Die schönste Nebensache der Welt

Sport ist nicht nur die schönste Nebensache der Welt, sondern für immer mehr Menschen ein ganz wichtiger Bestandteil ihres Lebens, und das zum Teil von der Kindheit an bis ins hohe Alter. Leider spielt der Sport in den Debatten des Bundestages nur selten eine Rolle. Schon deshalb ist der 13. Sportbericht der Bundesregierung wichtig. Er enthält durchaus viele wertvolle Informationen, krankt allerdings an einem zentralen Punkt, dem völlig fehlenden Problembewusstsein.

(Rede zum 13. Sportbericht der Bundesregierung, 06.02.2015)

 

_______________________________________________________________

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Sport ist nicht nur, wie es manchmal heißt, die schönste Nebensache der Welt, sondern für immer mehr Menschen ein ganz wichtiger Bestandteil ihres Lebens, und das zum Teil von der Kindheit bis ins hohe Alter. Der Deutsche Olympische Sportbund hat derzeit knapp 28 Millionen Mitglieder in 90 000 Vereinen. Was dort von den Aktiven aller Altersklassen, von den Trainern und Übungsleitern, von den Sportfunktionären der verschiedenen Ebenen und nicht zuletzt auch von den Schieds- und Kampfrichtern Jahr für Jahr geleistet wird, verdient allerhöchste Anerkennung. Dafür möchte ich mich auch im Namen meiner Fraktion ganz herzlich bedanken.

(Beifall bei der LINKEN, der CDU/CSU und der SPD)

Leider spielt der Sport in den Debatten des Bundestages nur selten eine Rolle. Schon deshalb ist der 13. Sportbericht der Bundesregierung wichtig. Er enthält durchaus viele wertvolle Informationen, er krankt allerdings an einem zentralen Punkt, dem völlig fehlenden Problembewusstsein. Die Lage wird in fast allen Bereichen schöngefärbt. Eigentlich unübersehbare Defizite werden verschwiegen. Auf der Hand liegende offene Fragen bleiben unbeantwortet. Der Minister – das will ich gerne einräumen – war in seiner Rede schon etwas differenzierter. Ich komme gleich noch auf einzelne Punkte zurück.

Zuvor will ich an den 12. Sportbericht erinnern, zu dem der Bundestag im Januar 2011 eine Entschließung verabschiedet hatte. Vieles von dem, was vor vier Jahren beschlossen wurde, ist nicht erfüllt worden.

(Monika Lazar (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): In der Tat!)

Die Olympiabewerbung von München für 2018 ist gescheitert. Ein Anti-Doping-Gesetz ist immer noch nicht beschlossen; es gibt jetzt immerhin einen Referentenentwurf. Der Zugang von Kindern und Jugendlichen mit Behinderungen, mit Migrationshintergrund sowie aus sozial schwachen Familien zum Vereinssport liegt weiter deutlich unter dem Durchschnitt. Die sportliche Infrastruktur und die Situation der Sportstätten sind kaum besser, sondern vielerorts sogar noch schlechter geworden.

Nach wie vor – auch das will ich sagen – gibt es einen enormen Unterschied bei den in Sportvereinen organisierten Menschen zwischen Ost- und Westdeutschland. Im Westen liegt der Organisierungsgrad bei durchschnittlich 30 Prozent, im Osten nur bei 15 Prozent. Damit sollten wir uns nicht zufriedengeben.

(Beifall bei der LINKEN)

Das gilt im Übrigen auch für den Leistungssport. Der erfreuliche Gewinn der Fußballweltmeisterschaft hat einiges überdeckt; denn die Resultate der Olympischen Spiele in Sotschi waren wirklich nicht berauschend. Das erfordert auch Konsequenzen. Der Sportausschuss hat sich damit wiederholt beschäftigt. Wenn es um die künftige Förderung des Spitzensports geht, müssen wir sorgfältig abwägen, wofür wir Steuergelder in die Hand nehmen.

(Beifall bei der LINKEN)

Im Kern gibt es für Deutschland zwei Alternativen: entweder eine absolute Konzentration der zur Verfügung stehenden Mittel auf einige wenige ausgewählte und medienträchtige Sportarten – diesen Weg haben zum Beispiel die Holländer beim Eisschnelllauf eingeschlagen – oder die Fortsetzung einer differenzierten Sportförderung in allen für Deutschland traditionellen olympischen und paralympischen Sportarten. Die Linke ist für die zweite Variante, wobei uns klar ist, dass es perspektivisch zu veränderten Prioritätensetzungen kommen muss.

