Millionen Euro bereitgestellt hätte.

Eines jedoch hat er dabei vergessen zu erwähnen, nämlich dass es nicht die Staatsregierung in ihrer grenzenlosen Weisheit war, die diesen Betrag festgesetzt hat, sondern das Parlament, also der Sächsische Landtag als Haushaltsgesetzgeber. Und wenn es ein Gebiet gab, wo es so gut wie nie zu Streit kam, dann war es der Sportbereich, in dem es seitens der Opposition, wenn überhaupt, im Zweifel vor allem Kritik daran gab, dass nicht noch mehr Mittel bereitgestellt wurden.

Auch wir anerkennen, dass die finanzielle Sportförderung im Vergleich zu anderen Bundesländern in Sachsen durchaus positiv zu bewerten ist, aber wenn man die deutlich gestiegenen Mitgliedszahlen im Landessportbund nimmt und zur Entwicklung der Höhe der Zuwendungen seitens des Freistaates ins Verhältnis setzt, dann ist festzustellen, dass die Pro-Kopf-Förderung gegenüber den Stand vor zehn Jahren rückläufig ist.

Auch dass der Anteil der in den sächsische Sportvereinen organisierten Sachsen sich in den letzten 18 Jahren nahezu verdoppelt hat, hat nur sehr wenig mit der Staatsregierung, dafür aber sehr viel mit dem Engagement der Trainer und Übungsleiter und den tausenden ehrenamtlichen Funktionären in den mehr als 4.400 Vereinen in unserem Land zu tun, die sich von der Politik allerdings immer noch allzu oft allein gelassen fühlen.

Sei es bei den Freistellungsregelungen, sei es bei dem für die notwendige Qualifizierung erforderlichen Bildungsurlaub, sei es bei Versicherungsfragen oder auch bei steuerrechtlichen Bestimmungen. Hier gäbe es viel zu tun. Von einem warmen Händedruck des Ministers bei der Verleihung des „Jokers im Ehrenamt“ können sich die Betroffenen nicht wirklich etwas kaufen.

Wenn der Sportminister dieser Tage durch die Landkreise reist, dann ist das durchaus ein positives Signal. Allerdings wünschen sich die Sportlerinnen und Sportler vor Ort, dass so etwas nicht nur im Wahljahr passiert, und sie erhoffen sich vom Minister auch eindeutige Antworten auf ihre Fragen. Dies jedoch ist Herr Wöller allzu oft schuldig geblieben. Eine Good-Will-Tour ist nicht geeignet, notwendige politische Entscheidungen zu ersetzen.

Sofern der Minister in seiner Regierungserklärung auf die Bedeutung des Kinder- und Jugendsports verwiesen hat, teilen wir selbstverständlich seine diesbezüglichen Bewertungen.
Und natürlich begrüßen wir solche Projekte wie „Komm in den Sportverein“, weil sie durch die Bereitstellung von Gutscheinen durchaus einen Beitrag dazu leisten können, Mädchen und Jungen auch aus sozial benachteiligten Familien an den organisierten Sport heranzuführen.

Die Aktion „Komm in den Sportverein“ wurde bekanntlich als großer Erfolg verkauft und entsprechend medienwirksam in Szene gesetzt. Bei näherer Betrachtung kann jedoch von einem wirklich großen Wurf leider keine Rede sein.
Für eine vorläufige oder gar abschließende Bewertung des Effekts der Initiative ist es ganz sicher noch zu früh, aber ich denke, dass es ein Fehler war, dass das Kultusministerium wichtige Hinweise von Experte einfach in den Wind geschlagen hat, als es die Aktion allein auf die Klassenstufe 3 beschränkte.
Gerade in diesem Altersbereich hatten wir ohnehin schon den höchsten Organisationsgrad überhaupt. Das bedeutet, dass das Potenzial für tatsächliche Sport-Neueinsteiger in diesem Alter besonders gering war und ist. In der Praxis führt dies dazu, dass die Gutscheine in den Vereinen eher von Kindern genutzt werden, die ohnehin schon Mitglied sind und die nunmehr ihren Beitrag erstattet bekommen. Doch genau das war ja wohl mit der Aktion nicht beabsichtigt. Insofern sollte geprüft werden, ob man die im Haushalt bereit gestellten Gelder nicht vor allem für sozial Schwache einsetzen sollte, um ihnen eine Vereinsmitgliedschaft zu ermöglichen, und zwar unabhängig von der jeweiligen Klassenstufe.