Beim Sport für Menschen mit Behinderungen gab es positive Entwicklungen. Trotzdem bleibt noch viel zu tun. Ein Basketballer braucht nicht nur Sportkleidung. Wenn er im Behindertensport tätig ist, braucht er auch einen teuren Sportrollstuhl. Der Weitspringer Markus Rehm benötigt nicht nur Turnschuhe, sondern eine teure Spezialprothese. Hinzu kommen Ausgaben für Assistenz und für den Transport zum Training. Für all das gibt es in der Regel keine Zuschüsse. Auch Sponsoren stehen bei den Behindertensportlern nicht Schlange.

1950 stiftete Bundespräsident Theodor Heuss das Silberne Lorbeerblatt als höchste staatliche Auszeichnung im Sport. Es dauerte sage und schreibe 43 Jahre, ehe Bundespräsident Richard von Weizsäcker erstmals auch Sportlerinnen und Sportler mit Behinderungen mit dem Silbernen Lorbeerblatt ehrte. Es vergingen noch einmal zwei Jahrzehnte, bis auch die von den Linken immer wieder geforderte Gleichbehandlung der Medaillengewinner bei Olympischen und Paralympischen Spielen hinsichtlich der Prämierung durch die Deutsche Sporthilfe endlich realisiert wurde. Das ist gut und richtig, aber die Trainer werden bei der Prämierung weiter ungleich behandelt. Hierfür ist die Bundesregierung zuständig; sie sollte das endlich ändern.

(Beifall bei der LINKEN)

Übereinstimmung gibt es auch bei der Notwendigkeit der Bekämpfung von Doping. Die Linke hat dazu bereits im August letzten Jahres in einem Antrag Eckpunkte für das längst überfällige Anti-Doping-Gesetz vorgelegt. Wir wollen die bestehenden Strafvorschriften für den Handel mit Dopingmitteln erweitern und auch einen neuen Straftatbestand Sportbetrug einführen, der es künftig ermöglichen würde, beteiligten Trainern die Lizenz und beteiligten Ärzten die Approbation zu entziehen sowie gegen gedopte Athleten harte Geldbußen und bei Wiederholungstätern auch Freiheitsstrafen zu verhängen. Zudem hoffe ich, dass wir fraktionsübergreifend möglichst noch in diesem Jahr eine Lösung für die Entschädigung von Dopingopfern in Ost und West finden; sie haben eine angemessene Lösung verdient.

(Beifall bei der LINKEN sowie der Abg. Ulli Nissen (SPD) und Monika Lazar (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Zum Schluss nur noch einige wenige Stichworte. Der Sport ist keine Spielwiese für Rechtsextremisten und Gewalttäter, für Ausländerfeindlichkeit und Rassismus.

(Beifall im ganzen Hause)

Im Gegenteil: Der Sport leistet einen wichtigen Beitrag zur Integration von Menschen mit Migrationshintergrund, Asylbewerbern und Flüchtlingen. Die diesbezüglichen Aktivitäten müssen wir noch stärker unterstützen.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Auch als langjähriger Kapitän des FC Landtag Sachsen und jetziger Aktiver beim FC Bundestag sage ich: Der Fußball darf in der Berichterstattung der öffentlich-rechtlichen Sender nicht alles dominieren.

(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)

Es gibt im Spitzensport sowie im Breitensport viele Sportereignisse, über die es zu berichten lohnt. Es war inakzeptabel, dass die Spiele der Handballweltmeisterschaft in Katar hierzulande nur im Pay-TV verfolgt werden konnten.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Ich möchte mich an dieser Stelle ganz herzlich für das Zusammenwirken mit dem DOSB bedanken. Präsident Alfons Hörmann leistet hier in schwieriger Zeit eine sehr gute Arbeit.

(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN sowie des Abg. Detlev Pilger (SPD))

Ich wünsche seinem Vorgänger, Thomas Bach, viel Erfolg bei seinem Bemühen, die längst überfälligen Reformen im verkrusteten, überalterten und in Teilen wohl auch korrupten IOC tatsächlich umzusetzen.

(Beifall bei der LINKEN)

Und ich wünsche mir eine FIFA ohne Sepp Blatter an der Spitze.

(Beifall bei der LINKEN, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Sven Volmering (CDU/CSU) – Özcan Mutlu (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Da klatsche ich doch glatt mit!)

Meine Damen und Herren, ich wünsche mir abschließend, dass wir bei allen Verweisen auf die Zuständigkeiten von Bund, Ländern und Kommunen die Situation im Breitensport nicht aus dem Blick verlieren. Wir haben dort viel zu tun. Packen wir es gemeinsam an!

Sport frei!

(Beifall bei der LINKEN)