Die Unterstützung des Kinder- und Jugendsportes ist ganz ohne Zweifel eine wichtige Aufgabe der Landespolitik. Zugleich jedoch dürfen wir die demografische Entwicklung nicht außer Acht lassen.
Sachsen ist nach statistischen Erhebungen bundesweit das Land mit dem höchsten Altersdurchschnitt. Bereits im Jahr 2006 waren 23 Prozent der Bevölkerung älter als 65 Jahre. Die Expertenkommission der Staatsregierung zum demografischen Wandel stellte dazu fest:
„Im Jahr 2030 wird jeder dritte Bundesbürger älter als 60 Jahre sein. Sachsen ist vom demografischen Wandel besonders betroffen. Schon jetzt hat Sachsen mit 42,3 Jahren den höchsten Altersdurchschnitt aller Bundesländer…. Der Anteil der Bevölkerung unter 20 Jahre nimmt von heute 16,9 auf 14,9 Prozent im Jahr 2020 ab.
Spiegelbildlich nimmt der Anteil der Bevölkerung über 60 Jahre von gegenwärtig 28,9 auf 36,3 Prozent zu.“
Auf diese Entwicklung sollten auch der Sport und die Sportförderung reagieren. Die Sportstätten in unserem Land müssen zunehmend sowohl alters- wie auch behindertengerecht umgestaltet werden.

Und wenn ich schon bei diesem Thema bin, Herr Staatsminister Wöller, dann komme ich nicht umhin festzustellen: Dass Sie in Ihrer gesamten Rede kein einziges Wort zum Behindertensport verloren haben, halte ich für völlig inakzeptabel.
Dies gilt für den Breitensport ebenso wie für den Leistungssport. Der Breitensport hat vor allem unter dem verbesserungswürdigen Zustand vieler Sportstätten zu leiden, den Leistungssportlern im Behindertenbereich wiederum fehlen leider allzu oft die finanziellen Mittel, z.B. für teure Sportgeräte, aber auch um sich an nationalen und vor allem internationalen Meisterschaften beteiligen zu können. Hier gibt es nach wie vor einen erheblichen Nachholbedarf.

Natürlich weiß ich, dass viele Entscheidungen in Sachen Sport in kommunaler Hoheit getroffen werden. Das Land regelt nur die entsprechenden Rahmenbedingungen und trifft Festlegungen hinsichtlich der finanziellen Ausstattung.
Dazu habe ich bereits einige Ausführungen gemacht.

Aber auch andere politische Entscheidungen beeinflussen den Sportbereich, wenn ich zum Beispiel an die Schulschließungen der letzten Jahre denke. Seit 1990 wurden in Sachsen bekanntlich mehr als 1.000 Schulstandorte dicht gemacht.

Diese Schulschließungen waren mit Sicherheit kein Beitrag, um die sportliche Betätigung von Kindern und Jugendlichen zu unterstützen. Schulschließungen führten leider auch zum Wegfall von Vereinen oder zum Weggang von engagierten Übungsleitern, denn nicht selten sind gerade Pädagogen und bei weitem nicht nur Sportlehrer in diesem Bereich aktiv und unterbreiten aus meiner Sicht eigentlich unverzichtbare Angebote. Der Zwang zur Benutzung des allzu häufig trainingsunfreundlichen Schülerverkehrs ist einem kontinuierlichen sportlichen Engagement zudem nicht gerade förderlich.

Auch der Sportunterricht selbst trägt nicht immer dazu bei, das Interesse an körperlicher Betäti-gung zu stärken, denn der Ausfall im Fach Sport liegt nach wie vor deutlich über dem Durchschnitt der anderen Fächer.

Wie aus der Antwort auf eine Große Anfrage meiner Fraktion aus der letzten Legislaturperiode hervorging, sieht die Staatsregierung die Ursache dafür in einer Unterbewertung des Faches Sport durch die Schulleiter und Eltern. Bei Engpässen in der Unterrichtsversorgung werde häufig zuerst das Fach Sport gekürzt, da die Eltern hier am wenigstens intervenieren. Außerdem zögen sich ältere Sportlehrer aufgrund der körperlichen Belastung zunehmend aus dem Sportunterricht zurück und unterrichteten verstärkt in Ihrem zweiten Fach.
Ich meine, hier muss das Kultsministerium endlich handeln, z.B. durch die Einstellung junger Absolventen. Der derzeitige Ausfall ist jedenfalls nicht länger hinnehmbar, denn die Folgen sind unübersehbar. Die gesundheitlichen Untersuchungen ergeben von Jahr zu Jahr eine wachsende Zahl von Schülerinnen und Schülern mit Haltungsschäden und Übergewichtigkeit.
Auch Herr Wöller hat darauf in seiner Rede hingewiesen. Hier könnte durch gezielte sportliche Betätigung sehr viel zum Positiven entwickelt werden.

Es gibt aber auch noch einen anderen Punkt, der das organisierte Sporttreiben insbesondere im Kinder- und Jugendbereich zunehmend bedroht. Ich meine die in vielen Orten steigenden Nutzungsgebühren für die kommunalen Sportstätten.
Dies ist aus meiner Sicht ein Kardinalproblem des Sports im Freistaat Sachsen. Von allen Seiten wurde und wird immer wieder darauf aufmerksam gemacht, dass hier dringender Klärungsbedarf besteht.
Die Staatsregierung hat bislang jedoch absolut nichts unternommen, um den beständigen Anstieg der Sportstättengebühren endlich zu stoppen.
Im Gegenteil: Selbst jenen Kommunen, die aus eigenem Entschluss im Interesse des Sports ganz oder teilweise auf die Erhebung von Sportstättengebühren verzichten, werden immer wieder Steine in den Weg gelegt. Regierungspräsidien und Landratsämter verlangten in den letzten Jahren bei der Genehmigung der kommunalen Haushalte zunehmend eine Konzentration auf die so genannten Pflichtaufgaben und forderten in förmlichen Auflagen zum Genehmigungsbescheid die Erhöhung bzw. Erhebung von Gebühren, also letztlich auch bei den Sportstätten.

Leidtragende dieser Entwicklung sind vor allem jene Vereine, die besonders viele Kinder- und Jugendliche in ihren Reihen haben, denn hier sind die Beitragseinnahmen entsprechend gering, die Gebühren z. B. pro Stunde Hallennutzung sind jedoch vielerorts gleich.
Das führt dazu oder kann zumindest dazu führen, dass sich Vereine zunehmend von der Nachwuchsarbeit abwenden. Das jedoch – und da sind wir uns hier hoffentlich alle einig – wäre genau das falsche Signal.
Um den Trainings- und Wettkampfbetrieb für Kinder- und Jugendliche ohne Abstriche dauerhaft aufrechterhalten zu können, brauchen wir endlich eine rechtliche Klarstellung, entweder dergestalt, dass im Nachwuchsbereich generell keine Sportstättengebühren erhoben werden oder aber zumindest eine Obergrenze festgeschrieben wird. So wie bisher kann und darf es nicht weitergehen!

Und gestatten Sie mir noch eine letzte Bemerkung, die ich seit nunmehr 15 Jahren immer wieder erhoben habe:
Es stünde uns allen gut zu Gesicht, wenn wir den traurigen Zustand, dass die in der Sächsischen Verfassung enthaltene Verpflichtung des Landes zur Förderung der sportlichen Betätigung bis dato noch immer ohne eine gesetzliche Untersetzung geblieben ist, schnellstmöglich beenden würden. Wie DIE LINKE ist die übergroße Mehrheit der Vereine der Ansicht: Sachsen braucht endlich ein Sportfördergesetz.
Kernpunkt dieses Gesetzes sollte es sein, dass der Sport künftig als Pflichtaufgabe der Kommunen eingestuft wird und nicht mehr als so genannte freiwillige Leistung dem Rotstift zum Opfer fällt. In einem solchen Sportfördergesetz könnten auch Regelungen zum behindertengerechten Neu- und Umbau von Sportstätten, zur Freistellung von Übungsleitern sowie von Schieds- und Kampfrichtern oder zu institutionellen Förderung des Landessportbundes sowie des Leistungssports verankert werden. CDU und SPD haben jetzt fast fünf Jahre Zeit gehabt und nichts unternommen. DIE LINKE wird nach der Landtagswahl nicht nur in dieser Frage entschlossen handeln!

Herzlichen Dank!

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